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Kündigungsschutz: Leiharbeitnehmer und Größe des Betriebs

4. Februar 2013

Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt das Kündigungsschutzgesetz für nach dem 31. Dezember 2003 eingestellte Arbeitnehmer nur in Betrieben, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Bei der Berechnung der Betriebsgröße sind auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht. Dies gebietet eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der gesetzlichen Bestimmung.
Der Kläger war seit Juli 2007 bei der Beklagten beschäftigt. Diese beschäftigte einschließlich des Klägers zehn eigene Arbeitnehmer. Im November 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgerecht. Mit seiner Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, bei der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer seien auch die von der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen, weil das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Die Revision des Klägers hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Es ist nicht auszuschließen, dass im Betrieb der Beklagten mehr als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG beschäftigt waren. Der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern steht nicht schon entgegen, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet haben. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes soll der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleinerer Betriebe typischerweise stärker belastet. Dies rechtfertigt keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder dem entliehener Arbeitnehmer beruht.
Der Senat hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Es steht noch nicht fest, ob die im Kündigungszeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen oder eines für den Betrieb „in der Regel“ nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalls beschäftigt waren.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2013 – 2 AZR 140/12 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 27. Juli 2011 – 4 Sa 713/10

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes Nr. 6/13 vom 30.01.2013 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Eingruppierung einer „Laborspülkraft“ – Begriff der Unterhaltsreinigung

4. Februar 2013

Eine als „Laborspülkraft“ beschäftigte Arbeitnehmerin, die in einem Labor benutzte Glasgeräte mehrfach am Tag einzusammeln, mit einer Industriespülmaschine zu reinigen und diese Arbeitsmittel im gereinigten Zustand an die Arbeitsplätze zurück zu stellen hat, kann eine Vergütung nach der Lohngruppe 1 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk (RTV) beanspruchen. Bei der Tätigkeit handelt es sich um Unterhaltsreinigungsarbeiten.

Die Klägerin ist bei der Beklagten mit einem arbeitsvertraglich vereinbarten Stundenlohn von 7,30 Euro brutto beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk. Die Klägerin arbeitet für die Beklagte in einem Forschungslabor eines Chemieunternehmens. Ihre Tätigkeit besteht darin, die von den Beschäftigten des Labors benutzten Reagenzgläser sowie Zylinder und Kolben aus Glas viermal pro Arbeitstag einzusammeln, in einer von ihr zu bedienenden Industriespülmaschine zu reinigen und die gesäuberten Gegenstände wieder auszuräumen. Einige der Glasgegenstände werden von der Klägerin auch mit Ethanol gereinigt. Am nächsten Tag werden die Gläser von ihr wieder in die Labore gebracht. Die Klägerin verlangt von der beklagten Arbeitgeberin ein tarifliches Entgelt und meint, ihre Tätigkeit sei nach der Lohngruppe 1 RTV – „Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten“ – zu vergüten.

Die Revision der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des Landesarbeitsgerichts blieb vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Der tarifliche Begriff der Unterhaltsreinigung erfasst auch die von der Klägerin zu verrichtenden Tätigkeiten. Die von ihr zu reinigenden Objekte gehören zu der bestimmungsgemäßen Ausstattung der Labore. Die Reinigung der Arbeitsmittel ermöglicht deren ordnungsgemäße weitere Verwendung und stellt sich für das Labor als Unterhaltsmaßnahme dar. Ein unmittelbarer Bezug der Tätigkeit zur Reinigung eines Raumes als solchem, dort fest installierter oder nicht ohne Weiteres zu entfernender „Einrichtungsgegenstände“ ist zur Erfüllung dieser tariflichen Voraussetzung nicht erforderlich.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. Januar 2013 – 4 AZR 272/11 -
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Februar 2011 – 9 Sa 501/10

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes Nr. 7/13 vom 30.01.2013 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Urteil gegen Fußball-Profi wegen schwerer Brandstiftung rechtskräftig

30. Januar 2013

Das Landgericht München I hat den Angeklagten, einen Fußball-Profi, wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Dieser bewohnte nach den landgerichtlichen Feststellungen mit seiner Ehefrau und drei Kindern ein gemietetes Einfamilienhaus in München-Grünwald. In der Nacht auf den 20. September 2011 entzündete der Angeklagte kurz nach Mitternacht – möglicherweise unter Einsatz eines Brandbeschleunigers – Einrichtungsgegenstände in mehreren Räumen des Haupthauses und der Einliegerwohnung. Der Brand breitete sich aus und griff nahezu auf das gesamte Gebäude über. Der durch das Brandgeschehen verursachte Sachschaden am Gebäude, das wegen der nicht mehr sanierungsfähigen Schäden abgerissen werden musste, belief sich auf ca. 900.000 €.

Der Angeklagte war bei der Begehung der Tat erheblich alkoholisiert. Deshalb und infolge seiner durch langwierige Verletzungen und Unstimmigkeiten in der Familie bedingten schwierigen persönlichen Situation befand er sich nicht ausschließbar in einem Zustand der verminderten Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB).

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wurde, als unbegründet verworfen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.

Beschluss vom 23. Januar 2013 – 1 StR 596/12

Landgericht München I – Urteil vom 4. Juli 2012 – 12 KLs 264 Js 193150/11

Karlsruhe, den 30. Januar 2013

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes Nr. 17/13

Kündigungsschutz: Leiharbeitnehmer und Größe des Betriebs

25. Januar 2013

Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt das Kündigungsschutzgesetz für nach dem 31. Dezember 2003 eingestellte Arbeitnehmer nur in Betrieben, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Bei der Berechnung der Betriebsgröße sind auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht. Dies gebietet eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der gesetzlichen Bestimmung.
Der Kläger war seit Juli 2007 bei der Beklagten beschäftigt. Diese beschäftigte einschließlich des Klägers zehn eigene Arbeitnehmer. Im November 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgerecht. Mit seiner Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, bei der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer seien auch die von der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen, weil das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Die Revision des Klägers hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Es ist nicht auszuschließen, dass im Betrieb der Beklagten mehr als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG beschäftigt waren. Der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern steht nicht schon entgegen, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet haben. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes soll der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleinerer Betriebe typischerweise stärker belastet. Dies rechtfertigt keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder dem entliehener Arbeitnehmer beruht.
Der Senat hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Es steht noch nicht fest, ob die im Kündigungszeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen oder eines für den Betrieb „in der Regel“ nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalls beschäftigt waren.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2013 – 2 AZR 140/12 -
Vorinstanz: LAG Nürnberg, Urteil vom 27. Juli 2011 – 4 Sa 713/10

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes Nr. 6/13 vom 24.01.2013 unter www.bundesarbeitsgericht.de

Altersbedingte Diskriminierung eines Stellenbewerbers

25. Januar 2013

Sucht ein öffentlicher Arbeitgeber in einer an „Berufsanfänger“ gerichteten Stellenanzeige für ein Traineeprogramm „Hochschulabsolventen/Young Professionells“ und lehnt er einen 36jährigen Bewerber mit Berufserfahrung bei einer Rechtschutzversicherung und als Rechtsanwalt ab, so ist dies ein Indiz für eine Benachteiligung dieses Bewerbers wegen seines Alters. Der Arbeitgeber trägt dann die Beweislast dafür, dass ein solcher Verstoß nicht vorgelegen hat. Er darf sich darauf berufen, dass der Bewerber aufgrund seiner im Vergleich zu den Mitbewerbern schlechteren Examensnoten nicht in die eigentliche Bewerberauswahl einbezogen worden ist.
Die Beklagte – eine öffentlich-rechtliche Krankenhausträgerin – hatte Zeitungsinserate aufgegeben, in denen es ua. heißt: „Die C. hat in den kommenden Jahren einen relevanten Bedarf an Nachwuchsführungskräften. Um diesen abzudecken, gibt es ein spezielles Programm für Hochschulabsolventen/Young Professionells: Traineeprogramm an der C. Dabei sollen jährlich zunächst zwei Hochschulabsolventen rekrutiert und dem Programm „C“ zugeführt werden. Da es sich per definitionem um Berufsanfänger handelt, stehen neben den erworbenen Fähigkeiten vor allem die persönlichen Eigenschaften im Mittelpunkt.“
Der damals 36jährige Kläger, ein Volljurist mit mehrjähriger Berufserfahrung, erhielt auf seine Bewerbung eine Absage. Dies sah er als eine Benachteiligung wegen seines Alters an und verlangte von der Beklagten eine Entschädigung. Die Beklagte bestritt eine solche Diskriminierung und machte geltend, sie habe eine Auswahl nach den Examensnoten getroffen und nur diejenigen Bewerber in Betracht gezogen, die Examensnoten von gut oder sehr gut aufgewiesen hätten. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Die Stellenausschreibung, die sich an Hochschulabsolventen/Young Professionells und an Berufsanfänger richtet, begründet ein Indiz für eine Benachteiligung des abgelehnten Klägers wegen dessen Alters. Dieses Indiz könnte die Beklagte widerlegen, wenn sie nur die Bewerber mit den besten Examensnoten in die Bewerberauswahl einbezogen hätte, weil sie als öffentliche Arbeitgeberin gemäß Art. 33 Abs. 2 GG Stellen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber zu besetzen hatte. Da der Kläger eine solche Bewerberauswahl durch die Beklagte bestritten hatte, war die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 24. Januar 2013 – 8 AZR 429/11 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Januar 2011 – 9 Sa 1771/10

Pressemitteilung Nr. 5/13 des Bundesarbeitsgerichtes vom 24.01.2013 unter www.bundesarbeitsgericht.de

Urlaub an gesetzlichen Feiertagen im öffentlichen Dienst

17. Januar 2013

Der Arbeitgeber erfüllt den Anspruch auf Erholungsurlaub, indem er den Arbeitnehmer durch Freistellungserklärung zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit. Dies ist auch an den gesetzlichen Feiertagen möglich und notwendig, an denen der Arbeitnehmer ansonsten dienstplanmäßig zur Arbeit verpflichtet wäre.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1995 als Arbeiter in der Abteilung Bodenverkehrsdienst im Schichtdienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für die Arbeitnehmer der VKA jeweils geltenden Fassung (TVöD) Anwendung. Die Dienstpläne der Beklagten verteilen die Arbeitszeit auch auf Sonntage und auf gesetzliche Feiertage. Sofern der Kläger an einem Feiertag dienstplanmäßig eingeteilt ist und dieser Tag in seinen Erholungsurlaub fällt, rechnet die Beklagte diesen als gewährten Urlaubstag ab. Der Kläger macht geltend, dass die Beklagte gesetzliche Feiertage, an denen er ohne Urlaubsgewährung zur Arbeit verpflichtet wäre, nicht auf seinen Jahresurlaubsanspruch anrechnen dürfe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der Urlaubsanspruch wird auch durch Freistellung an gesetzlichen Feiertagen erfüllt, an denen der Arbeitnehmer ohne Urlaub arbeiten müsste. Der TVöD enthält keine hiervon abweichende Regelung.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Januar 2013 – 9 AZR 430/11 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 10. März 2011 – 16 Sa 1677/10 -

Pressemitteilung Nr. 1/13 des Bundesarbeitsgerichtes vom 15.01.2013 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Zurückweisung der Betriebsratsanhörung mangels Vollmachtsnachweises?

14. Dezember 2012

Der Betriebsrat kann die Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung durch einen Boten oder Vertreter des Arbeitgebers nicht entsprechend § 174 Satz 1 BGB zurückweisen, wenn der Anhörung keine Vollmachtsurkunde beigefügt ist.

Das beklagte Luftfahrtunternehmen, eine Aktiengesellschaft griechischen Rechts mit Sitz in Griechenland, beschäftigte in der Bundesrepublik Deutschland an fünf Standorten 69 Arbeitnehmer im Bodenbetrieb. Die Klägerin arbeitete als „Sales Representative“ am Standort Stuttgart. Die Fluggesellschaft wurde im Oktober 2009 der Sonderliquidation nach griechischem Recht unterstellt. Als Sonderliquidatorin wurde eine andere Aktiengesellschaft griechischen Rechts eingesetzt. Die Sonderliquidatorin entschloss sich, die deutschen Standorte zu schließen und alle Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Über Rechtsanwalt G hörte sie den Betriebsrat des Standorts Stuttgart mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 zu der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin an. Dem Schreiben war keine Vollmachtsurkunde beigefügt. Der Betriebsrat wies die Anhörung deshalb unter dem 21. Dezember 2009 zurück. Rechtsanwalt G kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 29. Dezember 2009 zum 31. März 2010. Die Klägerin hat mit der Kündigungsschutzklage sowohl ihre Arbeitgeberin als auch die Sonderliquidatorin unbedingt verklagt. Sie hält die Kündigung nach § 102 Abs. 1 BetrVG für unwirksam, weil der Anhörung des Betriebsrats kein Vollmachtsnachweis des handelnden Rechtsanwalts beigefügt gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Klage richtete sich nach gebotener Auslegung von vornherein allein gegen die Arbeitgeberin der Klägerin, weil die Sonderliquidatorin nach griechischem Recht nur Stellvertreterin war. Die Kündigung ist wirksam. Der Betriebsrat konnte seine Anhörung nicht analog § 174 Satz 1 BGB wegen fehlenden Vollmachtsnachweises zurückweisen. Der Zweck des Anhörungserfordernisses steht einer entsprechenden Anwendung von § 174 BGB entgegen. Das Verfahren nach § 102 BetrVG ist nicht an Formvorschriften gebunden. Eine mündliche oder telefonische Anhörung ist möglich. Auch in einem solchen Fall beginnt die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu laufen. Hat der Betriebsrat Zweifel an der Boten- oder Vertreterstellung der ihm gegenüber bei der Anhörung auftretenden Person, kann er sich nach dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber äußern.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 6 AZR 348/11 – ua.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. März 2011 - 7 Sa 7/11 -
Pressemitteilung Nr. 90/12 des Bundesarbeitsgerichtes vom 13.12.2012 unter www.bundesarbeitsgericht.de
 

Arbeitszeugnis – kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Dank und gute Wünsche

14. Dezember 2012

Der Arbeitgeber ist gesetzlich nicht verpflichtet, das Arbeitszeugnis mit Formulierungen abzuschließen, in denen er dem Arbeitnehmer für die geleisteten Dienste dankt, dessen Ausscheiden bedauert oder ihm für die Zukunft alles Gute wünscht. Das einfache Zeugnis muss nach § 109 Abs. 1 Satz 2 GewO mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten. Der Arbeitnehmer kann gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers gehören damit nicht zum notwendigen Zeugnisinhalt. Ist der Arbeitnehmer mit einer vom Arbeitgeber in das Zeugnis aufgenommenen Schlussformel nicht einverstanden, kann er nur die Erteilung eines Zeugnisses ohne diese Formulierung verlangen.

Der Kläger leitete einen Baumarkt der Beklagten. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilte ihm die Beklagte ein Arbeitszeugnis mit einer überdurchschnittlichen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Das Zeugnis endet mit den Sätzen: „Herr K scheidet zum 28.02.2009 aus betriebsbedingten Gründen aus unserem Unternehmen aus. Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.“ Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Schlusssatz sei unzureichend und entwerte sein gutes Zeugnis. Er habe Anspruch auf die Formulierung: „Wir bedanken uns für die langjährige Zusammenarbeit und wünschen ihm für seine private und berufliche Zukunft alles Gute.“ Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Schlusssätze in Zeugnissen, mit denen Arbeitgeber in der Praxis oft persönliche Empfindungen wie Dank oder gute Wünsche zum Ausdruck bringen, sind nicht „beurteilungsneutral“, sondern geeignet, die objektiven Zeugnisaussagen zu Führung und Leistung des Arbeitnehmers zu bestätigen oder zu relativieren. Wenn ein Arbeitgeber solche Schlusssätze formuliert und diese nach Auffassung des Arbeitnehmers mit dem übrigen Zeugnisinhalt nicht in Einklang stehen, ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, ein Zeugnis ohne Schlussformel zu erteilen. Auch wenn in der Praxis, insbesondere in Zeugnissen mit überdurchschnittlicher Leistungs- und Verhaltensbeurteilung, häufig dem Arbeitnehmer für seine Arbeit gedankt wird, kann daraus mangels einer gesetzlichen Grundlage kein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Dankesformel abgeleitet werden.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2012 – 9 AZR 227/11 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Februar 2011 – 21 Sa 74/10 -

Pressemitteilung Nr. 86/12 des Bundesarbeitsgerichtes vom 11.12.2012 unter www.bundesarbeitsgericht.de
 

Beginn der Verjährungsfrist für eine Betriebskostennachforderung des Vermieters und Vorbehalt der Nachberechnung in einer Betriebskostenabrechnung

12. Dezember 2012

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit den Fragen befasst, wann die Verjährungsfrist für eine Betriebskostennachforderung des Vermieters beginnt und ob sich der Vermieter bei der Betriebskostenabrechnung für bestimmte Positionen eine Nachberechnung vorbehalten kann.

Die Beklagte war bis Ende Februar 2007 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Berlin und erbrachte neben der Miete Vorauszahlungen auf die Nebenkosten. Über diese rechnete die Klägerin unter anderem für die Jahre 2002 bis 2006 ab, wobei sie sich eine Nachberechnung im Hinblick auf eine zu erwartende rückwirkende Neufestsetzung der Grundsteuer vorbehielt. Das zuständige Finanzamt setzte die Grundsteuer mit Bescheid vom 3. Dezember 2007 rückwirkend für die Jahre ab 2002 fest. Die unter dem 30. Januar 2008 vorgenommene Nachberechnung der Grundsteuer für die Jahre 2002 bis 2006 führte zu einer Nachforderung der Klägerin in Höhe von 1.095,55 €. Der Mahnbescheid über diese Forderung wurde der Beklagten am 27. August 2010 zugestellt. Die Beklagte berief sich auf Verjährung.

Das Amtsgericht hat der Zahlungsklage der Klägerin stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die vom Landgericht zugelassene Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Verjährungsfrist für eine Betriebskostennachforderung des Vermieters nicht bereits mit der Erteilung der Abrechnung in Gang gesetzt wird, in der sich der Vermieter die Nachberechnung vorbehalten hat, sondern erst dann, wenn der Vermieter auch Kenntnis von den die Nachforderung begründenden Umständen erlangt hat (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB*).

Entgegen der Auffassung der Revision hindert § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB** den Vermieter nicht daran, sich bei der Betriebskostenabrechnung hinsichtlich der Positionen, die er ohne sein Verschulden nur vorläufig abrechnen kann, eine Nachberechnung vorzubehalten. Die Regelung sieht zwar nach einer bestimmten Frist den Ausschluss von Nachforderungen vor und soll dadurch den Vermieter zu einer fristgerechten Abrechnung anhalten, enthält aber ausdrücklich eine Ausnahme für den Fall, dass der Vermieter ohne sein Verschulden nicht rechtzeitig abrechnen kann.

Da im vorliegenden Fall das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Klägerin erst durch den Bescheid des Finanzamts vom 3. Dezember 2007 von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat und ihre Forderung daher nicht verjährt ist, war die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

*§ 199 BGB: Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

**§ 556 BGB: Vereinbarungen über Betriebskosten

(3) Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen; dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Der Vermieter ist zu Teilabrechnungen nicht verpflichtet. Einwendungen gegen die Abrechnung hat der Mieter dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten.

Urteil vom 12. Dezember – VIII ZR 264/12

AG Wedding – Urteil vom 31. Mai 2011 – 20 C 581/10
LG Berlin – Urteil vom 14. Mai 2012 – 67 S 344/11

Karlsruhe, den 12. Dezember 2012
Pressemitteilung Nr. 207/2012 vom 12.12.2012 der Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

 

Übergang des Arbeitsverhältnisses eines Hausverwalters auf den Erwerber der verwalteten Immobilie

28. November 2012

Das von einer Hausverwaltung betreute Grundstück stellt kein Betriebsmittel dar, sondern ist das Objekt der Verwaltungstätigkeit. Die Arbeitsverhältnisse der mit der Grundstücksverwaltung betrauten Arbeitnehmer der Hausverwaltungsgesellschaft gehen deshalb nicht auf den Erwerber der verwalteten Immobilie über.

Der Kläger war bei der A. KG als technisch-kaufmännischer Sachbearbeiter beschäftigt. Einziges Betätigungsfeld der KG war die Verwaltung eines ihr gehörenden Büro- und Geschäftshauses in M. Die beklagte Stadt M. war Hauptmieterin des Gebäudes. Im Jahr 2010 erwarb sie diese Immobilie, welche den einzigen Grundbesitz der A. KG darstellte. Nach dieser Grundstücksveräußerung wurde die A. KG liquidiert. Der Kläger macht geltend, sein Arbeitsverhältnis sei im Wege eines Betriebsübergangs auf die Stadt M. übergegangen. Der Klage auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis mit dieser fortbesteht, hat das Arbeitsgericht stattgegeben. Die Berufung der beklagten Stadt hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Betriebszweck der A. KG war einzig die Verwaltung der in ihrem Eigentum stehenden Immobilie in M. Sie war demnach ein Dienstleistungsbetrieb. Diesen hat die beklagte Stadt M. nicht dadurch übernommen, dass sie lediglich das von der A. KG verwaltete Grundstück erworben hat.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. November 2012 – 8 AZR 683/11 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Juli 2011 – 4 Sa 442/10 -

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes vom 15.11.2012 unter www.bundesarbeitsgericht.de