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Mitbestimmung bei Verschwiegenheitserklärung

11. März 2009

Das Verlangen des Arbeitgebers nach der Abgabe inhaltlich standardisierter Erklärungen, in denen sich Arbeitnehmer zum Stillschweigen über bestimmte betriebliche Vorgänge verpflichten, unterliegt nicht in jedem Fall der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Diese kommt in Betracht, wenn sich die Verschwiegenheitspflicht auf das sog. Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer bezieht und nicht schon gesetzlich geregelt ist. Ein sog. Globalantrag des Betriebsrats, mit dem dieser die Mitbestimmungspflichtigkeit jeglichen Verlangens nach der Abgabe inhaltlich gleichlautender Schweigeverpflichtungen festgestellt wissen will, kann keinen Erfolg haben. Er erfasst auch Fälle, in denen sich die Schweigeverpflichtung auf das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer bezieht oder bereits gesetzliche Schweigepflichten - etwa nach § 17 UWG - bestehen.

Der Erste Senat des Bundesarbeitsgericht hat deshalb, wie schon die Vorinstanzen, den Antrag eines Betriebsrats abgewiesen, mit dem dieser die Feststellung begehrte, dass er in sämtlichen Fällen mitzubestimmen habe, in denen der Arbeitgeber von Arbeitnehmern den Abschluss formularmäßiger, standardisierter Verschwiegenheitsvereinbarungen verlangt.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 10. März 2009 - 1 ABR 87/07 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 5. Juli 2007 - 5 TaBV 223/06 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 25/09 vom 10.03.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Duldungspflicht des Mieters bei baulicher Maßnahme in der Wohnung nach behördlicher Anordnung

10. März 2009

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Mieter verpflichtet ist, bauliche Maßnahmen, die der Vermieter aufgrund einer behördlichen Anordnung oder rechtlichen Verpflichtung durchzuführen hat, dulden muss.

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung im ersten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses der Klägerin. Im April 2005 stellte der Bezirksschornsteinfeger fest, dass die Gaseinzelöfen in den Wohnungen nicht die Abgasgrenzwerte einhielten. Das zuständige Umweltamt forderte die Klägerin auf, für Abhilfe zu sorgen und eine neue Heizungsanlage einzubauen. Die Klägerin entschloss sich zum Einbau einer Zentralheizungsanlage. Mit Ausnahme der Wohnung der Beklagten sowie der darunter und darüber gelegenen Wohnung sind mittlerweile sämtliche Wohnungen an die Zentralheizung angeschlossen. Die Beklagten lehnten die mit Schreiben vom 16. November 2005 für die Zeit vom 5. bis 9. Dezember 2005 angekündigten Arbeiten zum Anschluss ihrer Wohnung an die Heizungsanlage ab. Mit Schreiben vom 2. Juni 2006 erbat die Klägerin von den Beklagten vergeblich Zutritt zu deren Wohnung für die Verlegung der Heizungsrohre zum Anschluss der Wohnung im zweiten Obergeschoss an die Heizungsanlage im Erdgeschoss am 19. Juni 2006. Auch der schließlich im August 2006 geäußerten Bitte der Klägerin, einen ihnen genehmen Termins für den Einbau der Steigleitungen zu benennen, kamen die Beklagten nicht nach. Zwischenzeitlich hatte die Umweltbehörde der Klägerin einen Bußgeldbescheid für den Fall angedroht, dass der Anschluss der Wohnungen im Erdgeschoss und im zweiten Obergeschoss an die Zentralheizung nicht unverzüglich erfolge.

Das Amtsgericht hat der auf Duldung des Einbaus der Steigleitungen gerichteten Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bauliche Maßnahmen, die der Vermieter aufgrund behördlicher Anordnung in der Mietwohnung durchzuführen hat, nicht unter die in § 554 Abs. 2 BGB aufgeführten Maßnahmen fallen und daher auch nicht den formellen Anforderungen der Mitteilungspflichten nach § 554 Abs. 3 BGB* unterliegen. Eine Duldungspflicht des Mieters ergibt sich in solchen Fällen aus § 242 BGB. Die Anforderungen an die Ankündigung richten sich in einem solchen Fall nach den konkreten Umständen unter Berücksichtigung der Dringlichkeit und des Umfangs der Maßnahme, wobei auch der Mieter seinerseits verpflichtet ist, an einer zeitnahen Terminsabstimmung mitzuwirken. Die Klägerin hatte den Beklagten hier einen Grundriss übersandt, aus dem sich die Lage der einzubauenden Steigleitungen genau ergab, und den Beklagten, nachdem diese den zunächst angesetzten Terminen widersprochen hatten, die Möglichkeit eingeräumt, selbst einen Termin zu benennen. Dem waren die Beklagten in dem Zeitraum von fast einem Jahr bis zur Klageerhebung nicht nachgekommen. Damit hatte die Klägerin alles ihr Mögliche getan, um die Belange der Beklagten zu wahren.

*§ 554 BGB lautet auszugsweise:

“(1) Der Mieter hat Maßnahmen zu dulden, die zur Erhaltung der Mietsache erforderlich sind.

(2) Maßnahmen zur Verbesserung der Mietsache, zur Einsparung von Energie oder Wasser oder zur Schaffung neuen Wohnraums hat der Mieter zu dulden. Dies gilt nicht, wenn die Maßnahme für ihn, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters und anderer Mieter in dem Gebäude nicht zu rechtfertigen ist. Dabei sind insbesondere die vorzunehmenden Arbeiten, die baulichen Folgen, vorausgegangene Aufwendungen des Mieters und die zu erwartende Mieterhöhung zu berücksichtigen. Die zu erwartende Mieterhöhung ist nicht als Härte anzusehen, wenn die Mietsache lediglich in einen Zustand versetzt wird, wie er allgemein üblich ist.

(3) Bei Maßnahmen nach Absatz 2 Satz 1 hat der Vermieter dem Mieter spätestens drei Monate vor Beginn der Maßnahme deren Art sowie voraussichtlichen Umfang und Beginn, voraussichtliche Dauer und die zu erwartende Mieterhöhung in Textform mitzuteilen. Der Mieter ist berechtigt, bis zum Ablauf des Monats, der auf den Zugang der Mitteilung folgt, außerordentlich zum Ablauf des nächsten Monats zu kündigen. Diese Vorschriften gelten nicht bei Maßnahmen, die nur mit einer unerheblichen Einwirkung auf die vermieteten Räume verbunden sind und nur zu einer unerheblichen Mieterhöhung führen.”

Urteil vom 4. März 2009 – VIII ZR 110/08

AG Langen – Urteil vom 24. September 2007 – 57 C 195/07

LG Darmstadt – Urteil vom 13. Februar 2008 – 21 S 174/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 46/09 vom 04.03.2009 auf www.bundesgerichtshof.de

Fallgruppenübergreifender Bewährungsaufstieg

26. Februar 2009

Begehrt ein technischer Angestellter eine höhere Vergütung, die nach dem tariflichen Tätigkeitsmerkmal die achtjährige Bewährung in einer bestimmten Fallgruppe der einschlägigen Vergütungsgruppe (VergGr.) voraussetzt, können Bewährungszeiten in einer anderen Fallgruppe derselben VergGr. nur dann angerechnet werden, wenn dies im Tarifvertrag ausdrücklich so vorgesehen ist.
Der Kläger ist als technischer Angestellter beim beklagten Land beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT). Er war zunächst in VergGr. IVa Fallgruppe 10 BAT eingruppiert, weil er nicht die persönlichen Anforderungen der langjährigen praktischen Erfahrung der VergGr. IV Fallgruppe 10a BAT erfüllte. Dies war nach dreijähriger Tätigkeit der Fall, weshalb der Kläger nach dieser Zeit in diese Fallgruppe eingruppiert wurde. Ein Bewährungsaufstieg in die VergGr. III BAT ist aus der VergGr. IVa Fallgruppe 10 BAT nach „achtjähriger Bewährung in der VergGr. IVa Fallgruppe 10“ BAT möglich, aus der VergGr. IVa Fallgruppe 10a BAT nach sechsjähriger Bewährung in dieser Fallgruppe. Mit seiner Klage begehrt der Kläger eine Höhergruppierung in VergGr. III BAT nach Ablauf von acht Jahren seit Beginn seiner Beschäftigung. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung des beklagten Landes abgewiesen.
Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hatte sich nicht acht Jahre in der VergGr. IVa Fallgruppe 10 BAT bewährt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist ein sog. fallgruppenübergreifender Bewährungsaufstieg nur möglich, wenn die vorgesehene Bewährungszeit die Anrechnung von Zeiten in einer anderen VergGr. oder einer anderen Fallgruppe innerhalb der betreffenden VergGr. ausdrücklich vorsieht. Ist eine solche in der ersichtlich unvollständigen Anrechnungsregelung des § 23b BAT nicht vorgesehen, haben die Gerichte die von den Tarifvertragsparteien gesetzten begrenzten Anrechnungsmöglichkeiten zu beachten. Das gilt auch dann, wenn die Tätigkeit des Angestellten in dieser Fallgruppe alle Merkmale der hiervon verschiedenen Aufstiegsfallgruppe mit umfasst. Die Gerichte sind nicht befugt, offenbar lückenhafte Tarifregelungen zu vervollständigen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Februar 2009 – 4 AZR 19/08 -
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. November 2007 – 3 Sa 1424/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 22/09 vom 25.02.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Betriebsübergang – Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses – Rechtsmissbrauch

23. Februar 2009

Bei einem Betriebsübergang kann ein Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 6 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber innerhalb eines Monats nach der Unterrichtung schriftlich widersprechen. Übt der Arbeitnehmer das Widerspruchsrecht aus, muss er dieses weder begründen, noch bedarf es eines sachlichen Grundes. Zwar kann grundsätzlich auch die Ausübung des Widerspruchsrechts im Einzelfall rechtsmissbräuchlich erfolgen. Der widersprechende Arbeitnehmer verfolgt aber keine unzulässigen Ziele, wenn es ihm nicht ausschließlich darum geht, den Arbeitgeberwechsel zu verhindern, sondern wenn er mit dem Betriebserwerber über den Abschluss eines Arbeitsvertrages zu günstigeren Bedingungen verhandelt.

Der Kläger war bei der beklagten Sparkasse als Immobilienfachberater beschäftigt. Deren Immobilienvermittlungsgeschäft sollte auf eine Vertriebs-GmbH übertragen werden. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf diese GmbH, erklärte sich aber bereit, als Beschäftigter der Sparkasse bei der GmbH im Wege der Personalgestellung zu arbeiten. Bei seiner Auffassung, Arbeitnehmer der Beklagten zu sein, blieb der Kläger auch nach erfolglos verlaufenen Verhandlungen über den Abschluss eines neuen, besseren Arbeitsvertrages mit der GmbH und nachdem er schließlich im Betrieb der GmbH seine Arbeit fortsetzte.

Der Antrag des Klägers auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien war in allen drei Instanzen erfolgreich. Auch der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hielt die Ausübung des Widerspruchsrechts durch den Kläger nicht für rechtsmissbräuchlich und sein Festhalten am Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht für treuwidrig. Es steht dem Arbeitnehmer frei, nach dem Widerspruch mit dem Betriebsveräußerer oder dem Betriebserwerber über ein Arbeitsverhältnis auf neuer Grundlage zu verhandeln. Auch mit der Arbeit für den Betriebserwerber hat sich der Kläger nicht widersprüchlich verhalten; zudem hat er stets auf seinem rechtlich zutreffenden Standpunkt beharrt, infolge seines Widerspruchs Arbeitnehmer der Beklagten geblieben zu sein.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2009 - 8 AZR 176/08 -
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 10. Januar 2008 - 8 Sa 181/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 19/09 vom 20.02.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Arbeitskleidung – Kostenpauschale – Pfändungsschutz

23. Februar 2009

Gesetzliche Bestimmungen, insbesondere Unfallverhütungs- und Hygienevorschriften, schreiben für bestimmte Tätigkeitsbereiche das Tragen von Schutzkleidung vor. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall verpflichtet, dem Arbeitnehmer die Schutzkleidung kostenlos zur Verfügung zu stellen. Fehlt eine derartige gesetzliche Verpflichtung, kann der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer grundsätzlich vereinbaren, dass dieser während der Arbeitszeit eine bestimmte Arbeitskleidung trägt, die ihm der Arbeitgeber zur Verfügung stellt. Vorbehaltlich einer entgegenstehenden kollektivrechtlichen Regelung kann auch vereinbart werden, dass sich der Arbeitnehmer an den Kosten beteiligt. Die Vertragsklausel darf den Arbeitnehmer allerdings nicht unbillig benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 307 Abs. 2 BGB). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Vorteilen, die der Arbeitnehmer aus der Überlassung der Berufskleidung und ihrer Pflege und Ersatzbeschaffung durch den Arbeitgeber hat. Der Arbeitgeber ist berechtigt, einen wirksam vereinbarten pauschalen Kostenbeitrag vom monatlichen Nettoentgelt des Arbeitnehmers einzubehalten. Die Einbehaltung ist unwirksam, soweit das Nettoentgelt unpfändbar ist. Dieses zwingende Recht kann nicht durch Verrechnungsabrede umgangen werden.

Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat der Klage einer Einzelhandelskauffrau auf Zahlung des von dem beklagten Verbrauchermarkt einbehaltenen „Kittelgeldes“ stattgegeben. Der Senat hat nicht entschieden, ob die von der Beklagten praktizierte Vertragsklausel wirksam ist, nach der die Arbeitnehmer den monatlichen Beitrag auch dann schulden, wenn sie infolge Urlaubs oder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht gearbeitet haben. Die Einbehaltung der Beklagten scheiterte bereits an den Pfändungsschutzbestimmungen. Das monatliche Nettoentgelt der Klägerin lag mit rd. 800,00 Euro deutlich unter der Pfändungsgrenze.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Februar 2009 - 9 AZR 676/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 16. Juli 2007 - 9 Sa 1894/06 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 18/09 vom 17.02.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Betriebsrentenanpassung im Konzern

11. Februar 2009

Bei der Anpassung der Betriebsrenten kommt es auf die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers an, der die betriebliche Altersversorgung schuldet. Auch wenn es sich beim versorgungspflichtigen Arbeitgeber um eine konzernabhängige Tochtergesellschaft handelt, sind grundsätzlich seine eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend. Auf eine schlechte wirtschaftliche Lage der Konzernobergesellschaft oder des Gesamtkonzerns kann es nur dann ankommen, wenn am Anpassungsstichtag ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in den nächsten drei Jahren die im Konzern bestehenden Schwierigkeiten auf das Tochterunternehmen „durchschlagen“.

Im vorliegenden Fall erhielt der Kläger seine betriebliche Altersversorgung von einem Unternehmen, das in einen Konzern eingebunden war. Während sich sowohl die Konzernobergesellschaft als auch der Gesamtkonzern in einer kritischen wirtschaftlichen Lage befanden und sanierungsbedürftig waren, ließen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Tochterunternehmens isoliert betrachtet eine Betriebsrentenanpassung zu. Während des Revisionsverfahrens haben sowohl die Konzernobergesellschaft als auch die versorgungspflichtige Konzerntochter Insolvenz angemeldet.

Der Kläger hat Anpassung seiner Betriebsrente in Höhe der Teuerungsrate verlangt. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hat zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht geführt. Es ist aufzuklären, welche Entwicklungen sich bereits am Anpassungsstichtag konkret abzeichneten und ob zu diesem Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen war, dass sich die wirtschaftliche Lage des beklagten Tochterunternehmens wegen der finanziellen, organisatorischen, technischen oder sonstigen Verflechtungen im Konzern nachhaltig verschlechtern werde und die Beklagte durch die geforderte Anpassung übermäßig belastet würde.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. Februar 2009 – 3 AZR 727/07 – mit zwei Parallelsachen
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 22. August 2007 – 4 Sa 1097/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 17/09 vom 10.02.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Ansprüche der ZVK auf Sozialkassenbeiträge nach Insolvenz eines Einzelunternehmers

9. Februar 2009

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Einzelunternehmers, der einen Betrieb des Bauhauptgewerbes betrieben hat, ändert für sich allein nichts an der weiteren Anwendbarkeit des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV). Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb einstellt und allen Arbeitnehmern kündigt. In diesem Fall schuldet der Insolvenzverwalter der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK) die Sozialkassenbeiträge bis zur rechtlichen Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse. Daran ändert grundsätzlich auch eine Freigabe des Betriebsvermögens des Schuldners nichts. Soweit es nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbar ist, hat die Freigabe nur deklaratorische Bedeutung. Im Übrigen führt die Freigabe allein nicht zu einem Übergang der Arbeitsverhältnisse auf den Schuldner.

Die ZVK hat vom beklagten Insolvenzverwalter die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangt. Der Schuldner führte einen Baubetrieb als Einzelunternehmer. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte der Insolvenzverwalter den beiden Arbeitnehmern unter Beachtung der einschlägigen Kündigungsfrist und erklärte „rein vorsorglich“ die Freigabe des Betriebsvermögens aus der Insolvenzmasse. Die Zahlung der Sozialkassenbeiträge lehnte der Insolvenzverwalter mit der Begründung ab, aufgrund der Einstellung des Geschäftsbetriebs sowie der Freigabe der Betriebsmittel sei der Baubetrieb erloschen und damit die Zahlungspflicht entfallen. Die Klage der ZVK hatte in allen Instanzen Erfolg.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 5. Februar 2009 – 6 AZR 110/08 -
Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. März 2007 – 5 Sa 1604/06

Quelle: Pressemitteilung Nr. 15/09 vom 05.02.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Stundenweise Rufbereitschaft iSv. § 8 Abs. 3 TVöD

9. Februar 2009

§ 8 Abs. 3 TVöD bestimmt, dass im Fall einer stundenweisen Rufbereitschaft ein Entgelt je Stunde der Rufbereitschaft von 12,5 % des tariflichen Stundenentgelts gezahlt wird. Eine stundenweise Rufbereitschaft liegt nach der tariflichen Definition bei einer ununterbrochenen Rufbereitschaft von weniger als zwölf Stunden vor. Ordnet der Arbeitgeber an einem Kalendertag oder binnen 24 Stunden an zwei aufeinanderfolgenden Kalendertagen zwei oder mehr jeweils weniger als zwölf Stunden umfassende Rufbereitschaften an, so liegen im tariflichen Sinne mehrere Rufbereitschaften iSv. § 8 Abs. 3 TVöD vor. Für diese Rufbereitschaften ist deshalb lediglich die Stundenvergütung von 12,5 % des tariflichen Stundenentgelts und nicht die Tagespauschale nach § 8 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 TVöD zu zahlen.

Der Kläger leistete für die beklagte Stadt zwischen dem 17. Dezember 2005 und dem 1. März 2006 in sieben Fällen an einem Kalendertag oder innerhalb von 24 Stunden zwei Rufbereitschaften, zwischen denen jeweils mehrere Stunden lagen. Keine dieser Rufbereitschaften dauerte für sich allein genommen oder zusammengerechnet mit den bis 24 Stunden davor oder danach angeordneten Rufbereitschaften 12 Stunden oder länger. Die beklagte Stadt vergütete diese Rufbereitschaften als stundenweise Rufbereitschaften mit 12,5 % des tariflichen Stundenentgelts je angeordneter Stunde. Mit seiner Klage hat der Kläger für derartige Rufbereitschaften die Tagespauschale nach § 8 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 TVöD begehrt.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Eine Rufbereitschaft dauert ununterbrochen im tariflichen Sinne vom Zeitpunkt der Verpflichtung des Arbeitnehmers, auf Abruf die Arbeit aufzunehmen, bis zu dem Zeitpunkt, in dem diese Verpflichtung endet. Ordnet der Arbeitgeber deshalb an einem Kalendertag oder binnen 24 Stunden an zwei aufeinanderfolgenden Kalendertagen mehrere jeweils weniger als zwölf Stunden andauernde Rufbereitschaften an, zwischen denen der Arbeitnehmer frei oder die normale Arbeitsleistung zu erbringen hat, sind diese stundenweise zu vergüten. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf die tägliche Pauschale des § 8 Abs. 3 TVöD werden damit nicht erfüllt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 5. Februar 2009 – 6 AZR 114/08 -
Vorinstanz: LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 5. Dezember 2007 – 5 Sa 266/07 –

Quelle: Pressemitteilung Nr. 14/09 vom 05.02.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Metro-Konzern unterliegt im Streit um die Bezeichnung “METROBUS”

5. Februar 2009

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat hat in drei Entscheidungen kennzeichenrechtliche Ansprüche gegen die Verwendung der Bezeichnung “METROBUS” durch die Verkehrsbetriebe in Berlin, Hamburg und München verneint.
Die zur Metro-Unternehmensgruppe gehörige Klägerin ist Inhaberin der Marken “METRO” und “METRORAPID”, die unter anderem für Dienstleistungen im Bereich des Transportwesens und der Veranstaltung von Reisen eingetragen sind. Sie nimmt zudem die Rechte aus dem Unternehmenskennzeichen der Metro AG wahr. Die drei Beklagten betreiben in den Städten Berlin (Berliner Verkehrsbetriebe), Hamburg (Hamburger Verkehrsverbund) und München (Münchner Verkehrsgesellschaft) den öffentlichen Personennahverkehr und verwenden die Bezeichnung “METROBUS” für bestimmte Buslinien, die UBahn-Stationen an das übrige öffentliche Verkehrsnetz anschließen. Sie hatten sich ihrerseits die Bezeichnung “Metrobus” in Verbindung mit einer auf ihr Unternehmen hinweisende Abkürzung (z.B. “BVG Metrobus”, “HVV Metrobus” und “MVG Metrobus”) als Marke eintragen lassen.
Die Klägerin hat die Verwendung der Bezeichnung “METROBUS” durch die Beklagten allein oder zusammen mit den auf die jeweiligen Verkehrsbetriebe hinweisenden Buchstabenkombinationen “BVG”, “HVV” oder “MVG” als eine Verletzung ihrer Markenrechte und des Unternehmenskennzeichen der Metro AG beanstandet.
Der Bundesgerichtshof hat Ansprüche der Klägerin verneint, soweit die Beklagten die Bezeichnung “METROBUS” im Zusammenhang mit Transportdienstleistungen im Bereich des Personennahverkehrs verwenden. Er ist in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen davon ausgegangen, dass zwischen den Zeichen der Klägerin mit dem Bestandteil “METRO” und der Bezeichnung “METROBUS” bei der Verwendung im Bereich des Personennahverkehrs keine kennzeichenrechtliche Verwechslungsgefahr besteht, weil das Publikum die angegriffene Bezeichnung “METROBUS” nicht in die Bestandteile “METRO” und “BUS” aufspaltet und deshalb auch keine gedankliche Verbindung zwischen der Bezeichnung einer Buslinie mit “METROBUS” und der Metro-Unternehmensgruppe herstellt. Aus diesem Grund schieden auch Ansprüche aufgrund des Schutzes von “METRO” als bekannter Marke und als bekanntes Unternehmenskennzeichen gegen die Verwendung von “METROBUS” im Dienstleistungssektor des Personennahverkehrs aus.
Soweit die Beklagten die von ihnen eingetragenen Marken auch für Waren und Dienstleistungen haben registrieren lassen, die sich nicht auf Transportleistungen beziehen, hat der Bundesgerichtshof die zugunsten des Metro-Konzerns ergangenen Entscheidungen teilweise bestätigt oder – soweit gegen den Metro-Konzern entschieden worden war – teilweise aufgehoben und die Verfahren zur weiteren Aufklärung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Urteil vom 5. Februar 2009 I ZR 167/06 – HVV Metrobus

OLG Hamburg – Urteil vom 24. August 2006 3 U 205/04

LG Hamburg – Urteil vom 19. Oktober 2004 312 O 614/04

Urteil vom 5. Februar 2009 I ZR 174/06 – BVG Metrobus

OLG Hamburg – Urteil vom 14. September 2006 3 U 138/05

LG Hamburg – Urteil vom 24. Mai 2005 312 O 296/04

Urteil vom 5. Februar 2009 I ZR 186/06 – MVG Metrobus

OLG Hamburg – Urteil vom 28. September 2006 3 U 72/05

LG Hamburg – Urteil vom 27. Januar 2005 315 O 694/04

Quelle: Pressemitteilung 24/08 vom 05.02.2009 auf www.bundesgerichtshof.de

Kündigung von Mietverhältnissen zur wirtschaftlichen Verwertung eines Grundstücks durch Abbruch eines sanierungsbedürftigen Wohngebäudes und Errichtung einer neuen Wohnanlage

29. Januar 2009

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die Kündigung von Mietverhältnissen gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB zur wirtschaftlichen Verwertung von Wohnraum zulässig ist.

Die Beklagten haben Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus gemietet, das die Klägerin im Jahr 2005 erworben hat. Die Klägerin beabsichtigt, das 1914 errichtete, stark sanierungsbedürftige Gebäude abzureißen und ein größeres Gebäude mit sechs Eigentumswohnungen zu errichten und diese zu veräußern. Die Klägerin erhielt die baurechtliche und denkmalschutzrechtliche Genehmigung für den Abriss des bestehenden Wohngebäudes sowie die Baugenehmigung für das geplante Vorhaben und kündigte sämtliche Mietverhältnisse zum 31. Januar 2006. Das Amtsgericht hat die Räumungsklagen abgewiesen. Auf die Rechtsmittel der Klägerin hat das Landgericht die Beklagten verurteilt, die von ihnen gemieteten Wohnungen zu räumen. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Beklagten hatten keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Klägerin zur Kündigung der Mietverhältnisse berechtigt war.

Die von der Klägerin geplanten Baumaßnahmen stellen eine angemessene wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar, weil sie von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen getragen sind. Eine Sanierung würde Investitionen mit hohem Kostenaufwand in das vorhandene reparaturbedürftige Gebäude bei einer verhältnismäßig geringen Restnutzungsdauer erforderlich machen. Durch den bereits genehmigten Neubau wird zudem in erheblichem Umfang zusätzlicher Wohnraum geschaffen.

Der Klägerin würden darüber hinaus durch die Fortsetzung der Mietverhältnisse auch die nach dem Gesetz für eine Kündigung des Vermieters vorausgesetzten erheblichen Nachteile entstehen. Bei der Beurteilung, ob erhebliche Nachteile anzunehmen sind, ist eine Abwägung des Bestandsinteresses des Mieters und des Verwertungsinteresses des Vermieters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Wäre die Klägerin gehalten, die Mietverhältnisse fortzusetzen, hätte sie nur die Möglichkeit einer “Minimalsanierung”, obwohl der Zustand des Gebäudes entweder eine umfassende Sanierung, die für eine Ausstattung nach den heute üblichen Verhältnissen erforderlich wäre, oder einen Abriss mit anschließendem Neubau gebietet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wäre zudem die Durchführung der dringendsten Maßnahmen mit erheblichen Kosten verbunden, ohne dass sich eine Verlängerung der Nutzungsdauer des Gebäudes erzielen ließe. Angesichts der bei einer solchen “Minimalsanierung” bestehenden wirtschaftlichen Risiken kann dem Eigentümer nicht das Interesse abgesprochen werden, eine dauerhafte Erneuerung alsbald und nicht erst bei vollständigem Verbrauch der Bausubstanz durchzuführen. Die Klägerin hätte bei Fortsetzung der Mietverhältnisse auch nicht die Möglichkeit, das Gebäude umfassend zu sanieren, weil wegen der erforderlichen Entkernung ebenfalls ein Auszug der Mieter erforderlich wäre. Eine Kündigung zum Zweck des Abbruchs eines Gebäudes und anschließendem Wiederaufbau widerspricht schließlich auch nicht der Vorstellung des Gesetzgebers; in den Gesetzesmaterialien wird diese Möglichkeit vielmehr als Beispielfall für eine Verwertungskündigung angeführt. In Anbetracht dieser Umstände lässt die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass eine Fortsetzung der Mietverhältnisse für die Klägerin zu erheblichen Nachteilen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB führen würde, keine Rechtsfehler erkennen.

Urteile vom 28. Januar 2009

VIII ZR 7/08

AG Heidelberg – Urteil vom 3. Juli 2007 – 61 C 581/05

LG Heidelberg -Urteil vom 30. November 2007 – 5 S 86/07

VIII ZR 8/08

AG Heidelberg -Urteil vom 3. Juli 2007 – 61 C 584/05

LG Heidelberg – Urteil vom 30. November 2007 – 5 S 89/07

VIII ZR 9/08

AG Heidelberg – Urteil vom 3. Juli 2007 – 61 C 582/05

LG Heidelberg – Urteil vom 30. November 2007 – 5 S 87/07

Karlsruhe, den 28. Januar 2009

Quelle: Pressemitteilung 19/08 vom 28.01.2009 auf www.bundesgerichtshof.de