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Unzureichende Trennung zwischen tarifgebundenen und nicht-tarifgebundenen Mitgliedern in der Satzung eines Arbeitgeberverbandes

24. April 2009

Sieht ein Arbeitgeberverband eine Mitgliedschaft mit und eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung vor, muss durch die Satzung gewährleistet sein, dass nicht tarifgebundene Mitglieder keinen maßgebenden Einfluss auf tarifpolitische Entscheidungen haben können. Dazu gehört auch, dass nur die tarifgebundenen Mitglieder über die Verwendung des Arbeitskampffonds des Verbandes entscheiden können. Ist dies nicht sicher gestellt, können keine Mitgliedschaften ohne Tarifbindung begründet werden.

Die beklagte Arbeitgeberin war Mitglied in einem Arbeitgeberverband, der vorwiegend Unternehmen der Metallindustrie organisiert. Der Verband sah seit einer 1999 vorgenommenen Umstrukturierung die Tarifgebundenheit nur noch für Mitglieder von „Fachgruppen“ vor, die – obwohl dem Verband zugehörig – teilweise organisatorisch selbständig waren. Der vom Verband gebildete „Unterstützungsfonds“ wird laut Satzung vom Verbandsvorstand verwaltet, der von allen Mitgliedern gewählt wird. Die beklagte Arbeitgeberin war nach langjähriger Tarifgebundenheit, zuletzt als Mitglied der „Fachgruppe Metall“, zum 30. Juni 2005 aus dieser Fachgruppe ausgetreten und in den Status eines „normalen“ Verbandsmitgliedes gewechselt. Der tarifgebundene Kläger beansprucht Leistungen aus einem Tarifvertrag, die ihm nach übereinstimmender Auffassung nur zustehen, wenn die Beklagte auch über den 30. Juni 2005 hinaus tarifgebundenes Verbandsmitglied geblieben ist.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Die Revision des Klägers war erfolgreich. Die beklagte Arbeitgeberin ist an den Tarifvertrag gebunden, weil ihr Austritt aus der „Fachgruppe Metall“ ihre Tarifgebundenheit nicht beendet hat. Die Satzung des Arbeitgeberverbandes erlaubt auch den Verbandsmitgliedern außerhalb der Fachgruppen einen maßgebenden Einfluss auf die Verwendung des „Unterstützungsfonds“ des Verbandes und damit auf tarifpolitische Entscheidungen, wie diejenige, ob und wie ein Arbeitskampf geführt werden soll und kann. Es fehlt damit an dem erforderlichen Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Betroffenheit. Das führt bei der Organisationsstruktur dieses Arbeitgeberverbandes dazu, dass die Beklagte an die von diesem oder seinen Fachgruppen geschlossenen Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 TVG gebunden geblieben ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. April 2009 – 4 AZR 111/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 26. November 2007 – 17 Sa 1298/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 40/09 vom 22.04.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bei der Überleitung in die Entgeltordnung des TVöD

24. April 2009

Bei der Überleitung von Beschäftigten zu den Entgeltgruppen und den Stufen der Entgelttabelle des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) nach den Regelungen des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) ist der Betriebsrat nach § 99 BetrVG zu beteiligen.

Die Arbeitgeberin betreibt eine Fachklinik. Anlässlich des Betriebsübergangs zum 1. Januar 1999 auf die Arbeitgeberin schlossen diese und die Rechtsvorgängerin einen Personalüberleitungsvertrag. Ab Beginn des Jahres 1999 war die Arbeitgeberin Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbands Bayern e.V. (KAV) und wandte seither auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr Beschäftigten die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes für den Bereich der Kommunalen Arbeitgeber an. Die Arbeitsverträge enthalten je nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses unterschiedliche Bezugnahmeklauseln auf tarifvertragliche Regelungen. Zum 1. Januar 2005 wechselte die Arbeitgeberin in eine Gastmitgliedschaft beim KAV. Die zum Jahresende 2004 für sie geltenden Tarifverträge wendet sie in dieser Fassung weiter an, nicht aber den zum 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen TVöD. Der bei ihr bestehende Betriebsrat strebt die Verpflichtung der Arbeitgeberin an, ihn bei der zum 1. Oktober 2005 vorzunehmenden Überführung von namentlich benannten Arbeitnehmern in das Entgeltsystem des TVöD nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Auf die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten sei der TVöD anzuwenden. Das ergebe sich sowohl aus dem Personalüberleitungsvertrag als auch aus den arbeitsvertraglich vereinbarten Bezugnahmeklauseln. Bei der Überleitung in die Entgeltordnung des TVöD handele es sich um eine Umgruppierung nach § 99 BetrVG.

Die Vorinstanzen haben den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hat zur Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Landesarbeitsgericht geführt. Der Betriebsrat ist nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Die Einordnung in die neue Vergütungsordnung des TVöD ist ein Akt der Rechtsanwendung, bei dem die Beteiligung des Betriebsrats die korrekte Anwendung der maßgebenden Vergütungsordnung gewährleisten soll. Das Landesarbeitsgericht hat mangels notwendiger Feststellungen aufzuklären, für welche der vom Betriebsrat benannten Arbeitnehmer im Einzelnen der TVöD anzuwenden ist.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22. April 2009 – 4 ABR 14/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 10. Januar 2008 – 2 TaBV 83/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 39/09 vom 22.04.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Lohnwucher

24. April 2009

Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines Anderen für eine Leistung Vermögensvorteile gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Diese Regelung gilt auch für Arbeitsverhältnisse. Das Bundesarbeitsgericht hat ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung angenommen, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohnes erreicht. Maßgebend ist der Vergleich mit der tariflichen Stunden- oder Monatsvergütung ohne Zulagen und Zuschläge, wobei auch die besonderen Umstände des Falles zu berücksichtigen sind. Eine bei Abschluss des Arbeitsvertrags danach nicht zu beanstandende Vergütung kann durch die Entwicklung des Tariflohns wucherisch werden.

Die Klägerin war seit 1992 in dem Gartenbaubetrieb des Beklagten bei Hamburg als ungelernte Hilfskraft beschäftigt. Sie erhielt einen Stundenlohn von 6,00 DM netto, ab 1. Januar 2002 3,25 Euro netto. Die Parteien sind nicht tarifgebunden. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin für die Zeit von Dezember 1999 bis Mai 2002 unter dem Gesichtspunkt des Lohnwuchers eine Nachzahlung von knapp 37.000,00 Euro auf der Basis der tariflichen Vergütung. Der tarifliche Stundenlohn betrug insoweit zwischen 14,77 DM brutto und 7,84 Euro brutto. Die Klägerin arbeitete monatlich bis zu 352 Stunden.

Die Klage war in den Vorinstanzen unter Berücksichtigung der der Klägerin eingeräumten Sachleistungen, insbesondere einer Wohngelegenheit auf dem Betriebsgelände, erfolglos. Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Auch unter Einbeziehung der Sachbezüge betrug die gezahlte Stundenvergütung im Klagezeitraum weniger als 2/3 der tariflichen Stundenvergütung. Die Gesamtumstände, insbesondere die gesetzwidrig hohen und zudem unregelmäßigen Arbeitszeiten verdeutlichen die Ausbeutung der Klägerin. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht weder die Üblichkeit des Lohns in den Gartenbaubetrieben der Region noch die Kenntnis des Beklagten vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen ausdrücklich festgestellt. Das ist in der neuen Verhandlung nachzuholen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. April 2009 – 5 AZR 436/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 17. April 2008 – 1 Sa 10/07 –

Quelle: Pressemitteilung Nr. 38/09 vom 22.04.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Vergütung während der Kurzarbeit – Baugewerbe

24. April 2009

Nach § 4 Nr. 6.1 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe entfällt der Lohnanspruch, wenn die Arbeitsleistung entweder aus zwingenden Witterungsgründen oder in der gesetzlichen Schlechtwetterzeit aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich wird. Soweit der Lohnausfall in der gesetzlichen Schlechtwetterzeit nicht durch Auflösung von Arbeitszeitguthaben ausgeglichen werden kann, ist der Arbeitgeber verpflichtet, mit der nächsten Lohnabrechnung das Saison-Kurzarbeitergeld in der gesetzlichen Höhe zu zahlen. Nach der heutigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts besteht diese Zahlungspflicht unabhängig davon, ob die persönlichen Bewilligungsvoraussetzungen für das Kurzarbeitergeld gemäß §§ 169, 172 SGB III erfüllt sind.

Der Kläger war im Baubetrieb der Beklagten als Maurer beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis im Januar 2007 „wegen Arbeitsmangels“ zum 31. März 2007. Im Februar und März 2007 wurde bei der Beklagten Kurzarbeit durchgeführt. Die Arbeitnehmer erhielten nach § 175 SGB III Saison-Kurzarbeitergeld. Hiervon war der Kläger nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 SGB III ausgeschlossen, weil sein Arbeitsverhältnis gekündigt war.

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts dem Kläger eine (Brutto-)Vergütung in Höhe des Saison-Kurzarbeitergeldes zugesprochen. Im Falle von Kurzarbeit trägt der Arbeitgeber zwar nicht das volle Risiko des Arbeitsausfalls. Der Arbeitnehmer behält aber den Lohnanspruch in Höhe des Kurzarbeitergeldes. Die eingangs zitierte Tarifnorm schließt diesen Anspruch nicht aus. Vielmehr hat der Arbeitgeber mit der entsprechenden Leistung unabhängig davon einzustehen, ob die Arbeitsagentur nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften das Kurzarbeitergeld zahlen muss. Im Regelfall ist der Arbeitgeber allerdings durch die Leistung oder Erstattung der Arbeitsagentur entlastet.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. April 2009 – 5 AZR 310/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 25. März 2008 – 2 Sa 5/08

Quelle: Pressemitteilung Nr. 37/09 vom  22.04.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze; ergänzende Auslegung einer Versorgungsordnung

24. April 2009

Zahlreiche Versorgungsordnungen sehen für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) höhere Prozentsätze vor als für den Teil bis zur BBG („gespaltene Rentenformel“). Die Einkommensteile, die die BBG überschreiten, sind einerseits nicht mit Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung belastet; anderseits fehlt dem Arbeitnehmer bei diesen Einkommensteilen jedoch eine entsprechende Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die „gespaltene Rentenformel“ trägt dem höheren Versorgungsbedarf Rechnung. Derartige Versorgungsordnungen sind durch die außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze um 500,00 Euro im Jahre 2003 nach § 275c SGB VI regelmäßig lückenhaft geworden und entsprechend dem ursprünglichen Regelungsplan dahin zu ergänzen, dass sich die Betriebsrente ohne Berücksichtigung der außerordentlichen Anhebung der BBG berechnet, von dieser sodann allerdings der Betrag in Abzug zu bringen ist, um den sich die gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht hat.

Der Kläger war bis zum 31. Januar 2006 bei der Beklagten beschäftigt. Er bezieht seit dem 1. Februar 2006 gesetzliche Altersrente und eine Betriebsrente iHv. monatlich 634,00 Euro. Sein Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung basiert auf einer Versorgungsordnung mit einer „gespaltenen Rentenformel“. Die Beklagte hatte die Betriebsrente unter Berücksichtigung der außerplanmäßig durch § 275c SGB VI angehobenen BBG berechnet. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos. Die konkrete Ausgestaltung der Versorgungszusage stand der ergänzenden Auslegung nicht entgegen. Der Kläger hat danach Anspruch auf eine um 221,87 Euro höhere monatliche Betriebsrente.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. April 2009 – 3 AZR 695/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2008 – 9 Sa 1142/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 36/09 vom 21.04.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Bundesgerichtshof erklärt Nr. 17 Abs. 2 Satz 1 der AGB-Sparkassen für unwirksam

22. April 2009

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Verbandsklagen eines Verbraucherschutzverbandes gegen zwei Sparkassen entschieden, dass folgende Klausel, die Nr. 17 Abs. 2 Satz 1 AGB-Sparkassen nachgebildet ist, im Bankverkehr mit Privatkunden (Verbrauchern) nicht verwendet werden darf, weil sie diese unangemessen benachteiligt und deswegen nach § 307 BGB unwirksam ist:

Nr. 17 – Entgelte, Kosten und Auslagen

(…)

(2) Festsetzung und Ausweis der Entgelte

Soweit nichts anderes vereinbart ist, werden die Entgelte im Privat- und Geschäftskundenbereich von der Sparkasse unter Berücksichtigung der Marktlage (z.B. Veränderung des allgemeinen Zinsniveaus) und des Aufwandes nach gemäß § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches nachprüfbarem billigen Ermessen festgelegt und geändert. (…)

Die Instanzgerichte haben der Unterlassungsklage jeweils stattgegeben. Die Revisionen der beklagten Sparkassen hat der XI. Zivilsenat zurückgewiesen.

Zur Begründung hat der XI. Zivilsenat ausgeführt:

Nach der im Verbandsklageprozess gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung berechtigt die Klausel die Sparkassen zur Erhebung von Entgelten auch für solche Leistungen, für die sie eine Vergütung nicht beanspruchen können, weil sie diese aufgrund eigener gesetzlicher oder nebenvertraglicher Pflichten erbringen müssen oder sie ausschließlich im eigenen Interesse vornehmen (z.B. Bearbeitung von Kontenpfändungen, Barauszahlungen am Schalter und Arbeiten im Zusammenhang mit der Abführung von Steuern). Klauseln die – wie die hier angegriffene – es einem Kreditinstitut ermöglichen, Entgelte für Tätigkeiten zu erheben, zu denen es gesetzlich und nebenvertraglich verpflichtet ist oder die es im eigenen Interesse erbringt, halten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweichen, nicht vereinbar sind und die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Auch das in der Klausel enthaltene einseitige Preisänderungsrecht benachteiligt die Sparkassenkunden unangemessen, weil die Voraussetzungen, die die Sparkassen zu einer Änderung berechtigen, unklar sind und die Klausel keine eindeutige Pflicht der Sparkassen zur Herabsetzung der Entgelte bei sinkenden Kosten enthält. Sie enthält für den Fall einer Preiserhöhung keine Bindung an den Umfang der Kostensteigerung und für den Fall sinkender Kosten keine Verpflichtung der Sparkassen zur Senkung der Entgelte. Dadurch wird es den Sparkassen ermöglicht, Preisänderungen nicht nur zur Abwälzung eigener Kosten, sondern zur Steigerung ihres Gewinns vorzunehmen und so das ursprünglich vereinbarte vertragliche Äquivalenzverhältnis zu ihren Gunsten zu verändern.

Dies gilt auch hinsichtlich des in der Klausel enthaltenen einseitigen Zinsanpassungsrechts der Sparkassen. Zwar hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 6. März 1986 (BGHZ 97, 212 ff.) eine unbestimmte Zinsanpassungsklausel einer Bank im Kreditgeschäft nicht als unwirksam angesehen, sondern ihr lediglich im Wege der Auslegung einen bestimmten Inhalt beigelegt. Der erkennende Senat hat aber bereits in der Vergangenheit Zweifel geäußert, ob an dieser Rechtsprechung noch festgehalten werden kann. Er gibt sie nunmehr in Übereinstimmung mit der zwischenzeitlich ergangenen instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der ganz herrschenden Meinung in der Literatur auf. Auch für Zinsanpassungsklauseln sind die allgemeinen Grundsätze für Preisanpassungsklauseln zu beachten. Danach muss eine Zinsänderungsklausel das Äquivalenzprinzip beachten und darf die Bank nicht einseitig begünstigen. Nach diesen Grundsätzen hält das angegriffene Zinsanpassungsrecht der Inhaltskontrolle ebenso wenig wie das Preisänderungsrecht stand.

Urteile vom 21. April 2009 – XI ZR 55/08 und XI ZR 78/08

OLG Nürnberg – Urteil vom 29. Januar 2008 – 3 U 1887/07

LG Nürnberg-Fürth – Urteil vom 28. August 2007 – 7 O 2244/07

und

OLG Brandenburg – Urteil vom 30. Januar 2008 – 7 U 71/07

LG Frankfurt (Oder) – Urteil vom 7. März 2007 – 13 O 370/06

Quelle: Pressemitteilung Nr. 81/09 vom 21.04.2009 auf www.bundesgerichtshof.de

Vorzeitige Beendigung und Übertragung von Elternzeit

21. April 2009

Die in Anspruch genommene Elternzeit kann durch die Arbeitnehmerin wegen der Geburt eines weiteren Kindes vorzeitig beendet werden. Der Arbeitgeber kann eine solche Beendigung nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen (§ 16 Abs. 3 Satz 2 BErzGG/BEEG).
Den durch die vorzeitige Beendigung verbleibenden Anteil von bis zu zwölf Monaten kann die Arbeitnehmerin mit Zustimmung des Arbeitgebers auf die Zeit nach Vollendung des dritten bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes übertragen (§ 15 Abs. 2 Satz 4 BErzGG/BEEG). Bei seiner Entscheidung über die Zustimmung ist der Arbeitgeber an billiges Ermessen gemäß § 315 BGB gebunden.

Die Klägerin ist seit 1999 bei der Beklagten beschäftigt. Für ihre am 4. Juli 2004 geborene Tochter nahm sie Elternzeit vom 3. September 2004 bis 3. Juli 2007 in Anspruch. Am 23. Juli 2006 wurde ihr Sohn geboren. Mit Schreiben an die Beklagte vom 16. August 2006 nahm sie für dieses Kind Elternzeit vom 19. September 2006 bis 22. Juli 2009 in Anspruch. Die Elternzeit für ihre Tochter sollte deshalb vorzeitig beendet und die dadurch verbleibende Elternzeit an die Elternzeit für den Sohn „drangehängt“ werden. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 21. September 2006 gegenüber der Klägerin ab, der Übertragung der restlichen Elternzeit für die Tochter auf die Zeit nach Ende der Elternzeit für den Sohn zuzustimmen. Die Klägerin hat Klage auf Zustimmung der Beklagten erhoben.

Der Neunte Senat hat ebenso wie die Vorinstanzen der Klage stattgegeben. Die Klägerin hat die Elternzeit für ihre Tochter mit Erklärung aus dem Schreiben vom 16. August 2006 vorzeitig beendet. Der Beendigung entgegenstehende dringende betriebliche Gründe hat die Beklagte nicht dargelegt. Sie ist auch verpflichtet, der Übertragung der restlichen Elternzeit für die Tochter der Klägerin zuzustimmen. Ihre Weigerung entspricht nicht billigem Ermessen nach § 315 BGB. Sie hat nicht dargelegt, welche Nachteile ihr durch die Übertragung der Elternzeit entstehen würden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. April 2009 – 9 AZR 391/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 25. März 2008 – 7 Sa 1115/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 35/09 vom 21.04.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Schadensersatz bei Auszug aus der Mietwohnung nach vorgetäuschtem Eigenbedarf bei formal unwirksamer Kündigung

14. April 2009

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte darüber zu entscheiden, ob der Mieter nach dem Auszug aus einer Mietwohnung unter anderem Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs auch dann geltend machen kann, wenn die Kündigung des Vermieters aus formalen Gründen unwirksam gewesen ist.

Die Klägerin war seit 1977 Mieterin in einem Wohnhaus der Beklagten in Berlin. Aufgrund einer Vereinbarung vom 4. Oktober 2002 zog die Klägerin aus der Wohnung aus, nachdem die Beklagten mehrfach das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt sowie eine Räumungsklage und Schadensersatzforderungen bei nicht rechtzeitiger Räumung angedroht hatten. Unmittelbar nach dem Auszug boten die Beklagten das Haus über einen Makler zum Verkauf an, von dem sie später Abstand nahmen. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten hätten den Eigenbedarf vorgetäuscht. Sie begehrt mit ihrer Klage die Rückgabe des Mietobjekts, hilfsweise macht sie Schadensersatzansprüche geltend. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass einem Mieter, der auf eine Kündigung wegen eines in Wahrheit nicht bestehenden Eigenbedarfs hin auszieht, Schadensersatzansprüche wegen unberechtigter Kündigung auch dann zustehen, wenn der Eigenbedarf zwar entgegen § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB (§ 564a Abs. 3 BGB aF) nicht im Kündigungsschreiben als berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses angegeben und die Kündigung deshalb unwirksam ist, der Vermieter dem Mieter den Eigenbedarf aber schlüssig dargetan und der Mieter keine Veranlassung hatte, die Angaben des Vermieters in Zweifel zu ziehen.

Der Schadensersatzanspruch des Mieters wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich der Mieter mit dem Vermieter auf eine einvernehmliche Beendigung des Mietverhältnisses geeinigt hat, obwohl er zu diesem Zeitpunkt mangels ordnungsgemäß begründeter Kündigungserklärungen – noch – nicht zur Räumung des Mietobjekts verpflichtet war. Entscheidend ist nicht, ob der Mieter bereits zur Räumung verpflichtet ist, sondern allein, ob er das Räumungsverlangen materiell für berechtigt halten darf, weil er keinen Anlass hat, an der Richtigkeit der Angaben des Vermieters zu dem geltend gemachten Eigenbedarf zu zweifeln. Auch wenn der Mieter sich unter dem Eindruck des als bestehend angenommenen Eigenbedarfs zu einer einvernehmlichen Beendigung des Mietverhältnisses bereit findet und das Mietobjekt freigibt, ohne auf die formale Wirksamkeit der Kündigungserklärung des Vermieters abzustellen, räumt er die Mietwohnung nicht aus freien Stücken, sondern in der Vorstellung, dazu jedenfalls materiell verpflichtet zu sein.

Für einen Ausschluss des Schadensersatzanspruchs nach dem Rechtsgedanken des § 254 BGB, wie er von dem Berufungsgericht angenommen wurde, war daher kein Raum. Das Berufungsgericht wird nunmehr zu klären haben, ob der mit der Kündigung geltend gemachte Eigenbedarf der Beklagten – wie von der Klägerin behauptet – vorgetäuscht war.

Urteil vom 8. April 2009 – VIII ZR 231/07

Amtsgericht Schöneberg – Urteil vom 5. Oktober 2006 – 107 C 312/05

Kammergericht Berlin – Urteil vom 18. Juni 2007 – 8 U 188/06

Quelle: Pressemitteilung Nr. 76/09 vom 08.04.2009 auf www.bundesgerichtshof.de

Zur Aufklärungspflicht des Verkäufers bei Asbest

1. April 2009

Der u. a. für Rechstreitigkeiten über Ansprüche aus Kaufverträgen über Grundstücke zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich mit folgendem Fall zu befassen, der zwei für die Rechtspraxis bedeutsame Fragen aufwirft:

Mit notariellem Vertrag vom 4. Oktober 2006 kauften die Kläger von den Beklagten ein Hausgrundstück unter Ausschluss der “Gewähr für Fehler und Mängel”. Das Wohngebäude war im Jahre 1980 in Fertigbauweise errichtet worden. In der Außenfassade waren Asbestzementtafeln verarbeitet worden. Über diesen Umstand klärten die Beklagten die Kläger nicht auf, obwohl zuvor bereits ein anderer Kaufinteressent wegen der Asbestverkleidung von seinen Kaufabsichten abgerückt war.

Die Kläger verlangen Schadensersatz in Höhe der Kosten für die Asbestsanierung. Land- und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht meint, eine im Jahr 1980 mit Asbestzementplatten errichtete Hausfassade stelle keinen Mangel dar, der Gegenstand einer Offenbarungspflicht habe sein können. Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluss seien ausgeschlossen.

Die Revision hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung und Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er hat entschieden, dass Baustoffe, die bei der Errichtung eines Wohnhauses gebräuchlich waren, später aber als gesundheitsschädlich erkannt worden sind, einen offenbarungspflichtigen Sachmangel begründen können. Das sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn Baumaterialien Stoffe enthalten, die schon in geringen Dosen karzinogen wirken, und die ernsthafte Gefahr besteht, dass diese Stoffe bei üblicher Nutzung, Umgestaltung oder Renovierung des Kaufobjekts austreten. Insbesondere liege eine erhebliche Einschränkung der Nutzbarkeit eines Wohngebäudes vor, wenn übliche Umgestaltungs- Renovierungs- und Umbaumaßnahmen nicht ohne gravierende Gesundheitsgefahren vorgenommen werden könnten. Das gelte jedenfalls für solche Arbeiten, die üblicherweise auch von Laien und nicht nur von mit dem Umgang gefährlicher Baustoffe vertrauten Betrieben des Fachhandwerks vorgenommen würden. Das Berufungsgericht wird daher festzustellen haben, ob diese Voraussetzungen bei dem von den Klägern erworbenen Haus erfüllt sind.

Darüber hinaus hat der Senat entschieden, dass Ansprüche wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen nach Gefahrübergang (im Regelfall mit der Übergabe der Kaufsache) jedenfalls dann nicht durch die kaufrechtlichen Regelungen der §§ 434 ff. BGB ausgeschlossen werden, wenn der Verkäufer den Käufer über die Beschaffenheit der Sache arglistig getäuscht hat. Daher wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob den Beklagten ein arglistiges Verhalten vorzuwerfen ist.

Urteil vom 27. März 2009 – V ZR 30/08

LG Lüneburg – 5 O 104/07 – Urteil vom 30. August 2007

OLG Celle – 8 U 203/07 – Urteil vom 7. Februar 2008

Quelle: Pressemitteilung Nr. 66/09 vom 27.03.2009 auf www.bundesgerichtshof.de

Sonderkündigungsschutz für Abfallbeauftragten

27. März 2009

Hat der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zum Betriebsbeauftragten für Abfall bestellt, so ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig. Das Arbeitsverhältnis kann nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Der Sonderkündigungsschutz setzt eine wirksame Bestellung als Abfallbeauftragter voraus. Die Bestellung bedarf der Schriftform und wird regelmäßig gesondert dokumentiert. Im Einzelfall kann sie bereits im schriftlichen Arbeitsvertrag erfolgen.

Der Kläger war seit dem 2. Mai 2006 bei der Beklagten angestellt. Im Arbeitsvertrag ist festgehalten, dass dem Kläger neben seiner Tätigkeit als Betriebsleiter auch die des Betriebsbeauftragten für Abfall oblag. Die Beklagte erstellte im Mai 2006 ein Organigramm, das den Kläger als Abfallbeauftragten auswies. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 24. November 2006 und bot dem Kläger eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen an.

Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die ordentliche Kündigung ist wegen Verstoßes gegen den in § 55 Abs. 3 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) geregelten Sonderkündigungsschutz nichtig. Die Beklagte hatte den Kläger mit Abschluss des schriftlichen Arbeitsvertrags wirksam zum Abfallbeauftragten bestellt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. März 2009 – 2 AZR 633/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Freiburg -, Urteil vom 24. Mai 2007 – 9 Sa 14/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 34/09 vom  26.03.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de