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Betriebsübergang in der Insolvenz – Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis in der „Freistellungsphase“

4. November 2008

Bei einem Betriebsübergang gehen gemäß dem Altersteilzeitgesetz gestaltete Arbeitsverhältnisse nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auch dann auf den Betriebserwerber über, wenn im sog. „Blockmodell“ die Arbeitsphase schon vor dem Betriebsübergang abgeschlossen war. Das gilt grundsätzlich auch bei einem Betriebserwerb nach Eröffnung der Insolvenz. In diesem Fall sind aber die bereits erarbeiteten Vergütungsansprüche des nicht mehr arbeitspflichtigen Altersteilzeit-Arbeitnehmers Insolvenzforderungen, für die der Betriebserwerber nicht haftet.

Nach langjähriger Tätigkeit als Chefsekretärin bei der R-GmbH schloss die Klägerin im Jahr 2000 eine Altersteilzeitvereinbarung, die im „Blockmodell“ vorsah, dass sie bis 31. Juli 2003 arbeitet. Danach sollte sich für weitere drei Jahre die „Freistellungsphase“ anschließen. Mitte 2004 wurde über das Vermögen der R-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter zahlte der nicht mehr arbeitspflichtigen Klägerin bis 31. Dezember 2004 die Altersteilzeit-Vergütung weiter. Die Beklagte, die den Betrieb der R-GmbH mit Wirkung zum 1. Januar 2005 vom Insolvenzverwalter gekauft hatte, lehnte jedoch die Fortzahlung der Altersteilzeit-Vergütung ab. Diese verlangt die Klägerin bis zum Ende des Altersteilzeit-Vertragsverhältnisses.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Zwar gehen die in der „Freistellungsphase“ befindlichen Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse auf den Betriebserwerber über. Der Senat hält jedoch daran fest, dass die schon vor Insolvenzeröffnung erarbeiteten Vergütungsansprüche als Insolvenzforderungen zu behandeln sind, für die der Betriebserwerber nach den Sonderregeln der Insolvenz nicht haftet. Auch die europäische Betriebsübergangs-Richtlinie steht dem nicht entgegen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. Oktober 2008 - 8 AZR 54/07 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2006 - 8 Sa 1744/05 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 85/08 vom 30.10.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Vergleichsentgelt bei Überleitung von Arbeitnehmern aus dem BAT in den TVöD

4. November 2008

Nach § 5 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) ist für die Zuordnung der Beschäftigten zu den Stufen der Entgelttabelle des TVöD ein Vergleichsentgelt auf der Grundlage der im September 2005 erhaltenen Bezüge zu bilden. Ist der Beschäftigte mit einer Person verheiratet, die nach beamtenrechtlichen Grundsätzen einen Familienzuschlag erhält, wird gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA bei der Bildung des Vergleichsentgelts die Stufe 1 des Ortszuschlags zugrunde gelegt. Demgegenüber wird bei einem Angestellten, der mit einer Person verheiratet ist, die in der Privatwirtschaft tätig ist, der höhere Ortszuschlag Stufe 2 (Verheiratetenzuschlag) berücksichtigt. Der Kläger hält die Tarifregelung wegen Verstoßes gegen Art. 3 und 6 GG für verfassungswidrig.

Seine Klage war in allen Instanzen ohne Erfolg. Die Tarifvertragsparteien waren berechtigt, bei der Bildung des Vergleichsentgelts zur Sicherung des Besitzstands den Ortszuschlag zu berücksichtigen. Die Übergangsregelung trägt dem besonderen familienbezogenen Charakter dieses Zuschlags Rechnung. Da der Ehepartner, der in einem Beamtenverhältnis steht, ab dem Zeitpunkt der Überleitung des Arbeitsverhältnisses seines Partners in den TVöD statt des halben den vollen Verheirateten-Bestandteil des Familienzuschlags erhält, haben die Tarifvertragsparteien den ihnen zustehenden weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. Oktober 2008 - 6 AZR 682/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 8. August 2007 - 2 Sa 1768/06 E -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 84/08 vom 30.10.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Tariflicher Abfindungsanspruch bei Personalabbau im öffentlichen Dienst der neuen Bundesländer

4. November 2008

Nach § 4 Abs. 1 und 2 des Tarifvertrags zur sozialen Absicherung hat ein unter den BAT-O fallender Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis aus Gründen des Personalabbaus gekündigt wird, einen Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von einem Viertel der letzten Monatsvergütung für jedes volle Jahr der Beschäftigungszeit.

Die unter den BAT-O fallende Klägerin war bei der Beklagten als medizinisch-technische Assistentin beschäftigt. Die Beklagte ist eine Gemeinschaft von Gelehrten und Trägerin ausgewählter Forschungsvorhaben, die sich überwiegend aus Drittmittelzuwendungen finanziert. Nachdem der Drittmittelgeber entschieden hatte, das Forschungsprojekt, in dem die Klägerin tätig war, nicht weiter zu fördern, beschloss die Beklagte das Projekt zu beenden. Die aus fünf Personen bestehende Forschergruppe wurde aufgelöst. Auf Grund der Vorgaben des Drittmittelgebers wandte sich die Beklagte weg von den Naturwissenschaften hin zu einer verstärkten Förderung geisteswissenschaftlicher Projekte. Mit ihrer Klage hat die Klägerin eine Abfindung nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung verlangt.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts war dagegen erfolgreich. Die Klägerin hat Anspruch auf die begehrte Abfindung. Die Beklagte hat einer Mehrzahl von Arbeitnehmern im Zuge einer Umstrukturierungsmaßnahme gekündigt. Ob sich hierdurch insgesamt der Personalbestand der Beklagten verringert hat, ist unerheblich. Einem Personalabbau steht nicht entgegen, wenn in anderen Bereichen, in denen die gekündigten Arbeitnehmer nicht einsetzbar sind, Neueinstellungen vorgenommen werden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. Oktober 2008 - 6 AZR 738/07 -
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 29. November 2006 - 2 Sa 181/06 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 83/08 vom 30.10.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Abgrenzung der betrieblichen Altersversorgung von anderen Leistungen

30. Oktober 2008

Eine betriebliche Altersversorgung liegt vor, wenn die im Betriebsrentengesetz abschließend aufgezählten Voraussetzungen erfüllt sind: Der Arbeitgeber muss die Zusage aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses erteilen. Die Leistungspflicht muss nach dem Inhalt der Zusage durch ein im Gesetz genanntes biologisches Ereignis (Alter, Invalidität oder Tod) ausgelöst werden. Die zugesagte Leistung muss einem Versorgungszweck dienen. Unter einer „Versorgung“ sind alle Leistungen zu verstehen, die den Lebensstandard des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Versorgungsfall, wenn auch nur zeitweilig, verbessern sollen. Auf die Bezeichnung der Leistung und sonstige Formalien kommt es nicht an. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, aus welchen Gründen und aus welchem Anlass die Versorgungsleistung versprochen wurde.

Im vorliegenden Fall war im Zuge einer Umstrukturierung der betrieblichen Altersversorgung die feste Altersgrenze von 65 Jahren auf 60 Jahre abgesenkt worden. Zum Ausgleich dafür war ab Eintritt in den Ruhestand bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Zahlung sog. „Übergangsbezüge“ vorgesehen. Dies war nicht in der Versorgungsordnung, sondern in einer besonderen Richtlinie geregelt. Der Anspruch auf diese Leistungen sollte bei einem Ausscheiden vor Vollendung des 60. Lebensjahres entfallen. Der Kläger beendete sein Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 55. Lebensjahres durch Eigenkündigung. Die Beklagte hat sich wegen des vorzeitigen Ausscheidens geweigert, ihm „Übergangsbezüge“ ab Vollendung des 60. Lebensjahres zu gewähren.

Die Vorinstanzen haben der Klage auf diese Leistung stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die vom Kläger erworbene unverfallbare Versorgungsanwartschaft (§ 1b BetrAVG) umfasste auch die sog. „Übergangsbezüge“. Bei ihnen handelt es sich nicht um eine Übergangsversorgung, die dazu dient, die Zeit bis zum Eintritt in den Ruhestand oder in ein neues Arbeitsverhältnis zu überbrücken. Denn die „Übergangsbezüge“ waren erst mit Beginn des Ruhestandes zu zahlen. Weshalb die Beklagte die zeitlich befristete zusätzliche Betriebsrente zusagte, spielt keine Rolle. Die für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens vereinbarte Verfallklausel ist deshalb nichtig (§ 17 Abs. 3 BetrAVG, § 134 BGB).

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Oktober 2008 – 3 AZR 317/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 14. März 2007 – 3 Sa 1673/06 –

Quelle: Pressemitteilung Nr. 81/08 vom 28.10.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Rücktrittsrecht in den AGB eines Leasingvertrags über eine noch anzupassende und zu implementierende Branchensoftware

29. Oktober 2008

Der unter anderem für das Leasingrecht zuständige
VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Wirksamkeit
eines in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Leasinggesellschaft
enthaltenen Rücktrittsrechts zu entscheiden.

Die klagende Leasinggesellschaft nimmt den Beklagten
aus einer Bürgschaft in Anspruch, die der Beklagte für
Zahlungsverpflichtungen der inzwischen insolventen Leasingnehmerin,
deren Geschäftsführer er war, geleistet hat. Leasinggegenstand des
zwischen der Klägerin und der Leasingnehmerin am 23. Juni / 7. Juli
2005 abgeschlossenen Leasingvertrages war eine vom Lieferanten noch
anzupassende und zu implementierende Branchensoftware mit einem
Gesamtanschaffungswert von 400.000 €. Als spätester
Fertigstellungszeitpunkt für die Software wurde der 30. Juni 2006
vereinbart. Die Vertragslaufzeit sollte erst mit der Abnahme des
Leasinggegenstandes durch die Leasingnehmerin beginnen. In Ziffer 12.
der dem Leasingvertrag beigefügten “Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Bundle-Lease” (im folgenden: AGB) heißt es unter der Überschrift
“Scheitern des Projektes”:

12.1 Sollte der Gegenstand (Systemlösung
oder im Vertrag vereinbarte selbständig nutzungsfähige Systemmodule)
bis zum vereinbarten spätesten Fertigstellungszeitpunkt nicht
ordnungsgemäß erstellt und von dem Kunden abgenommen oder zuvor  gleich
aus welchen Gründen  gescheitert sein, ist die Leasinggesellschaft
berechtigt, von dem Vertrag zurückzutreten. (…)

12.2 Die Leasinggesellschaft ist im Falle des
Rücktritts von dem Vertrag gemäß Ziffer 12.1 berechtigt, dem Kunden
alle bis zum Zeitpunkt des Rücktritts erbrachten Lieferungen und
Leistungen von Lieferanten, die nicht in einer vom Kunden abgenommenen
Ausbaustufe enthalten sind, zum Selbstkostenpreis der
Leasinggesellschaft anzudienen. Zu diesem Zweck bietet der Kunde schon
heute verbindlich an, der Leasinggesellschaft zu diesem Zeitpunkt
gelieferte Hard- und Software zum Selbstkostenpreis  unter Ausschluss
jeder Haftung der Leasinggesellschaft für Sach- und Rechtsmängel  in
dem Zustand, in dem sie sich dann befindet abzukaufen (Kaufangebot) und
der Leasinggesellschaft gegen Übertragung etwa bestehender Rechte an
erbrachten Dienstleistungen an Dienstleister geleistete Zahlungen zu
erstatten (Erstattungsangebot). Das Erstattungsangebot gilt
entsprechend für von der Leasinggesellschaft geleistete Vorauszahlungen
(Anzahlungen) für Lieferungen und Leistungen. (…)”

Am 8. Juli 2005 und 10. August 2005 stellte die
Lieferantin der Klägerin zwei Rechnungen für überlassene Lizenzen und
für Projektleitung und Konzepterstellung in Höhe von insgesamt
96.384,11 € mit Mehrwertsteuer. Am 8. Juni 2006 stellte die
Leasingnehmerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das am
30. Oktober 2006 eröffnet wurde. Mit an die Leasingnehmerin gerichtetem
Schreiben vom 3. Juli 2006 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom
Leasingvertrag mit der Begründung, der späteste
Fertigstellungszeitpunkt sei verstrichen, ohne dass die Abnahme erfolgt
sei. Gleichzeitig nahm die Klägerin den Beklagten aus seiner Bürgschaft
in Anspruch.

Das Landgericht hat die auf Zahlung in Höhe von
96.384,11 € gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
gegen das Urteil des Landgerichts von der Klägerin eingelegte Berufung
zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie ihren
Zahlungsantrag weiterverfolgt.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das
Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der an die
Lieferantin erbrachten Zahlungen und damit eine Haftung des Beklagten
aus der Bürgschaft (§ 765 Abs. 1 BGB) zu Recht verneint hat und
zutreffend davon ausgegangen ist, dass das der Klägerin in ihren
Allgemeinen Geschäftsbedingungen eingeräumte Rücktrittsrecht und das
Kauf- und Erstattungsangebot des Leasingnehmers nach § 307 BGB
unwirksam sind.

Bereits das in Ziffer 12.1 Satz 1 der AGB für den
Fall der nicht ordnungsgemäßen Erstellung und Abnahme der Leasingsache
bis zum vertraglich vereinbarten spätesten Fertigstellungszeitpunkt
geregelte Rücktrittsrecht ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1, § 310 Abs. 1
BGB unwirksam. Auch im unternehmerischen Rechtsverkehr muss ein
vertraglich ausbedungenes Lösungsrecht vom Vertrag auf einen sachlich
gerechtfertigten Grund abstellen. Ein sachlicher Grund kann zwar darin
liegen, dass der Leasinggeber, der die Erstellung der Leasingsache über
einen längeren Zeitraum vorfinanziert, seine Gegenleistung aber erst ab
Beginn der Laufzeit des Leasingvertrages erhält, ein berechtigtes
Interesse daran hat, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine endgültige
Klärung herbeizuführen. Das rechtfertigt aber auch im unternehmerischen
Verkehr nicht eine Klausel, die den Rücktritt auch für den Fall
gestattet, dass der Leasinggeber selbst oder der im Rahmen der
Erfüllung der ihm obliegenden Gebrauchsüberlassungspflicht als sein
Erfüllungsgehilfe (§ 278 Satz 1 BGB) tätige Lieferant die Verzögerung
der Erstellung und Abnahme des Leasinggegenstandes über den vertraglich
vereinbarten Zeitpunkt hinaus zu vertreten hat.

Darüber hinaus ist auch die von den Grundgedanken
des Mietrechts in Verbindung mit der gesetzlichen Regelung der
Rücktrittsfolgen in §§ 346 ff. BGB ganz erheblich zum Nachteil des
Leasingnehmers abweichende Regelung in Ziffer 12.2 Sätze 1 bis 5 der
AGB gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, so dass der Klägerin der
darauf gestützte Zahlungsanspruch nicht zusteht. Dabei kann
dahingestellt bleiben, ob die in den AGB der Klägerin vorgenommene
Regelung der Rücktrittsfolgen dann wirksam wäre, wenn sie nur für den
Fall gelten würde, dass der Leasingnehmer die Verzögerung der
Erstellung und Abnahme des Leasinggegenstandes über den vertraglich
vereinbarten spätesten Fertigstellungszeitpunkt hinaus zu vertreten
hat. Unangemessen und deswegen unwirksam ist die Regelung jedenfalls
deswegen, weil sie auch die Fälle erfasst, dass der Leasinggeber selbst
oder der im Rahmen der Erfüllung der ihm obliegenden
Gebrauchsüberlassungspflicht als sein Erfüllungsgehilfe (§ 278 Satz 1
BGB) tätige Lieferant die verzögerte Erstellung und Abnahme der
Leasingsache zu vertreten hat. Die einseitige Zuweisung des Risikos der
erfolgreichen Erstellung der Leasingsache an den Leasingnehmer verkennt
darüber hinaus die vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung
hervorgehobene Stellung des Leasinggebers als Eigentümer und
Vermögensinhaber der Leasingsache mit seiner sich daraus herleitenden
Gebrauchsüberlassungspflicht, der sich der Leasinggeber insbesondere im
Hinblick auf das Risiko der Insolvenz des Lieferanten nicht entziehen
kann (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2008 – VIII ZR 258/07).

Vorinstanzen: LG Bochum – Urteil vom 5. Dezember 2006 – 18 O 227/06; OLG Hamm – Urteil vom 3. August 2007 – 12 U 158/06

Quelle: Pressemitteilung Nr. 200/08 vom 29.10.2008 auf www.bundesgerichtshof.de

Neues zum Auskunftsersuchen über dynamische IP-Adresse: OLG Zweibrücken

27. Oktober 2008

Die Antragstellerin, die sich mit dem Vertrieb von Computerspielen befasst, macht gegen den Antragsgegner urheberrechtliche Unterlassungsansprüche wegen Anbietens eines geschützten Werkes in einer Online-Tauschbörse geltend. Sie hatte eine sog. Antipiracy-Firma zur Ermittlung von File-Sharing-Nutzern beauftragt, die ohne ihre Zustimmung Software anbieten oder herunterladen. Dabei wurde die später dem Antragsgegner zugeordnete dynamische IP-Adresse sowie der Zeitraum der Nutzung (11. Januar 2008) festgestellt. Unter Angabe der IP-Adresse stellte die Antragstellerin daraufhin zunächst Strafantrag gegen unbekannt. Die Staatsanwaltschaft holte bei dem zuständigen Provider (D… T… AG) die Auskunft ein, welchem Nutzer die betreffende dynamische IP-Adresse in dem von der Antipiracy-Firma ermittelten Zeitraum zugeordnet war. Dabei wurde der Antragsgegner als Nutzer festgestellt.

Das Begehren der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung ist beim Landgericht ohne Erfolg geblieben. Die Zivilkammer hat den Rechtsstandpunkt eingenommen, dass die Übermittlung der  gespeicherten Telekommunikationsdaten des Antragsgegners durch den Provider an die Staatsanwaltschaft das Fernmeldegeheimnis verletze und deshalb auch im Zivilverfahren ein Beweisverwertungsverbot bestehe.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.

Der angefochtene Beschluss wurde geändert und die beantragte einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Verfügungsanspruchs der Antragstellerin auf Unterlassung nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG erlassen.

Wesentliche Begründung: Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts besteht kein Beweisverwertungsverbot bezüglich der von der Staatsanwaltschaft ermittelten und an die Antragstellerin bekannt gegebenen Daten des Nutzers der dynamischen IP-Adresse, als welcher der Antragsgegner festgestellt worden ist.

Zunächst hat der Senat schon Zweifel, ob die Identität desjenigen, der zu einem bestimmten Zeitpunkt Nutzer einer dynamischen IP-Adresse war, als „Verkehrsdatum“ i.S.v. § 3 Nr. 30 TKG einzuordnen ist. Denn insoweit ging das Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft an die D… T… AG als dem zuständigen Provider nur dahin, die Identität des sich hinter der IP-Adresse  zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt verbergenden Anschlussinhabers zu offenbaren. Die entsprechende Auskunft der Telekom beschränkte sich darauf, dass der Antragsgegner für den angefragten Zeitraum Nutzer dieser IP-Adresse war. Darüber hinausgehende Daten, insbesondere über die Häufigkeit der Nutzung der IP-Adresse in dem genannten Zeitraum, etwaige Kommunikationspartner und mögliche Kommunikationsinhalte enthält die Auskunft nicht. Von daher vermag der Senat keinen wesentlichen Unterschied zu der Mitteilung zu sehen, wem zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Telefonnummer zugeteilt war, was aber, weil ohne Bezug zu einem konkreten Telekommunikationsvorgang, nach allgemeiner Meinung lediglich die Mitteilung eines „Bestandsdatums“ i.S.v. §§ 3 Nr. 3, 111 Abs. 1 Satz 1 TKG darstellt (abweichend:  LG Frankenthal, Beschluss vom 21.05.2008 – Az. 6 O 156/08)Dies dahingestellt: Die Mitteilung, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt der Nutzer einer dynamischen IP-Adresse war, verletzt weder das Grundrecht des Anschlussinhabers auf Wahrung des Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 GG noch sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Artt. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG. Anderes ergibt sich  auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 zur „Vorratsdatenspeicherung“ . Denn diese Entscheidung betrifft nur die Weitergabe von Daten, die allein aufgrund der mit dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21. Dezember 2007 eingeführten „Vorratsdatenspeicherung“ vorgehalten werden. In seiner Entscheidung führt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich aus, dass durch die von ihm vorläufig angeordnete Untersagung der Weitergabe so gewonnener Daten “den Strafverfolgungsbehörden die ihnen schon bisher eröffneten Möglichkeiten des Zugriffs auf die von den Telekommunikationsdiensteanbietern im eigenen Interesse, etwa gemäß § 97 i. V. m. § 96 Abs. 1 TKG zur Entgeltabrechnung, gespeicherten Telekommunikations-Verkehrsdaten erhalten bleiben“ (WM 2008, 706, 709, 710). Das Bundesverfassungsgericht geht somit davon aus, dass der Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf die nach bisheriger Praxis gespeicherten Daten keinen Verstoß gegen Grundrechte darstellt und weiterhin zulässig ist.

Vorliegend habe die die Staatsanwaltschaft nicht auf Daten zugegriffen, die von dem Provider allein nach den neuen gesetzlichen Vorschriften zur „Vorratsdatenspeicherung“ gespeichert waren. Im Januar 2008 führte die D… T… AG die „Vorratsdatenspeicherung“ für Internetdaten noch gar nicht durch, da den Anbietern von Internet-Diensten gemäß § 150 Abs. 12 b TKG eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2009 eingeräumt wurde (OLG Zweibrücken, Beschluss v. 26.09.2008 – 4 W 62/08).

Quelle: OLG Zweibrücken, Beschluss v. 26.09.2008 – 4 W 62/08 auf www.cms.justiz.rlp.de

Löschung der Marke “POST” aufgehoben

27. Oktober 2008

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23.10.2008 über die Rechtsbeständigkeit der Marke “POST” entschieden.

Die Marke “POST” war vom Deutschen Patent- und Markenamt im Dezember 2003 für zahlreiche Dienstleistungen unter anderem für das Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern von Sendungen und die Beförderung und Zustellung von Gütern, Briefen und Paketen eingetragen worden. Dagegen hatten mehrere Wettbewerber und Verbände Anträge auf Löschung der Eintragung gestellt, weil aus ihrer Sicht die Marke “POST” nicht hätte eingetragen werden dürfen.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Löschungsanträgen stattgegeben und die Löschung der Marke angeordnet. Die Beschwerde der Deutschen Post AG hat das Bundespatentgericht zurückgewiesen.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Rechtsbeschwerde der Deutschen Post AG hat der Bundesgerichtshof gestern stattgegeben. Der BGH hat die Entscheidung des Bundespatentgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof ist wie das Bundespatentgericht davon ausgegangen, dass die Bezeichnung “POST” eine beschreibende Sachangabe für die Dienstleistungen ist, für die der Markenschutz beansprucht wird. Denn der Begriff bezeichnet den Gegenstand, auf den sich die Dienstleistung bezieht. Das damit an sich bestehende Schutzhindernis kann nach dem Gesetz dadurch überwunden werden, dass sich die Bezeichnung “POST” im Verkehr als Hinweis auf die betriebliche Herkunft und damit als Marke durchgesetzt hat. Das Deutsche Patent- und Markenamt war hiervon zunächst ausgegangen und hatte die Marke “POST” deswegen im Jahre 2003 eingetragen. Die nunmehr beantragte Löschung der Marke setzt die Feststellung voraus, dass die Verkehrsdurchsetzung entgegen der ursprünglichen Annahme weder im Zeitpunkt der Eintragung der Marke vorlag noch im Laufe des Löschungsverfahrens eingetreten ist.

Der Bundesgerichtshof hat deutlich gemacht, dass allein Zweifel an der Verkehrsdurchsetzung die Löschung nicht rechtfertigen könnten. Die Deutsche Post AG hatte im Löschungsverfahren zu der Verkehrsdurchsetzung der Marke “POST” Verkehrsbefragungen von Meinungsforschungsinstituten vorgelegt. Der dort ausgewiesene Anteil von annähernd 85% der Befragten, die den Begriff “POST” als Hinweis auf die betriebliche Herkunft auffassten, lässt – so der BGH – nicht den Schluss zu, die Marke habe sich nicht als Herkunftshinweis durchgesetzt. Das Bundespatentgericht habe zwar methodische Bedenken gegen die Ergebnisse der Meinungsforschungsgutachten geäußert und sei deshalb von einem wesentlich niedrigeren Durchsetzungsgrad ausgegangen. Die Bedenken gegen die von der Deutschen Post AG vorgelegten Meinungsforschungsachten rechtfertigten es aber nicht, die Marke zu löschen. Vielmehr hätte das Bundespatentgericht von Amts wegen weitere Ermittlungen anstellen und, soweit erforderlich, ein weiteres Gutachten einholen müssen. Der Bundesgerichtshof hat die Sache deshalb zur Nachholung weiterer tatsächlicher Feststellungen an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Der Bundesgerichtshof hat im Übrigen bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass die Deutsche Post AG ihren Wettbewerbern auch im Falle des Bestands der Marke “POST” die Verwendung der beschreibenden Angabe “Post” selbst als Bestandteil der Unternehmensbezeichnung nicht untersagen kann. So hatte der Bundesgerichtshof im Juni dieses Jahres zwei Klagen der Deutschen Post AG gegen Wettbewerber abgewiesen, die sich “City Post” und “Die Neue Post” nennen (vgl. Pressemitteilung 107/08 v. 5.6.2008)(BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 – I ZB 48/07).

Vorinstanz: Bundespatentgericht – Beschluss vom 10. und 11. April 2007 – 26 W (pat) 24/06, GRUR 2007, 714

Quelle: Pressemitteilung Nr. 196/08 vom 24.10.2008 auf www.bundesgerichtshof.de

Wirksamkeit einer Klausel über die Farbgebung von Holzteilen bei Rückgabe der Mietwohnung

23. Oktober 2008

Der u. a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichthofs hatte über die Wirksamkeit einer Klausel zu entscheiden, die den Mieter verpflichtet, bei Rückgabe der Mietsache bestimmte farbliche Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung der Holzteile einzuhalten.

Die Beklagten waren Mieter einer Wohnung der Beklagten. Der 1996 geschlossene Mietvertrag sah unter anderem formularmäßig vor, dass der Mieter zur Vornahme von Schönheitsreparaturen verpflichtet sei. Weiter ist bestimmt:

“Lackierte Holzteile sind in dem Farbton zurückzugeben, wie er bei Vertragsbeginn vorgegeben war; farbig gestrichene Holzteile können auch in Weiß oder hellen Farbtönen gestrichen zurückgegeben werden.”

Nach dem Ende des Mietverhältnisses im Jahr 2006 forderten die Kläger die Beklagten vergeblich zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auf. Mit der Klage haben die Kläger unter anderem Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 7.400,48 € netto für nicht vorgenommene Schönheitsreparaturen verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage insoweit abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Kläger das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und das Verfahren zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung zu den rechtlichen Anforderungen an eine Farbwahlklausel fortgeführt. Die vorliegende Klausel differenziert zwischen “lackierten” Holzteilen, die (allein) in dem bei Vertragsbeginn “vorgegebenen” Farbton zurückzugeben sind, und “farbig gestrichenen” Holzteilen, die außer in dem ursprünglichen Farbton auch in Weiß oder hellen Farbtönen gestrichen zurückgegeben werden können.

Die Verpflichtung des Mieters, lackierte bzw. farbig gestrichene Holzteile in keinem anderen als den nach der Klausel zulässigen Farbtönen zurückzugeben, ist für sich genommen unbedenklich und führt auch nicht zu einer unangemessenen Einschränkung des Mieters bei der Vornahme der ihm übertragenen Schönheitsreparaturen. Die Klausel beschränkt sich in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich auf den Zeitpunkt der Rückgabe der Mietwohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses. Auf diesen Zeitpunkt bezogen ist sie – isoliert betrachtet – schon deswegen unbedenklich, weil für die Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses ein Interesse des Mieters an einer seinen Vorstellungen entsprechenden farblichen Gestaltung der Wohnung nicht mehr besteht, das gegen das Interesse des Vermieters, die Mieträume in der von ihm gewünschten farblichen Gestaltung zurückzuerhalten, abzuwägen wäre.

Allerdings wird ein wirtschaftlich vernünftig denkender Mieter sich schon während des laufenden Mietverhältnisses bei einem erforderlich werdenden Neuanstrich der Holzteile von der Überlegung leiten lassen, dass er bei der Wahl einer farblichen Gestaltung, die nicht der für den Zeitpunkt der Rückgabe vereinbarten entspricht, Gefahr läuft, bei seinem Auszug den Anstrich erneuern zu müssen, auch wenn dies nach dem Grad der Abnutzung noch nicht erforderlich wäre. Die daraus resultierende faktische Einschränkung der – grundsätzlich anzuerkennenden – Freiheit des Mieters, sich in den Mieträumen nach seinem Geschmack einzurichten, ist jedoch hinzunehmen. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils bereits bei der Beurteilung einer Farbwahlklausel für die laufenden Schönheitsreparaturen entschieden hat, ist dem Vermieter vor dem Hintergrund einer beabsichtigten Weitervermietung ein Interesse daran nicht abzusprechen, die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses mit einer Dekoration zurückzuerhalten, die von möglichst vielen Mietinteressenten akzeptiert wird (Senatsurteil vom 18. Juni 2008 – VIII ZR 224/07, NJW 2008, 2499). Der Senat hat daher bereits ausgesprochen, dass eine nur auf den Zeitpunkt der Rückgabe der Wohnung bezogene Farbwahlklausel, die den Mieter nicht auf eine spezielle Dekorationsweise festlegt, sondern ihm eine Bandbreite (“neutrale, helle, deckende Farben und Tapeten”) vorgibt, die zu den unterschiedlichsten Einrichtungsstilen passt und deshalb für weite Mieterkreise annehmbar ist, den Mieter nicht unangemessen benachteiligt. Dasselbe gilt für die hier zu beurteilende Klausel, soweit sie die “farbig gestrichenen” Holzteile betrifft. Sie legt den Mieter nicht auf einen bestimmten Farbton fest, sondern belässt ihm neben dem ursprünglich vorhandenen Farbton einen ausreichenden Entscheidungsspielraum in der Bandbreite heller Farbtöne.

In Bezug auf “lackierte” Holzteile fehlt es allerdings an einem Gestaltungsspielraum hinsichtlich der farblichen Gestaltung, weil die Klausel den Mieter insoweit auf den allein zulässigen ursprünglichen – bei Vertragsbeginn “vorgegebenen” – Farbton festlegt. Bei umfassender Würdigung der hierdurch berührten Interessen der Parteien ist aber auch diese weitgehende Beschränkung der Gestaltungsmöglichkeit des Mieters nicht zu beanstanden. Denn auf Seiten des Vermieters fällt der Umstand ins Gewicht, dass bei einer transparenten Lackierung oder Lasur – anders als bei einem deckenden Farbanstrich – eine Veränderung des Farbtons entweder überhaupt nicht mehr oder nur mit einem Eingriff in die Substanz der lackierten/lasierten Holzteile (Abschleifen) rückgängig gemacht werden kann. Eine Veränderung der Mieträume, die eine Substanzverletzung zur Folge hat, ist dem Mieter aber nicht gestattet (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2008 – VIII ZR 283/07).

Vorinstanzen: AG Hamburg-Altona – Urteil vom 20. März 2007 – 316 C 233/06; LG Hamburg – Urteil vom 9. Oktober 2007 – 316 S 35/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 195/08 vom 22.10.2008 auf www.bundesgerichtshof.de

Vertragliche Bezugnahme auf ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung

23. Oktober 2008

Wird in einem nach dem 1. Januar 2002 geschlossenen Arbeitsvertrag auf das einschlägige Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung verwiesen, ist der Arbeitgeber auch nach dem Austritt aus dem tarifschließenden Verband verpflichtet, die nach dem Ende der Verbandsmitgliedschaft abgeschlossenen Tarifverträge anzuwenden. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich aus dem Vertragswortlaut und den Umständen des Vertragsschlusses keine Anhaltspunkte für den Willen der Parteien ergeben, es soll nur eine Gleichstellung nicht organisierter mit organisierten Arbeitnehmern erfolgen und die vereinbarte Dynamik bei Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers entfallen – sog. Gleichstellungsabrede.

Der gewerkschaftlich organisierte Kläger war seit 1964 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängern beschäftigt. Im Mai 2002 wurde zwischen dem Kläger und einem Rechtsvorgänger der Beklagten ein Arbeitsvertrag geschlossen, der auf die jeweils geltenden tariflichen Bestimmungen der betreffenden Branche verweist. Zum Ende des Jahres 2005 trat die Beklagte aus dem Arbeitgeberverband aus. Ob sie zum 1. Januar 2006 wirksam eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung – sog. OT-Mitgliedschaft – in demselben Arbeitgeberverband begründet hatte, ist zwischen den Parteien umstritten. Ein im April 2006 geschlossenes Lohnabkommen sah eine Einmalzahlung und eine dreiprozentige Entgelterhöhung vor. Beides begehrte der Kläger unter Hinweis auf die vertragliche Bezugnahmeklausel.

Die Revision der Beklagten gegen die der Klage stattgebende Berufungsentscheidung blieb vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Der Kläger kann die tarifliche Entgelterhöhung verlangen. Der Senat bestätigt seine Rechtsprechungsänderung im Urteil vom 18. April 2007 (- 4 AZR 652/05 – BAG-Pressemitteilung 25/07), die er in seinem Urteil vom 14. Dezember 2005 (- 4 AZR 536/04 – BAG-Pressemitteilung 77/05) angekündigt hatte. Für nach dem 1. Januar 2002 geschlossene Verträge – „Neuverträge“ – ist von einer Gleichstellungsabrede nicht schon dann auszugehen, wenn der von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellte Arbeitsvertrag auf die für ihn einschlägigen und im Verhältnis zu den tarifgebundenen Arbeitnehmern ohne weiteres geltenden Tarifverträge verweist. Da weder der Vertragswortlaut noch die Umstände bei Vertragsschluss Anhaltspunkte für einen Willen der Parteien ergaben, es solle nur eine Gleichstellungsabrede getroffen werden, ist die Beklagte verpflichtet, auch die nach ihrem Verbandsaustritt geschlossenen Änderungstarifverträge gegenüber dem Kläger arbeitsvertraglich anzuwenden.

Ob die Beklagte die von ihr angestrebte sog. OT-Mitgliedschaft wirksam begründet hat und ob die Satzung des Verbandes die hierfür erforderlichen Regelungen enthält, musste der Senat nicht entscheiden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Oktober 2008 – 4 AZR 793/07 -
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 9. August 2007 – 15 Sa 170/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 79/08 vom 22.10.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Sachgrundlose Befristung mit älteren Arbeitnehmern – Altersgrenze für Flugbegleiter

23. Oktober 2008

Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) erneut um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit einer deutschen Norm mit Gemeinschaftsrecht ersucht.
Es handelt sich um den Fall einer Klägerin, die seit 1991 bei der Beklagten als Flugbegleiterin beschäftigt ist. Nach dem bei der Beklagten geltenden Manteltarifvertrag endet das Arbeitsverhältnis zunächst mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet. Das Arbeitsverhältnis kann danach bei körperlicher und beruflicher Eignung des Kabinenmitarbeiters jeweils um ein weiteres Jahr bis längstens zur Vollendung des 60. Lebensjahres verlängert werden. Die Klägerin schloss nach der Vollendung ihres 55. Lebensjahres mit der Beklagten insgesamt fünf jeweils auf ein Jahr befristete Arbeitsverträge ab. Die Beklagte berief sich zur Rechtfertigung des zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrags, bei dessen Beginn die Klägerin das 59. Lebensjahr vollendet hatte, auf die tarifliche Altersgrenze von 60 Jahren und auf die Befristungsmöglichkeit aus § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF.

Der Senat hat die auf die Vollendung des 60. Lebensjahres bezogene Altersgrenze in dem Manteltarifvertrag nicht als sachlich gerechtfertigt iSd. § 14 Abs. 1 TzBfG anerkannt, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass das altersbedingte Nachlassen der Leistungsfähigkeit von Mitgliedern des Kabinenpersonals zu einer Gefährdung für Leben und Gesundheit der Flugzeuginsassen oder Personen in den überflogenen Gebieten führen kann. Die Befristung konnte danach nur nach den gesetzlichen Vorschriften in § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG gerechtfertigt sein. Das setzt voraus, dass der Bestimmung keine gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze oder Regeln entgegenstehen, die zur Unanwendbarkeit der nationalen Norm führen. Nachdem der EuGH am 22. November 2005 in der Rechtssache „Mangold“ (- C 144/04 -) entschieden hat, dass die nach § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG aF vorgesehene Befristungsmöglichkeit eine nach Gemeinschaftsrecht unzulässige Diskriminierung wegen des Alters darstellt und die Vorschrift von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden darf, ist es geboten, durch den EuGH überprüfen zu lassen, ob auch § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar war und welche Rechtsfolgen sich bei einem Verstoß der Vorschrift gegen europäisches Recht ergeben. Der Senat hat daher den Rechtsstreit gemäß Art. 234 EG ausgesetzt und dem EuGH drei Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. Oktober 2008 -  7 AZR 253/07 (A) -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Januar 2007 - 17 Sa 1323/06 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 78/08 vom 16.10.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de