Jura Update

Unzureichende Deutschkenntnisse als Kündigungsgrund

1. Februar 2010

Ist ein Arbeitnehmer nicht in der Lage, in deutscher Sprache abgefasste Arbeitsanweisungen zu lesen, so kann eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Es stellt keine nach § 3 Abs. 2 AGG verbotene mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft dar, wenn der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern die Kenntnis der deutschen Schriftsprache verlangt, soweit sie für deren Tätigkeit erforderlich ist. Der Arbeitgeber verfolgt ein im Sinne des Gesetzes legitimes, nicht diskriminierendes Ziel, wenn er – zB aus Gründen der Qualitätssicherung – schriftliche Arbeitsanweisungen einführt.

Der 1948 geborene Kläger war seit 1978 als Produktionshelfer bei der Arbeitgeberin beschäftigt, einem Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie mit ca. 300 Arbeitnehmern. Er ist in Spanien geboren und dort zur Schule gegangen. Nach einer vom Kläger unterzeichneten Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2001 zählte zu den Anforderungen die Kenntnis der deutschen Sprache in Wort und Schrift. Der Kläger absolvierte im September 2003 auf Kosten der Arbeitgeberin während der Arbeitszeit einen Deutschkurs. Mehrere ihm empfohlene Folgekurse lehnte er ab. Seit März 2004 ist die Arbeitgeberin nach den entsprechenden Qualitätsnormen zertifiziert. In der Folgezeit wurde bei mehreren internen Audits festgestellt, dass der Kläger Arbeits- und Prüfanweisungen nicht lesen konnte. Im September 2005 forderte die Arbeitgeberin ihn auf, Maßnahmen zur Verbesserung seiner Deutschkenntnisse zu ergreifen. Eine weitere Aufforderung im Februar 2006 verband die Arbeitgeberin mit dem Hinweis, er müsse mit einer Kündigung rechnen, wenn er die Kenntnisse nicht nachweisen könne. Nach einem Audit von April 2007 war der Kläger weiterhin nicht in der Lage, die Vorgaben einzuhalten. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Betriebsrats zum 31. Dezember 2007.

Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die hiergegen erhobene Klage – anders als das Landesarbeitsgericht – abgewiesen. Die Kündigung verstößt nicht gegen das Verbot mittelbarer Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft. Der Arbeitgeberin war es nicht verwehrt, vom Kläger ausreichende Kenntnisse der deutschen Schriftsprache zu verlangen. Sie hatte ihm ausreichend Gelegenheit zum notwendigen Spracherwerb gegeben.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Januar 2010 – 2 AZR 764/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17. Juli 2008 – 16 Sa 544/08

Quelle: Pressemitteilung Nr. 10/10 vom 28.01.2010 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Wahlvorschläge und Stützunterschriften

25. Januar 2010

Wahlvorschläge für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung müssen innerhalb der Einreichungsfrist mit der erforderlichen Anzahl von Stützunterschriften im Original beim Wahlvorstand eingehen. Die Einreichung von Telekopien genügt nicht. Der Wahlvorstand muss das Vorliegen der erforderlichen Unterschriften zuverlässig prüfen können. Dies kann er nur, wenn ihm die Originalunterschriften vorliegen. Allerdings müssen sich nicht sämtliche Stützunterschriften auf demselben Blatt befinden. Es muss aber gewährleistet sein, dass sich die Unterschriften auf den Wahlvorschlag und nicht auf eine andere Erklärung beziehen. Dies kann beispielsweise durch die körperliche Verbindung mehrerer Blätter oder durch die Angabe eines gemeinsamen Kennworts auf sämtlichen Blättern geschehen.

Ohne Erfolg haben daher die Antragsteller eines vom Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts entschiedenen Wahlanfechtungsverfahrens geltend gemacht, der Wahlvorstand habe einen für die Wahl der Bezirksschwerbehindertenvertretung per Telefax eingereichten Wahlvorschlag zu Unrecht zurückgewiesen. Die Wahlanfechtung war dennoch erfolgreich, da der Wahlvorstand in seinem Wahlausschreiben die Voraussetzungen der Wählbarkeit nicht ausreichend beschrieben hatte. Das Bundesarbeitsgericht erklärte deshalb, wie bereits das Landesarbeitsgericht, die Wahl für ungültig.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20. Januar 2010 - 7 ABR 39/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. April 2008 - 3 TaBV 1/08 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 05/10 vom 20.01.2010 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Keine Leistungsklage auf Abfindung aus einem nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbarten Sozialplan

21. Januar 2010

Eine Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter auf Zahlung der Abfindung aus einem nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit abgeschlossenen Sozialplan ist unzulässig. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO hat für Sozialplanansprüche keine Bedeutung.

Der Kläger war Arbeitnehmer der Autohaus G. GmbH, über deren Vermögen am 1. Februar 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte ist zum Insolvenzverwalter bestellt. Unter dem 7. Februar 2007 zeigte der Beklagte Masseunzulänglichkeit an. Der Betriebsrat und der Beklagte vereinbarten am 13. Februar 2007 einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. Aus dem Sozialplan steht dem Kläger, dessen Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich rechtswirksam zum 30. Juni 2007 beendet worden ist, unstreitig ein Anspruch auf eine Abfindung von 18.061,48 Euro brutto zu. Der Kläger nimmt im Wege der Leistungsklage den Beklagten auf Zahlung der Sozialplanabfindung in Anspruch. Hilfsweise begehrt er die Feststellung des Abfindungsanspruchs.

Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Zwar sind Forderungen aus einem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellten Sozialplan gem. § 123 Abs. 2 Satz 1 InsO Masseforderungen, die nach § 53 InsO vorweg zu befriedigen sind. § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO bestimmt jedoch, dass eine Zwangsvollstreckung in die Masse wegen einer Sozialplanforderung schlechthin unzulässig ist. Dies gilt auch für Ansprüche auf Zahlung einer Abfindung aus einem vom Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit abgeschlossenen Sozialplan. § 123 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 InsO setzen eine relative Obergrenze für Sozialplanansprüche. Danach darf außer in den Fällen des Zustandekommens eines Insolvenzplans für die Berichtigung von Sozialplanforderungen nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne den Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Wird diese Grenze überschritten, sind die einzelnen Sozialplanforderungen anteilig zu kürzen. Daraus folgt, dass im Falle der Masseunzulänglichkeit keine Sozialplanansprüche bestehen. Solche Ansprüche sind lediglich letztrangige Masseforderungen, die bei der Verteilung nach § 209 InsO keinerlei Rolle spielen. Einer Leistungsklage fehlt deswegen das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil ein entsprechender Leistungstitel dauerhaft keine Vollstreckungsgrundlage wäre. Auch das für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse lag nicht vor, weil der Insolvenzverwalter den Sozialplananspruch weder dem Grund noch der Höhe nach in Frage stellt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Januar 2010 - 6 AZR 785/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 21. Februar 2008 - 15 Sa 2088/07 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 04/10 vom 21.01.2010 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Internet für den Betriebsrat

21. Januar 2010

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber die Bereitstellung eines Internetanschlusses jedenfalls dann verlangen, wenn er bereits über einen PC verfügt, im Betrieb ein Internetanschluss vorhanden ist, die Freischaltung des Internetzugangs für den Betriebsrat keine zusätzlichen Kosten verursacht und der Internetnutzung durch den Betriebsrat keine sonstigen berechtigten Belange des Arbeitgebers entgegenstehen. Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung in dem erforderlichen Umfang auch Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört das Internet.

Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat daher, wie bereits die Vorinstanzen, dem Antrag eines Betriebsrats stattgegeben, der von der Arbeitgeberin einen Zugang zum Internet für den ihm zur Verfügung stehenden PC verlangt hat. Die Leitung des von der Arbeitgeberin betriebenen Baumarkts, für den der Betriebsrat gebildet ist, verfügt über einen Internetanschluss. Durch die Freischaltung des dem Betriebsrat zur Verfügung gestellten PC entstehen für die Arbeitgeberin keine zusätzlichen Kosten. Auch sonstige der Internetnutzung durch den Betriebsrat entgegenstehende berechtigte Belange hatte die Arbeitgeberin nicht geltend gemacht.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20. Januar 2010 - 7 ABR 79/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Juli 2008 - 17 TaBV 607/08 -

Quelle: Pressemitteilung 03/10 vom 20.01.2010 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Betriebsrente – Insolvenzsicherung – Neue Bundesländer

19. Januar 2010

Nach dem Einigungsvertrag gilt das Betriebsrentengesetz auch in den neuen Bundesländern, wenn die Versorgungszusage nach dem 31. Dezember 1991 erteilt wurde. Das kann auch durch Bestätigung einer früher erteilten Zusage geschehen. Ist das Betriebsrentengesetz anwendbar, gelten auch die Regeln zum Insolvenzschutz. Danach hat der Pensionssicherungsverein (PSV) für gesetzlich unverfallbare Betriebsrentenanwartschaften einzustehen. Bei der Prüfung, ob die notwendige Betriebszugehörigkeit für die Unverfallbarkeit vorliegt, sind Zeiten der Tätigkeit als Mitglied einer „Produktionsgenossenschaft Handwerk“ (PGH) mitzurechnen. Eine solche „Tätigkeit für ein Unternehmen“ steht einem Arbeitsverhältnis gleich. Voraussetzung für den Insolvenzschutz ist weiter, dass die Zusage „aus Anlass“ eines Arbeitsverhältnisses und nicht wegen einer Gesellschafterstellung erteilt wird. Das ist bei Zusagen einer in eine GmbH umgewandelten ehemaligen PGH, die diese den für sie als Arbeitnehmer tätigen GmbH-Gesellschaftern und ehemaligen PGH-Mitgliedern gegeben hat, dann der Fall, wenn die Zusage nicht entscheidend aufgrund der Gesellschafterstellung, sondern aufgrund der Tätigkeit im Arbeitsverhältnis erteilt wurde. Eine Eintrittspflicht durch den PSV scheidet nach allgemeinen Regeln aus, wenn die Parteien des Versorgungsverhältnisses mit dem alleinigen oder überwiegenden Zweck gehandelt haben, ihn in Anspruch zu nehmen.

Nach diesen Grundsätzen war die gegen den PSV gerichtete Klage eines ehemaligen PGH-Mitgliedes und später als Arbeitnehmer für die aus der PGH entstandene GmbH tätigen Versorgungsberechtigten, der gleichzeitig mit einem geringen Anteil Gesellschafter war, in allen Instanzen erfolgreich.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Januar 2010 - 3 AZR 660/09 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 24. Juli 2009 - 4 Sa 1093/08 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 02/10 vom 20.01.2010 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Abfindung der im Insolvenzverfahren erdienten Versorgungsanwartschaft

11. Januar 2010

Besteht ein mit einer Versorgungszusage unterlegtes Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, sind vor Insolvenzeröffnung erworbene Anwartschaften reine Insolvenzforderungen, die zur Tabelle angemeldet werden müssen. Für gesetzlich unverfallbare Anwartschaften aus einer Direktzusage tritt der Pensionssicherungsverein ein. Besteht das Arbeitsverhältnis nach Insolvenzeröffnung mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, entstehen nach der Eröffnung weitere Anwartschaften zu Lasten der Masse. Diese können - unabhängig von ihrer Höhe - vom Verwalter durch eine Kapitalleistung abgefunden werden, wenn die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt und das Unternehmen liquidiert wird (§ 3 Abs. 4 BetrAVG). Dadurch soll der Abschluss des Insolvenzverfahrens beschleunigt werden. Kommt es zu einem Betriebsübergang, hat der Verwalter dieses Recht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergeht. In diesem Fall tritt der Erwerber in die Anwartschaften ein.

Der Kläger war seit 1987 bei der späteren Schuldnerin beschäftigt. Über deren Vermögen wurde am 1.10.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger aufgrund einer einzelvertraglichen Zusage eine unverfallbare Anwartschaft auf eine monatliche Betriebsrente iHv. 1.821,40 Euro erworben. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag mit dem 31.12.2004. Mit Wirkung zum 1.1.2005 verkaufte der Insolvenzverwalter den Betrieb. Die Schuldnerin befindet sich in Liquidation. Der Insolvenzverwalter hat die während des Insolvenzverfahrens erworbene Anwartschaft des Klägers abgefunden. Dagegen hat sich der Kläger mit einer auf Zahlung einer monatlichen Betriebsrente iHv. 314,51 Euro gerichteten Klage gewandt. Das Bundesarbeitsgericht hat - wie das Landesarbeitsgericht - die Klage abgewiesen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Dezember 2009 - 3 AZR 814/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Juli 2007 - 22 Sa 1/07 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 121/09 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Ein frohes Weihnachtsfest und ein brilliantes Jahr 2010!

23. Dezember 2009

Kerzenlicht, Tannenzweige, Plätzchenduft und Feuerwerkspracht – so stellen sich die meisten Bundesbürger die Zeit zwischen Advent und Neujahr vor. Nicht immer erfüllt sich diese Erwartung: Erstaunlich oft tritt für Mieter und Hausbesitzer ausgerechnet an den Feiertagen der Ernstfall ein. Und zwar deswegen, weil den Nachbarn der Adventsschmuck im Gemeinschaftsflur nicht gefällt, der Christbaum Feuer fängt oder die Silvesterrakete in die falsche Richtung losgeht und andere Menschen verletzt. Der Infodienst Recht und Steuern der LBS zeigt auf, wo Gefahren liegen und wie deutsche Gerichte in entsprechenden Fällen geurteilt haben.

Selbst Traditionen, die vielen Bürgern unverzichtbar erscheinen, werden vor dem Kadi gelegentlich infrage gestellt. Dazu zählt zum Beispiel der Wunsch, wenigstens im Advent und an Weihnachten den Glanz echter Kerzen genießen zu wollen. Eine Frau hatte ihren Christbaum damit geschmückt. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen (u.a. Aufstellen an sicherem Ort, ohne dass die Kerzen für längere Zeit unbeaufsichtigt brannten) war es zu einem Brand gekommen, der erheblichen Schaden anrichtete. Die Hausratversicherung wollte wegen des hohen Risikos der Kerzenflammen im Tannengrün nicht für den Schaden aufkommen. Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein (Aktenzeichen 3 U 22/97) musste über den Fall entscheiden. Das Urteil fiel zu Gunsten der Frau aus. Sie habe nicht fahrlässig gehandelt. Grundsätzlich müsse es noch jedem erlaubt sein, den Christbaum mit Wachskerzen zu schmücken und diese auch anzuzünden.

Weit harmloser als ein Zimmerbrand war der Streit, den Wohnungseigentümer im Raum Düsseldorf ausfochten. Es ging um die Frage, ob man im gemeinschaftlichen Treppenhaus Parfüm versprühen darf, um für eine besondere Duftnote im Haus zu sorgen. Besonders in der Advents- und Weihnachtszeit wird das gerne gemacht. Die Nachbarn empfanden die Benebelung allerdings nicht als Wohlgeruch und gingen mit Hilfe eines Anwalts dagegen vor (Oberlandesgericht Düsseldorf, Aktenzeichen 3 Wx 98/03). Das Grundproblem des Prozesses: Kann das Gemeinschaftseigentum in einer Wohnanlage auch durch Geruchsbildung unangemessen benutzt werden? Es kann, meinten die Juristen. Das Zusammenleben werde auf diese Weise über das unvermeidbare Maß hinaus beeinträchtigt. Mit dem Sprühen musste also Schluss sein. Für den Fall einer Zuwiderhandlung drohte das Gericht mit 500 Euro Ordnungsgeld.

An den Feiertagen wollen die meisten Menschen unbehelligt bleiben und nicht nur duftfrei, sondern vor allem auch ohne Ruhestörung leben. Vor dem Kadi wird diesem Wunsch in der Regel entsprochen. So bekam zum Beispiel ein Taubenzüchter, der rund 100 Vögel besaß, die Auflage, immer nur einen Teil der Tiere losflattern zu lassen, um die Ohren der Nachbarn zu schonen. An den hohen Festtagen wie Weihnachten verhängte das Verwaltungsgericht Münster (Aktenzeichen 2 K 1412/99) sogar ein partielles Flugverbot. Der Mann durfte jeweils erst am zweiten Feiertag die Luken öffnen. Das Recht auf Ruhe wird übrigens auch groß geschrieben, wenn es um Bauarbeiten geht. Als der Vermieter eines Hauses eines Tages ankündigte, vom 12. bis 22. Dezember werde eine neue Gasetagenheizung eingebaut, bremste ihn das zuständige Amtsgericht Köln (Aktenzeichen 215 C 293/93). Solche Arbeiten müssten im Regelfall nicht ausgerechnet vor Weihnachten stattfinden, hieß es im Urteil, und seien deswegen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

Wie viel Brauchtum ist in der heutigen Zeit überhaupt noch zumutbar? Dieser Frage ging das Landgericht Düsseldorf (Aktenzeichen 25 T 500/89) in einem Zivilprozess nach, weil sich die Bewohner eines Hauses untereinander nicht einigen konnten. Einer von ihnen hatte nach alter Sitte einen Adventskranz an der Außenseite seiner Wohnungstür aufgehängt. Zum Verdruss der Nachbarn, wie er feststellen musste, denn die fühlten sich belästigt. Doch sie hatten mit ihrer Forderung nach sofortiger Entfernung des Kranzes keine Chance. Solch ein saisonbedingter Schmuck müsse geduldet werden, lautete das Urteil.

Auch die Silvesternacht ist, ähnlich wie Advent und Weihnachten, häufig nicht stress- und streitfrei. Wenn sich Gerichte mit den letzten Stunden des alten und den ersten Stunden des neuen Jahres befassen müssen, dann geht es dabei meistens um Raketen und Böller, die ihr Ziel verfehlt haben. Statt im Himmel explodieren sie in der Nähe von Nachbarn und verletzen diese zum Teil schwer. Das Oberlandesgericht Nürnberg (Aktenzeichen 6 U 949/95) sprach beispielsweise einer Frau rund 12.000 Euro Schmerzensgeld zu, weil sie von einer Rakete im Auge getroffen war und dabei 90 Prozent ihrer Sehkraft verloren hatte. Selbst der Sicherheitsabstand von zehn Metern, den die Verantwortlichen hier eingehalten hatten, schien den Richtern zu gering. Je nach Gefahrenlage müssten sich die Feuerwerker auch deutlich weiter von ihrem Publikum entfernen.

Besonders fatal sind vermeintliche Blindgänger, die nach dem Zünden nicht gleich explodieren. Im Raum Köln feierte eine 18-Jährige im Haus ihrer Eltern mit Freunden Silvester. Einer der Partygäste sammelte scheinbar ungebrauchte Böller vom Boden auf und trug sie ins Wohnzimmer. Tatsächlich glommen die Sprengkörper noch und gingen kurz danach in die Luft, wobei sie enormen Schaden am Haus anrichteten. Das Oberlandesgericht Köln (Aktenzeichen 11 U 126/99) meinte, dass die Verantwortung beide treffe – die junge Frau, weil sie das Ablegen der Böller im Wohnzimmer nicht verhindert und ihren Gast, weil er sich so fahrlässig verhalten habe.

Möglichst vom Feuerwerk ganz fern gehalten werden sollten Kinder. Wenn Eltern Zündeleien zulassen, dann haften sie unter Umständen für den daraus entstehenden Schaden. In einem Fall vor dem OLG Schleswig (Aktenzeichen 5 U 123/97) ging es um einen Siebenjährigen, der eigenständig Kracher anzünden durfte und prompt ein anderes Kind verletzte. Vater und Mutter hätten hier klar ihre Aufsichtspflicht verletzt, befand ein Zivilsenat. Für einen Buben dieses Alters sei das Hantieren mit Feuerwerkskörpern nicht angesagt.

Manchmal sind Gerichte auch etwas großzügiger. Verlassen sollte man sich darauf allerdings nicht. Ein Bastler hatte einen eigenen Sprengstoff erfunden und ihn auch patentieren lassen. Bei einer Silvesterfeier in seinem Haus holte er – auf Bitten seiner Gäste – das Glas mit der gefährlichen Substanz aus dem Keller. Schon bei der ersten Berührung explodierte der Sprengstoff und verletzte insgesamt vier Personen. Die private Haftpflichtversicherung des Hausherrn verweigerte mit der Begründung, es habe sich um „eine gefährliche und ungewöhnliche Beschäftigung“ gehandelt, den Schadenersatz. Doch das Oberlandesgericht Hamm (Aktenzeichen 20 U 165/98) entschied anders: Gerade an Silvester sei es nicht unüblich, sich etwas leichtsinnig zu verhalten, befanden die Juristen. Der Erfinder musste nicht haften. Wenigstens in der Beziehung hatte ihm das neue Jahr also etwas Glück gebracht.

Quelle: www.baurechtsurteile.de

Klärung des Verbraucherbegriffs in § 13 BGB bei natürlichen Personen, die auch selbständig freiberuflich tätig sind

1. Oktober 2009

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine natürliche Person, die nicht nur als Verbraucher, sondern auch als selbständiger Freiberufler am Rechtsverkehr teilnimmt als Verbraucher im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches anzusehen ist.

Die Klägerin, eine Rechtsanwältin, bestellte am 7. Oktober 2007 über die Internetplattform der Beklagten unter anderem drei Lampen zu einem Gesamtpreis von 766 €. Sie gab dabei als Liefer- und Rechnungsadresse ihren Namen (ohne Berufsbezeichnung) und die Anschrift der “Kanzlei Dr. B.” an, bei der sie tätig war. Die Klägerin erklärte am 19./21. November 2007 den Widerruf ihrer Vertragserklärung mit der Begründung, dass die Lampen für ihre Privatwohnung bestimmt gewesen seien und ihr deshalb ein Widerrufsrecht nach den Vorschriften über Fernabsatzgeschäfte (§ 355 Abs. 1, § 312d Abs. 1, § 312b Abs. 1) zustehe, über das sie von der Beklagten nicht ordnungsgemäß belehrt worden sei.

Sie hat mit ihrer Klage unter anderem die Rückzahlung des Kaufpreises von 766 € begehrt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht als Verbraucherin gehandelt habe und ihr daher ein Widerrufsrecht nach den fernabsatzrechtlichen Vorschriften nicht zustehe.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebte, hatte Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine natürliche Person, die – wie die Klägerin – sowohl als Verbraucher (§ 13 BGB) als auch in ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Unternehmer (§ 14 BGB) am Rechtsverkehr teilnimmt, im konkreten rechtsgeschäftlichen Handeln lediglich dann nicht als Verbraucher anzusehen ist, wenn dieses Handeln eindeutig und zweifelsfrei ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn das in Rede stehende Rechtsgeschäft objektiv in Ausübung der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit der natürlichen Person abgeschlossen wird (§ 14 BGB). Darüber hinaus ist rechtsgeschäftliches Handeln nur dann der unternehmerischen Tätigkeit der natürlichen Person zuzuordnen, wenn sie dies ihrem Vertragspartner durch ihr Verhalten unter den konkreten Umständen des Einzelfalls zweifelsfrei zu erkennen gegeben hat.

Nach diesen Kriterien war die Klägerin im entschiedenen Fall bei der Bestellung der Lampen als Verbraucherin tätig geworden. Nach den in den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen hatte die Klägerin die Lampen für ihre Privatwohnung gekauft. Konkrete Umstände, aus denen die Beklagte zweifelsfrei hätte schließen können, dass der Lampenkauf der freiberuflichen Sphäre der Klägerin zuzurechnen sei, lagen nicht vor. Insbesondere konnte die Beklagte aus der Angabe der Kanzleianschrift als Liefer- und Rechnungsadresse nichts Eindeutiges für ein Handeln zu freiberuflichen Zwecken herleiten, da hieraus nicht deutlich wurde, dass die Klägerin in der Kanzlei als Rechtsanwältin – und nicht etwa als Kanzleiangestellte – tätig war (BGH, Urteil vom 30. September 2009 – VIII ZR 7/09).

Vorinstanzen: AG Hamburg-Wandsbek – Urteil vom 13. Juni 2008 – 716A C 11/08; LG Hamburg – Urteil vom 16. Dezember 2008- 309 S 96/08

Quelle: Pressemitteilung Nr. 200/09 vom 30.09.2009 auf www.bundesgerichtshof.de

Nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage – Zurechnung des Verschuldens eines gewerkschaftlichen Bevollmächtigten

10. Juni 2009

Will sich ein Arbeitnehmer gegen die Wirksamkeit einer Kündigung seines Arbeitsverhältnisses wenden, muss er nach § 4 KSchG innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Kündigungsschutzklage erheben. War der Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zu-zumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage rechtzeitig zu erheben, so ist die Klage nach § 5 Abs. 1 KSchG auf seinen Antrag hin nachträglich zuzulassen. Hat der Arbeitnehmer die verspätete Klageerhebung dagegen selbst verschuldet, so kann die Klage nicht nachträglich zugelassen werden. Die Kündigung gilt dann als von Anfang an wirksam. Dieselbe Folge tritt ein, wenn nicht der Arbeitnehmer selbst, aber sein Prozessbevollmächtigter die verspätete Klageerhebung verschuldet hat (§ 85 Abs. 2 ZPO). Das gilt nicht nur für bevollmächtigte Rechtsanwälte, sondern ebenso für bevollmächtigte Vertreter einer Gewerkschaft, die dann ihrerseits den Klageauftrag an die DGB-Rechtsschutz GmbH weitergeben.

In dem heute vom Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts entschiedenen Fall war dem Kläger am 19. Juli 2007 eine Kündigung seines Arbeitgebers zugegangen. Am selben Tag rief er den für ihn zuständigen Leiter der Geschäftsstelle seiner Gewerkschaft an und vereinbarte mit ihm einen Termin für den 20. Juli 2007 im Gewerkschaftsbüro, um die Klageerhebung in die Wege zu leiten. Als der Kläger am 20. Juli im Büro erschien, war der Geschäftsleiter wegen anderer Pflichten abwesend. Der Kläger übergab seine Unterlagen an eine Mitarbeiterin, um die Klageerhebung zu veranlassen. Bei gewöhnlichem Gang der Dinge wären die Unterlagen ohne Weiteres alsbald zur Klageerhebung an die DGB-Rechtsschutz GmbH weitergeleitet worden; die DGB-Rechtsschutz GmbH übernimmt als zentrale Einrichtung die Prozessvertretung für Mitglieder von DGB-Gewerkschaften. Im Zusammenhang mit Bauarbeiten gerieten die Unterlagen jedoch für mehrere Wochen in Vergessenheit und tauchten erst um den 10. September 2007 wieder im Büro der Geschäftsstelle auf. Am 13. September 2007 erhob die DGB-Rechtsschutz GmbH für den Kläger Kündigungsschutzklage und beantragte deren nachträgliche Zulassung.

Der Antrag hatte vor dem Zweiten Senat keinen Erfolg. Der Kläger selbst war zwar schuldlos an der Fristversäumung. Er hatte seinerseits mit der Beauftragung der Gewerkschaft am 20. Juli 2007 alles zur Klageerhebung Nötige getan. Indes muss er sich das Verschulden des von ihm am 20. Juli 2007 mit der Klageerhebung beauftragten Gewerkschaftsvertreters zurechnen lassen. In der Geschäftsstelle der Gewerkschaft hätten Vorkehrungen getroffen sein müssen, um die rechtzeitige Bearbeitung fristgebundener Klageaufträge sicher zu stellen. Daran fehlte es.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Mai 2009 – 2 AZR 548/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Freiburg -, Urteil vom 7. Mai 2008 – 10 Sa 26/08

Quelle: Pressemitteilung Nr. 57/09 vom 28.05.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Kündigung eines Arbeitnehmers in Vorgesetztenstellung wegen „ungebührlichen Behandelns“ von Untergebenen

10. Juni 2009

Der Zweite Senat hat auf die Revision der Beklagten die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ohne eigene Sachprüfung der Kündigungsvorwürfe wegen prozessualer Mängel aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht wird nunmehr die Kündigungsvorwürfe, der Kläger habe mit einer Soft-Air Pistole auf ihm untergebene Mitarbeiter geschossen, einem Mitarbeiter eine Gaspistole an die Schläfe und ein Messer an die Kehle gehalten, einem Mitarbeiter mit einer elektrischen Fliegenklatsche einen Stromschlag versetzt, einem Mitarbeiter mit einer Lederpeitsche oder einem Streifen aus einer Ledertischablage geschlagen und dazu aufgerufen, die im Winter 2003 bevorstehende Inventur zu boykottieren, aufzuklären und zu bewerten haben.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Mai 2009 – 2 AZR 223/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 21. Februar 2008 – 5 Sa 403/06 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 56/09 vom 28.05.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de