Jura Update

Frage an einen Stellenbewerber nach eingestellten Ermittlungsverfahren

27. November 2012

Der Arbeitgeber darf den Stellenbewerber grundsätzlich nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Eine solche unspezifizierte Frage verstößt gegen Datenschutzrecht und die Wertentscheidungen des § 53 Bundeszentralregistergesetz (BZRG). Stellt der Arbeitgeber die Frage dennoch und verneint der Bewerber in Wahrnehmung seines informationellen Selbstbestimmungsrechts wahrheitswidrig, dass gegen ihn Ermittlungsverfahren anhängig waren, darf der Arbeitgeber das zwischenzeitlich begründete Arbeitsverhältnis nicht wegen dieser wahrheitswidrig erteilten Auskunft kündigen.

Der 1961 geborene Kläger bewarb sich als sog. Seiteneinsteiger im Sommer 2009 als Lehrer an einer Hauptschule in Nordrhein-Westfalen. Vor seiner Einstellung wurde er aufgefordert, auf einem Vordruck zu erklären, ob er vorbestraft sei, und zu versichern, dass gegen ihn kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig sei oder innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen sei. Der Kläger unterzeichnete den Vordruck, ohne Angaben zu etwaigen Ermittlungsverfahren zu machen. Er wurde zum 15. September 2009 eingestellt. Im Oktober 2009 erhielt die zuständige Bezirksregierung einen anonymen Hinweis, der sie veranlasste, die Staatsanwaltschaft um Mitteilung strafrechtsrelevanter Vorfälle zu bitten. Die daraufhin übersandte Vorgangsliste wies mehrere nach §§ 153 ff. StPO eingestellte Ermittlungsverfahren aus. Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich, weil der Kläger die Frage nach Ermittlungsverfahren unrichtig beantwortet habe. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Bereits eingestellte Ermittlungsverfahren habe er nicht angeben müssen.

Das Arbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung, das Landesarbeitsgericht auch die ordentliche Kündigung als unwirksam angesehen. Die hiergegen eingelegte Revision des beklagten Landes blieb vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Eine Erhebung von Daten, wie sie die unspezifizierte Frage nach Ermittlungsverfahren darstellt, ist nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen nur zulässig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift erlaubt ist oder der Betroffene einwilligt. Solche Informationen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren sind für die Bewerbung um eine Stelle als Lehrer nicht erforderlich und damit nicht durch § 29 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen gestattet. Die allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung der Frage nach Ermittlungsverfahren gestützte Kündigung verstieß deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung, bei dem es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) handelt, zum Ausdruck kommt. Sie war deshalb gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. November 2012 – 6 AZR 339/11 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 10. März 2011 – 11 Sa 2266/10 -

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes vom 15.11.2012 unter www.bundesarbeitsgericht.de

 

Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

21. November 2012

Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist der Arbeitgeber berechtigt, von dem Arbeitnehmer die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer schon von dem ersten Tag der Erkrankung an zu verlangen. Die Ausübung dieses Rechts steht im nicht an besondere Voraussetzungen gebundenen Ermessen des Arbeitgebers.

Die Klägerin ist bei der beklagten Rundfunkanstalt als Redakteurin beschäftigt. Sie stellte für den 30. November 2010 einen Dienstreiseantrag, dem ihr Vorgesetzter nicht entsprach. Eine nochmalige Anfrage der Klägerin wegen der Dienstreisegenehmigung am 29. November wurde abschlägig beschieden. Am 30. November meldete sich die Klägerin krank und erschien am Folgetag wieder zur Arbeit. Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin auf, künftig schon am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und ein entsprechendes Attest vorzulegen. Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Widerruf dieser Weisung begehrt und geltend gemacht, das Verlangen des Arbeitgebers auf Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits für den ersten Tag der Erkrankung bedürfe einer sachlichen Rechtfertigung. Außerdem sehe der für die Beklagte geltende Tarifvertrag ein derartiges Recht nicht vor.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Die Ausübung des dem Arbeitgeber von § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG eingeräumten Rechts steht im nicht gebundenen Ermessen des Arbeitgebers. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht besteht, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht. Eine tarifliche Regelung steht dem nur entgegen, wenn sie das Recht des Arbeitgebers aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ausdrücklich ausschließt. Das war vorliegend nicht der Fall.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. November 2012 - 5 AZR 886/11 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 14. September 2011 - 3 Sa 597/11 -

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes vom 14.11.2012
unter www.bundesarbeitsgericht.de

 

Anspruch auf Arbeitszeitverringerung bei Arbeitszeitvorgaben des Entleihers

21. November 2012

In einem Betrieb, in dem in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt werden, kann ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, von dem Arbeitgeber verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird (§ 8 Abs. 1 TzBfG). Der Arbeitgeber hat der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG). Diese hat er darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen.

Der Kläger ist seit 1995 im Luftfahrtunternehmen der Beklagten mit einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 18 Wochenstunden beschäftigt. Die Beklagte ist berechtigt, dem Kläger sämtliche Tätigkeiten im „Basic Service 2“ zuzuweisen. Zu diesen gehört neben dem Betreuungsdienst, dem der Kläger zugeordnet ist, eine Vielzahl anderer Tätigkeiten. 2008 übertrug die Beklagte ihren Betreuungsdienst auf einen Dienstleistungsanbieter und überließ diesem ua. den Kläger auf der Grundlage eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags. Später verpflichtete sich die Beklagte gegenüber dem Entleiher, ausschließlich Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden zu überlassen. Der Kläger verlangt von der Beklagten, seine regelmäßige Wochenarbeitszeit auf zehn Stunden zu reduzieren. Die Beklagte macht geltend, die Arbeitszeitregelungen des Überlassungsvertrages stünden dem Verringerungsbegehren entgegen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der gesetzliche Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit steht auch Arbeitnehmern zu, die bereits in Teilzeit arbeiten. Die Arbeitszeitbestimmungen des Überlassungsvertrages berechtigten die Beklagte nicht, den Verringerungswunsch des Klägers abzulehnen. Entscheidend ist vielmehr, ob dem Teilzeitverlangen bei allen vertraglich möglichen Einsätzen betriebliche Gründe entgegenstehen. Zu der Möglichkeit, den Kläger - gegebenenfalls im Wege eines Ringtausches - auf einem anderen Arbeitsplatz in ihrem Luftfahrtunternehmen einzusetzen, hatte die darlegungsbelastete Beklagte nichts vorgetragen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. November 2012 - 9 AZR 259/11 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Januar 2011 - 17 Sa 641/10 -

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes vom 13.11.2012
unter www.bundesarbeitsgericht.de

 

Änderung im Fernabsatzrecht: Die Buttonlösung

26. März 2012

Der Bundestag hat am 02.03.2012 das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches zum besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr verabschiedet (Neufassung § 312g Absatz 3 Satz 2 BGB).

Der signifikanteste Regelungspunkt ist die Einführung der sog. Buttonlösung.

Der Unternehmer hat hierbei den Bestellvorgang im Internet derart auszugestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Diese ausdrückliche Bestätigung soll nach Willen des Gesetzgebers über die eindeutige Ausgestaltung eines Bestellbuttons erfolgen. Der Bestellbutton muss den Verbraucher ausdrücklich und gut lesbar auf seine Zahlungspflichten hinweisen. Die Kennzeichnung des Bestellbuttons hat nach dem Wortlaut des neugefassten § 312g Absatz 3 Satz 2 BGB mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung zu erfolgen.

Ein weiterer Regelungspunkt betrifft die Informationspflichten des Unternehmers im elektronischen Geschäftsverkehr. Der Unternehmer ist nunmehr verpflichtet, den Verbraucher unmittelbar vor Abgabe seiner Bestellung über den wesentlichen Vertragsinhalt (wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung, eventuelle Mindestlaufzeit, Gesamtpreis, zusätzlich anfallende Liefer- und Versandkosten sowie mögliche weitere Kosten)

Das Gesetz ist derzeit noch nicht in Kraft getreten. Es wurde am 02.03.2012 im Bundestag verabschiedet und noch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

UPDATE: Abmahnung wegen angeblicher Markenrechtsverletzungen (Wortmarke: „Texas Hold’em“), Abmahnung durch Rechtsanwälte

10. Juni 2011

Zu den sich aktuell in Umlauf befindlichen Abmahnung wegen angeblicher Markenrechtsverletzungen der Wortmarke „Texas Hold’em“ tritt nunmehr die Wirth Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Bergen auf Rügen als Vertreter des Herrn Martin Wolff auf und mahnt Händler ab, die den Begriff „Texas Hold’em“ im Geschäftsverkehr verwenden. Zuvor trat ein Herr Jörg Kindling aus dem Ostseebad Sellin als Vertreter des Herrn Martin Wolff auf.  Betroffene Händler werden wiederum aufgefordert, eine Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung mit Vertragstrafeversprechen zu unterschreiben sowie entstandene Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.

Es bestehen grundlegende Bedenken gegen die Berechtigung der Abmahnung.

Der Begriff „Texas Hold’em“ ist tatsächlich als Wortmarke seit dem 24.05.2007 in das Register des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) eingetragen. Allerdings dürften der Eintragung absolute Schutzhindernisse wegen Freihaltebedürftigkeit entgegenstehen,  da es sich bei der registrierte Wortmarke um eine beschreibende Marke handeln dürfte.   „Texas Hold’em“ beschreibt die bekannteste Variante des Kartenspiels Poker und sollte daher prinzipiell von der Registrierung ausgeschlossen sein.

Das DPMA hat bereits ebenfalls im Jahre 2007 die beantragte Eintragung der Wortmarke „Texas Hold’em“ abgelehnt und ein weiteres Mal nach einem Widerspruch aus dem Register des DPMA gelöscht.

 

 

Bedenken gegen Berechtigung Abmahnung wegen angeblicher Markenrechtsverletzungen (Wortmarke: „Texas Hold’em“) von Jörg Kindling

12. April 2011

Wie bereits mitgeteilt, befinden sich aktuell Abmahnungen eines Jörg Kindling aus dem Ostseebad Sellin im Umlauf.

Unter Vorlage einer Handlungsvollmacht mahnt Herr Jörg Kindling als Vertreter eines Herrn Martin Joachim Wolff aus Binz wegen angeblicher Markenrechtsverletzungen der Wortmarke „Texas Hold’em“ ab. Der Begriff „Texas Hold’em“ ist als Wortmarke seit dem 24.05.2007 in das Register des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) eingetragen. Betroffene werden aufgefordert, eine Unterlassungserklärung mit Vertragstrafeversprechen zu unterschreiben und Schadenersatz zu zahlen. Ferner wird Auskunft hinsichtlich der Herkunft und den Vertriebswegen der angeblich markenrechtsverletzend angebotenen Waren begehrt.

Grundlegende Bedenken gegen die Berechtigung der Abmahnung ergeben sich aus verschiedenen offenkundigen Gründen:

1. Eintragungsfähigkeit Wortmarke

Die Wortmarke „Texas Hold’em“ ist tatsächlich im Register des DPMA eingetragen, obwohl der Eintragung absolute Schutzhindernisse wegen Freihaltebedürftigkeit entgegenstehen dürften. Eine Registrierung ist u.a. nicht möglich, wenn die einzutragende Wortmarke die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen lediglich beschreibt. Hier wurde die Wortmarke u.a. für die Klasse 28 (Spiele) registriert.

„Texas Hold’em“ beschreibt die bekannteste Variante des Kartenspiels Poker. Es handelt sich bei der registrierte Wortmarke daher um eine beschreibende Marke, die aufgrund des Vorliegens von absoluten Schutzhindernissen prinzipiell von der Registrierung ausgeschlossen ist.

Hierzu ist ergänzend anzumerken, dass ebenfalls im Jahre 2007 die beantragte Eintragung der Wortmarke „Texas Hold’em“ vom DPMA abgelehnt und ein weiteres Mal nach einem Widerspruch aus dem Register des DPMA gelöscht wurde.

2. Inhaber Wortmarke

Auftraggeber der Abmahnung ist Herr Martin Joachim Wolff aus Binz. Tatsächlich eingetragen als Markeninhaber ist jedoch ein Herr Joachim Wolf aus Jena. Markenschutz i.S.d. Markengesetzes (MarkenG) kann grundsätzlich jedoch nur der Markeninhaber beanspruchen. Allerdings sind weder Herr Martin Joachim Wolff, noch Herr Jörg Kindling offenkundig Inhaber der Wortmarke „Texas Hold’em“.

3. Vollmacht

Die vorlegte Handlungsvollmacht besticht durch verwirrende Angaben zum Aussteller und Ausstellungsort. Durch die verwendeten Eingangsformeln sowie dem verwendeten Stempel muss der objektive Eindruck entstehen, dass an der Fertigung der Vollmacht ein Rechtsanwalt beteiligt war. Weder Herr Martin Joachim Wolff, noch Herr Jörg Kindling handeln jedoch erkennbar als Rechtsanwälte, noch ist ein Dritter erkennbar in seiner Funktion als Rechtsanwalt beteiligt.

4. Unterlassungsverpflichtungserklärung

In der zu unterzeichnenden Unterlassungsverpflichtungserklärung wird Herr Martin Joachim Wolff mehrfach als Rechteinhaber der Wortmarke „Texas Hold’em“ bezeichnet. Eine entsprechende Rechteinhaberschaft zugunsten des Herrn Herr Martin Joachim Wolff ergibt sich jedoch weder aus dem Register des DPMA, noch ist sie vom Abmahnenden in andere Weise evident nachgewiesen. Darüber hinaus sind die Adressdaten verschieden.

5. Anspruch Schadensersatz

Neben der Unterzeichnung der Unterlassungsverpflichtungserklärung werden Schadenersatzansprüche in unterschiedlicher Höhe erhoben. Gemein ist diesen erhobenen Ansprüchen, dass sie sehr unterschiedlichen Berechnungsmodellen zur Höhe entspringen. Zudem erfolgt die Berechnung des Schadensersatzes offenkundig ohne Rücksicht auf den Umfang der vermeintlichen Verletzungshandlungen.

Abmahnung wegen angeblicher Markenrechtsverletzungen (Wortmarke: „Texas Hold’em“) von Jörg Kindling

8. April 2011

Aktuell befinden sich Abmahnungen eines Jörg Kindling aus dem Ostseebad Sellin im Umlauf. Dieser mahnt als Vertreter eines Martin Joachim Wolff Händler ab, die den Begriff „Texas Hold’em“ verwenden. Von der Abmahnung betroffen sind u.a. Händler auf der Plattform eBay. Betroffene Händler werden aufgefordert, eine Unterlassungserklärung mit Vertragstrafeversprechen zu unterschreiben und Schadenersatz zu zahlen.

Aus einer Vielzahl von Gründen bestehen grundlegende Bedenken an der Berechtigung der Abmahnung.

Bemessungsdurchgriff bei der Aufstellung eines Sozialplans im Konzern

16. März 2011

Können sich Betriebsparteien nicht auf die Vereinbarung eines Sozialplans verständigen, entscheidet die Einigungsstelle. Bei ihrem Spruch hat sie gemäß § 112 Abs. 5 BetrVG die sozialen Belange der Arbeitnehmer zu berücksichtigen und auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Sozialplandotierung zu achten. Hierfür ist auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers (Unternehmens) abzustellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Sozialpläne konzernangehöriger Unternehmen. Ist allerdings ein solches Unternehmen durch eine Spaltung iSd. Umwandlungsgesetzes entstanden und sind dabei die zur Führung seines Betriebs wesentlichen Vermögensteile bei dem übertragenden Unternehmen als Anlagegesellschaft verblieben und dem später sozialplanpflichtigen Unternehmen als Betriebsgesellschaft lediglich zur Nutzung überlassen worden, ist nach § 134 UmwG bei der Bestimmung des Sozialplanvolumens im Wege eines Bemessungsdurchgriffs auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der Anlagegesellschaft zu berücksichtigen.

Die K-AG hat sechs Rehakliniken betrieben. Diese gliederte sie Anfang des Jahres 2006 auf sechs Betriebsgesellschaften aus. In fünf Fällen behielt die K-AG das Eigentum an den Klinikgrundstücken. Im sechsten, streitgegenständlichen Fall der O-Klinik GmbH (Arbeitgeberin) war die K-AG nur Pächterin der Klinikimmobilie gewesen. Ende 2006 beschloss die Arbeitgeberin ihren hoch defizitären Klinikbetrieb einzustellen. Daraufhin wurde durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Mio. Euro aufgestellt. Zu dieser Zeit wies die Bilanz der Arbeitgeberin einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag von rund 3 Mio. Euro aus.

Der auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs gerichtete Antrag der Arbeitgeberin hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Spruch der Einigungsstelle überschreitet die Grenzen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit und verstößt deshalb gegen § 112 Abs. 5 BetrVG. Ein Bemessungsdurchgriff nach § 134 UmwG auf die vermögende K-AG war der Einigungsstelle verwehrt. Im Zuge der Ausgliederung waren der Arbeitgeberin keine für die Fortführung ihres Klinikbetriebs wesentlichen Vermögensteile entzogen worden.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15. März 2011 – 1 ABR 97/09 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 4 TaBV 68/08 -

Pressemitteilung Nr. 18/11 vom 15.03.2011 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Haushaltsbefristungen bei der Bundesagentur für Arbeit

11. März 2011

Die Bundesagentur für Arbeit kann die Befristung von Arbeitsverhältnissen nicht damit rechtfertigen, ein von ihr aufgestellter Haushaltsplan sehe Haushaltsmittel für befristete Arbeitsverträge vor. Sie kann sich nicht auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) berufen. Das gebietet die verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses vor, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird. Damit eröffnet der Gesetzgeber für den öffentlichen Dienst eine Möglichkeit zur Befristung von Arbeitsverhältnissen, die der Privatwirtschaft nicht zur Verfügung steht. Die damit verbundene Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer in ihrem von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz ist nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn das den Haushaltsplan aufstellende Organ und der Arbeitgeber identisch sind. Das ist bei der Bundesagentur für Arbeit der Fall. Ihr Vorstand stellt den Haushaltsplan auf und vertritt zugleich die Bundesagentur als Arbeitgeber. Bei Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG könnte er daher durch die Ausgestaltung des Haushaltsplans den Sachgrund für die Befristung der von ihm geschlossenen Arbeitsverträge selbst schaffen. Für eine solche Privilegierung der Bundesagentur für Arbeit in ihrer Doppelrolle als Haushaltsplangeber und Arbeitgeber gibt es keine hinreichende sachliche Rechtfertigung.

Der Kläger hat sich gegen die Befristung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2008 gewehrt. Die Bundesagentur für Arbeit hat sich zur Begründung der Befristung auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gestützt und sich darauf berufen, dass ihr Haushaltsplan für 2008 Haushaltsmittel für 5800 befristete Stellen vorsah und der Kläger aus diesen Mitteln vergütet wurde.

Der Kläger hatte – wie bereits beim Landesarbeitsgericht – mit seiner Klage vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses war unwirksam.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 9. März 2011 – 7 AZR 728/09 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Juli 2009 – 3 Sa 1657/08 -

Der Siebte Senat hat mit denselben Erwägungen der Klage einer Arbeitnehmerin gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses bei der Bundesagentur für Arbeit stattgegeben, die auf den Haushaltsplan für 2007 gestützt wurde (- 7 AZR 47/10 -).

Pressemitteilung Nr. 17/11 vom 09.03.2011 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Zur Beweislast für einen Mangel der Kaufsache nach der Durchführung von Nachbesserungsarbeiten

10. März 2011

Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zur Beweislast für einen Mangel der Kaufsache nach der Durchführung von Nachbesserungsarbeiten getroffen.

Der Kläger leaste von einer Leasinggesellschaft einen Neuwagen Audi S4, den die Gesellschaft bei der Beklagten erwarb. Die Gewährleistungsansprüche bezüglich des Pkw wurden von der Leasinggesellschaft an den Kläger abgetreten. Bereits kurz nach Übergabe beanstandete der Kläger verschiedene Mängel, darunter einen Fehler des Motors, der sich in Zündaussetzern, sporadischem Leistungsverlust und Rütteln des Motors zeige. Die Beklagte führte mehrfach Nachbesserungsarbeiten durch. Der Kläger behauptet, dass der Mangel auch durch die Reparaturversuche der Beklagten nicht beseitigt worden sei, und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der erlangten Gebrauchsvorteile Zug um Zug gegen Rückgabe des Audi S4. Im Rahmen der während des Prozesses erfolgten Beweiserhebung stellte der Sachverständige erstmals bei der dritten Begutachtung des Fahrzeugs den vom Kläger beschriebenen Mangel fest. Der Sachverständige konnte jedoch nicht angeben, wann dieser Mangel erstmalig aufgetreten war. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, weil der Kläger nicht habe beweisen können, dass der vom Sachverständigen im Prozess festgestellte Fahrzeugmangel auf der erfolglosen Nachbesserung der Beklagten beruhe und nicht auf eine neue Mängelursache zurückzuführen sei.

Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine Rechtsprechung bekräftigt, dass der Käufer, der die Kaufsache nach einer Nachbesserung des Verkäufers wieder entgegengenommen hat, die Beweislast für das Fehlschlagen der Nachbesserung trägt. Die Beweislast erstreckt sich allerdings nicht auf die Frage, auf welche Ursache ein Mangel der verkauften Sache zurückzuführen ist, sofern eine Verursachung durch unsachgemäßes Verhalten des Käufers ausgeschlossen ist. Weist die Kaufsache – wie vorliegend – auch nach den Nachbesserungsversuchen des Verkäufers noch den bereits zuvor gerügten Mangel auf, muss der Käufer nicht nachweisen, dass dieser Mangel auf derselben technischen Ursache beruht wie der zuvor gerügte Mangel.

Urteil vom 9. März 2011 – VIII ZR 266/09

LG Hof – Urteil vom 3. November 2008 – 32 O 1297/04
OLG Bamberg – Urteil vom 26. August 2009 – 8 U 193/08

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes Nr. 040/2011 vom 09.03.2011