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Kfz-Halter kann bei Verstoß gegen die Parkordnung auf “erhöhtes Parkentgelt” haften, wenn er seine Fahrereigenschaft nur pauschal bestreitet, ohne den Fahrer zu benennen

18. Dezember 2019

Urteil vom 18. Dezember 2019 – XII ZR 13/19
Der unter anderem für die Leihe und das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte zu entscheiden, ob der Betreiber eines privaten Parkplatzes vom Halter eines unter Verstoß gegen die Parkbedingungen abgestellten Pkws ein sog. erhöhtes Parkentgelt verlangen kann.

Die Klägerin, ein mit der Bewirtschaftung privaten Parkraums befasstes Unternehmen, betreibt für die jeweiligen Grundstückseigentümer zwei Krankenhausparkplätze. Diese sind durch Hinweisschilder als Privatparkplätze ausgewiesen. Die Benutzung ist für eine Höchstparkdauer mit Parkscheibe kostenlos; zudem gibt es gesondert beschilderte, den Krankenhausmitarbeitern mit Parkausweis vorbehaltene Stellflächen. Durch Schilder ist darauf hingewiesen, dass bei widerrechtlich abgestellten Fahrzeugen ein “erhöhtes Parkentgelt” von mindestens 30 € erhoben wird. Die Beklagte ist Halterin eines Pkws, der im Oktober 2015 auf dem Parkplatz des einen Krankenhauses unter Überschreitung der Höchstparkdauer sowie im Mai und im Dezember 2017 unberechtigt auf einem Mitarbeiterparkplatz des anderen Krankenhauses abgestellt war. Die drei am Pkw hinterlassenen Aufforderungen zur Zahlung eines “erhöhten Parkentgelts” blieben erfolglos. Daraufhin ermittelte die Klägerin durch Halteranfragen die Beklagte als die Fahrzeughalterin. Diese bestritt, an den betreffenden Tagen Fahrerin des Pkws gewesen zu sein, und verweigerte die Zahlung.
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung der “erhöhten Parkentgelte” sowie der Kosten der Halteranfragen und von Inkassokosten in einer Gesamthöhe von 214,50 € gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil Schuldner des “erhöhten Parkentgelts” nicht der Fahrzeughalter, sondern nur der Fahrer sei und die Beklagte wirksam ihre Fahrereigenschaft bestritten habe.

Die dagegen von der Klägerin eingelegte Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Zwischen dem Betreiber eines privaten Parkplatzes und dem Fahrzeugführer kommt ein Nutzungsvertrag zustande, indem der Fahrzeugführer das in der Bereitstellung des Parkplatzes liegende Angebot durch das Abstellen des Fahrzeugs annimmt. Wird der Parkplatz – wie hier – unentgeltlich zur Verfügung gestellt, handelt es sich nicht um einen Miet-, sondern um einen Leihvertrag. Durch die Hinweisschilder wird das “erhöhte Parkentgelt” als Vertragsstrafe in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam in den Vertrag einbezogen. Die Festlegung mit mindestens 30 € ist hinreichend bestimmt und der Höhe nach nicht unangemessen.

Zu Recht hat es das Landgericht zwar abgelehnt, eine Haftung der Klägerin für diese Vertragsstrafe allein aus ihrer Haltereigenschaft abzuleiten. Insbesondere schuldet der Halter keinen Schadensersatz wegen der Weigerung, die Person des Fahrzeugführers zu benennen, weil ihn gegenüber dem Parkplatzbetreiber keine entsprechende Auskunftspflicht trifft.
Anders als das Landgericht meint, hat die Beklagte aber ihre Fahrereigenschaft nicht wirksam bestritten. Ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Halter eines Kfz auch dessen Fahrer war, besteht allerdings nicht, weil Halter- und Fahrereigenschaft in der Lebenswirklichkeit häufig auseinanderfallen. Jedenfalls wenn die Einräumung der Parkmöglichkeit, wie im vorliegenden Fall, unentgeltlich in Form einer Leihe erfolgt, kann sich der Halter jedoch nicht auf ein einfaches Bestreiten seiner Fahrereigenschaft beschränken. Vielmehr muss er im Rahmen seiner sog. sekundären Darlegungslast dazu vortragen, wer als Nutzer des Pkws im fraglichen Zeitpunkt in Betracht kam.

Die grundsätzlich dem Kläger obliegende Darlegungs- und Beweislast, hier für die Fahrereigenschaft, kann nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen eine Erleichterung erfahren. Danach trifft den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungspflichtige Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, hierzu näher vorzutragen. Diese Voraussetzungen hat der XII. Zivilsenat für den vorliegenden Fall bejaht.

Denn beim Parken auf einem privaten Parkplatz handelt es sich um ein anonymes Massengeschäft, bei dem der Parkplatz nicht einem bestimmten Vertragspartner, sondern der Allgemeinheit zur – regelmäßig kurzzeitigen – Nutzung angeboten wird. Zu einem persönlichen Kontakt zwischen Betreiber und Fahrer als den beiden Vertragsparteien kommt es regelmäßig nicht. Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass dem Verleiher die Person des Fahrzeugführers als des Entleihers nicht bekannt ist. Dass der Parkplatzbetreiber das Abstellen des Fahrzeugs nicht von einer vorherigen Identifizierung des Fahrzeugführers abhängig macht, ist Bestandteil dieses Massengeschäfts und liegt im Interesse der auf den einfachen Zugang auch zu privaten Parkplätzen angewiesenen Verkehrsöffentlichkeit. Er hat keine zumutbare Möglichkeit, die Identität seines Vertragspartners bei Vorliegen eines unberechtigten Abstellvorgangs und damit einer Verletzung seiner letztlich aus dem Eigentum folgenden Rechte im Nachhinein in Erfahrung zu bringen. Selbst wenn er – mittels gesteigerten Personalaufwands – den Fahrer bei dessen Rückkehr zum Fahrzeug anhalten würde, könnte er dessen Personalien ebenso wenig ohne weiteres feststellen wie auf der Grundlage etwa von Videoaufnahmen. Jedenfalls von demjenigen, der Privatparkplätze unentgeltlich zur Verfügung stellt, kann auch nicht die Errichtung technischer Anlagen (etwa eines Schrankensystems) gefordert werden, die letztlich allein der Verhütung des Missbrauchs dieses Angebots dienen.

Im Gegensatz dazu ist es dem Halter, der unter Beachtung seiner prozessualen Wahrheitspflicht bestreitet, selbst gefahren zu sein, regelmäßig selbst mit einem gewissen zeitlichen Abstand ohne weiteres möglich und zumutbar, jedenfalls die Personen zu benennen, die im fraglichen Zeitraum die Möglichkeit hatten, das Fahrzeug als Fahrer zu nutzen. Denn er hat es regelmäßig in der Hand, wem er sein das Fahrzeug überlässt.

Das Landgericht wird der Beklagten daher nun Gelegenheit zu einem wirksamen Bestreiten ihrer Fahrereigenschaft unter Angabe der als Fahrer im Zeitpunkt des jeweiligen Parkverstoßes in Betracht kommenden Person einzuräumen und dann neu zu entscheiden haben.

Vorinstanzen:
LG Arnsberg – Urteil vom 16. Januar 2019 – I-3 S 110/18
AG Arnsberg – Urteil vom 1. August 2018 – 12 C 75/18

Karlsruhe, den 18. Dezember 2019
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes Nr. 164/19 vom 18.12.2019

Kündigung eines Lehrers mit rechtsextremen Tattoos – Kündigung rechtsunwirksam

13. Dezember 2019

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Lehrers mit rechtsextremen Tattoos für rechtsunwirksam erklärt.

Das Land Brandenburg hatte das Arbeitsverhältnis gekündigt, nachdem bekannt geworden war, dass der Lehrer Tattoos mit dem Schriftzug „Meine Ehre heißt Treue“ sowie den Symbolen „Wolfsangel“ und „Schwarze Sonne“ trägt. Es hat die Kündigung u.a. darauf gestützt, der Kläger weise eine rechtsextreme Gesinnung auf und sei deshalb für den Schuldienst nicht geeignet.

Das Landesarbeitsgericht hat eine fehlende Eignung des Klägers als Kündigungsgrund nicht überprüft, weil das beklagte Land diesen Kündigungsgrund dem Personalrat vor Ausspruch der Kündigung nicht mitgeteilt hatte. Im Kündigungsschutzprozess können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur diejenigen Kündigungsgründe verwertet werden, die dem Personalrat (oder Betriebsrat) zuvor mitgeteilt worden waren; hieran fehlte es im vorliegenden Fall.

Dass der Kläger seine Tattoos öffentlich gezeigt hatte, war dem Personalrat zwar mitgeteilt worden, trug die Kündigung jedoch nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht. Das beklagte Land hätte insoweit als milderes Mittel zuvor eine Abmahnung aussprechen müssen; dies war nicht geschehen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit der Kläger seine tatsächliche Beschäftigung durchsetzen wollte. Dieser Beschäftigungsanspruch bestehe nicht, weil das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal gekündigt worden ist; der diesbezügliche Kündigungsschutzprozess ist noch nicht abgeschlossen.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Dezember 2019, Aktenzeichen 15 Sa 1496/19.

Quelle: Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichtes Berlin – Brandenburg Nr. 34/19 vom 11.12.2019

Die Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen genügt nicht zum Nachweis einer Ausschlussfrist

13. Dezember 2019

Die kirchenrechtlich vorgeschriebene arbeitsvertragliche Inbezugnahme einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung erfasst zwar inhaltlich auch eine darin enthaltene Ausschlussfrist, die damit zum Bestandteil des Arbeitsverhältnisses wird. Die Ausschlussfrist ist jedoch eine wesentliche Arbeitsbedingung iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG. Die bloße Inbezugnahme der Arbeitsrechtsregelung als solche genügt für den danach erforderlichen Nachweis nicht. Auch ein sog. „qualifizierter Nachweis“ nach § 2 Abs. 3 Satz 1 NachwG, wonach sich die Ausschlussfrist nach der kirchlichen Arbeitsrechtsregelung richtet, ist nicht ausreichend, weil der abschließende Katalog dieser Bestimmung Ausschlussfristen nicht erfasst. Weist der kirchliche Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Ausschlussfrist nicht im Volltext nach, kann der Arbeitnehmer ggf. im Wege des Schadensersatzes verlangen, so gestellt zu werden, als ob er die Frist nicht versäumt hätte.

Der Kläger war bei der beklagten katholischen Kirchengemeinde als Küster und Reinigungskraft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag nahm die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) in Bezug. Diese sieht in § 57 eine sechsmonatige einstufige Ausschlussfrist vor. Der Kläger macht Differenzvergütungsansprüche wegen angeblich fehlerhafter Eingruppierung geltend. Die Beklagte verweigert die Erfüllung dieser Ansprüche unter Berufung auf die Ausschlussfrist. Der Kläger stellt die Wirksamkeit der Fristenregelung in Abrede und verlangt hilfsweise Schadensersatz, den er ua. darauf stützt, dass ihm die Beklagte die Ausschlussfrist nicht hinreichend nachgewiesen habe.

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

Ein etwaiger Erfüllungsanspruch auf die Differenzvergütung wäre zwar verfallen, da die Inbezugnahme der KAVO auch deren Ausschlussfrist umfasst und diese wirksam den Verfall von Entgeltansprüchen anordnet, die wie vorliegend den gesetzlichen Mindestlohn übersteigen. Dem Kläger könnte jedoch ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Nachweisgesetzes zustehen. Bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, welche als „ähnliche Regelungen“ nach dem Willen des Gesetzgebers nur im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 bis 9 und § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 sowie gemäß § 3 Satz 2 NachwG bei Änderungen der kirchlichen Regelungen erleichterten Nachweismöglichkeiten unterliegen sollen. Der Nachweis der Ausschlussfrist bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses wird von diesen Erleichterungen nicht erfasst. Mangels hinreichender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts konnte der Senat allerdings nicht abschließend entscheiden,ob dem Kläger die begehrte Eingruppierung zusteht und deshalb ein Schadensersatzanspruch in Höhe der eingeklagten Differenzvergütung besteht. Er hat deshalb den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 10. April 2018 – 3 Sa 144/17

Quelle: Pressemiteilung des Bundesarbeitsgericht Nr. 36/19 vom 30.10.2019

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – Einheit des Verhinderungsfalls

11. Dezember 2019

Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist auch dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls). Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, zu dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führte.

Die Klägerin war bei der Beklagten bis zum 31. Juli 2017 als Fachkraft in der Altenpflege beschäftigt. Seit dem 7. Februar 2017 war sie infolge eines psychischen Leidens arbeitsunfähig. Die Beklagte leistete Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis einschließlich 20. März 2017. Im Anschluss bezog die Klägerin auf der Grundlage von Folgebescheinigungen ihrer Hausärzte, die zuletzt am 5. Mai 2017 eine bis einschließlich 18. Mai 2017 fortbestehende Arbeitsunfähigkeit attestierten, Krankengeld. Am 19. Mai 2017 unterzog sich die Klägerin wegen eines gynäkologischen Leidens einer seit längerem geplanten Operation. Ihre niedergelassene Frauenärztin bescheinigte am 18. Mai 2017 als „Erstbescheinigung“ eine Arbeitsunfähigkeit vom 19. Mai 2017 bis zum 16. Juni 2017 und durch Folgebescheinigung eine fortbestehende Arbeitsverhinderung bis einschließlich 30. Juni 2017. Im Juli 2017 erbrachte die Klägerin im Hinblick auf ihr gewährten Urlaub und Überstundenausgleich keine Arbeitsleistungen mehr und begann eine Psychotherapie bei einem Neurologen.

Die Klägerin erhielt in der Zeit vom 19. Mai bis zum 29. Juni 2017 weder von der Beklagten Entgeltfortzahlung noch von ihrer Krankenkasse Krankengeld. Mit ihrer Klage hat sie für diesen Zeitraum von der Beklagten die Zahlung von 3.364,90 Euro brutto nebst Zinsen verlangt. Sie hat geltend gemacht, sie sei ab dem 19. Mai 2017 wegen eines neuen Leidens arbeitsunfähig gewesen. Die Arbeitsunfähigkeit wegen ihrer psychischen Erkrankung habe am 18. Mai 2017 geendet. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, den Umständen nach sei von einem einheitlichen Verhinderungsfall auszugehen. Die Klägerin habe deshalb nur einmal für die Dauer von sechs Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen können. Diesen Anspruch habe sie erfüllt. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Klage – nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von drei Ärzten – abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Ist der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig und schließt sich daran in engem zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit an, hat der Arbeitnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung geendet hatte. Dies ist der Klägerin nicht gelungen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Vernehmung der die Klägerin behandelnden Ärzte umfassend Beweis erhoben. Danach konnte nicht festgestellt werden, dass ein einheitlicher Verhinderungsfall nicht vorlag. Das gilt umso mehr als nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Untersuchung der Klägerin durch den behandelnden Arzt bei der Feststellung der bis einschließlich 18. Mai 2017 attestierten Arbeitsunfähigkeit nicht erfolgte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2019 – 5 AZR 505/18 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 26. September 2018 – 7 Sa 336/18 -

Quelle: Pressemiteilung des Bundesarbeitsgericht Nr. 45/19 vom 11.12.2019

Abweichung vom „Equal-Pay-Grundsatz“ durch Bezugnahme auf Tarifvertrag

12. November 2019

Arbeitgeber, die als Verleiher Leiharbeitnehmer an einen Dritten überlassen, können vom Grundsatz der Gleichstellung („Equal-Pay“) kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung nach § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF nur dann abweichen, wenn für den Entleihzeitraum das einschlägige Tarifwerk für die Arbeitnehmerüberlassung aufgrund dieser Bezugnahme vollständig und nicht nur teilweise anwendbar ist.

Der Kläger war bei der Beklagten, die ein Zeitarbeitsunternehmen betreibt, als Kraftfahrer eingestellt. Der Arbeitsvertrag enthält eine dynamische Bezugnahmeklausel auf die zwischen der DGB-Tarifgemeinschaft und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) geschlossenen Tarifverträge für die Zeitarbeit. Daneben finden sich im Arbeitsvertrag Regelungen, die teilweise von diesen tariflichen Bestimmungen abweichen. Von April 2014 bis August 2015 war der Kläger als Coil-Carrier-Fahrer bei einem Kunden der Beklagten (Entleiher) eingesetzt. Für diesen Einsatz vereinbarten die Parteien eine Stundenvergütung von 11,25 Euro brutto. Die beim Entleiher als Coil-Carrier-Fahrer tätigen Stammarbeitnehmer erhielten nach den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie ein deutlich höheres Entgelt. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger für den Entleihzeitraum die Differenz zwischen der gezahlten Vergütung und dem Entgelt, das Coil-Carrier-Fahrer beim Entleiher erhielten. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage insoweit abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Kläger hat für den Zeitraum der Überlassung dem Grunde nach einen Anspruch auf „Equal-Pay“ iSv. § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG in der bis zum 31. März 2017 geltenden Fassung. Eine nach § 9 Nr. 2 AÜG aF zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. Diese setzt insbesondere nach Systematik und Zweck der Bestimmungen des AÜG eine vollständige Anwendung eines für die Arbeitnehmerüberlassung einschlägigen Tarifwerks voraus. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält hingegen Abweichungen von den tariflichen Bestimmungen, die nicht ausschließlich zugunsten des Arbeitnehmers wirken. Der Senat konnte mangels hinreichender Feststellungen über die Höhe der sich daraus ergebenden Differenzvergütungsansprüche nicht selbst entscheiden. Dies führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Oktober 2019 – 4 AZR 66/18 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 6. Dezember 2017 – 3 Sa 64/17 -

Quelle: Pressemiteilung des Bundesarbeitsgericht Nr. 33/19 vom 16.10.2019

Feiertagsvergütung – Zeitungszusteller

12. November 2019

Eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der ein Zeitungszusteller einerseits Zeitungsabonnenten täglich von Montag bis Samstag zu beliefern hat, andererseits Arbeitstage des Zustellers lediglich solche Tage sind, an denen Zeitungen im Zustellgebiet erscheinen, verstößt gegen den Grundsatz der Unabdingbarkeit des gesetzlichen Anspruchs auf Entgeltzahlung an Feiertagen.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Zeitungszusteller beschäftigt. Arbeitsvertraglich ist er zur Belieferung von Abonnenten von Montag bis einschließlich Samstag verpflichtet. Arbeitstage sind nach der getroffenen Vereinbarung alle Tage, an denen Zeitungen im Zustellgebiet erscheinen. Fällt ein Feiertag auf einen Werktag, an dem keine Zeitungen im Zustellgebiet erscheinen, erhält der Kläger keine Vergütung. Mit seiner Klage verlangt er für fünf Feiertage im April und Mai 2015 (Karfreitag, Ostermontag, Tag der Arbeit, Christi Himmelfahrt und Pfingstmontag), an denen er nicht beschäftigt wurde, Vergütung von insgesamt 241,14 Euro brutto. Er hat gemeint, die Arbeit sei allein wegen der Feiertage ausgefallen, weshalb die gesetzlichen Voraussetzungen für den Entgeltzahlungsanspruch vorlägen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Die Revision der Beklagten führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Gemäß dem Entgeltfortzahlungsgesetz hat der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Danach haben die Vorinstanzen zunächst zutreffend erkannt, dass der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf die begehrte Feiertagsvergütung hat. Die Beschäftigung des Klägers ist an den umstrittenen Feiertagen einzig deshalb unterblieben, weil in seinem Arbeitsbereich die üblicherweise von ihm zuzustellenden Zeitungen nicht erschienen sind. Die im Arbeitsvertrag enthaltene Vereinbarung zur Festlegung vergütungspflichtiger Arbeitstage ist, soweit sie darauf zielt, Feiertage aus der Vergütungspflicht auszunehmen, wegen der Unabdingbarkeit des gesetzlichen Entgeltzahlungsanspruchs unwirksam. Das Berufungsurteil unterlag gleichwohl der Aufhebung, weil das Berufungsgericht die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts fehlerhaft berechnet hat.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Oktober 2019 – 5 AZR 352/18 -
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Februar 2018 – 5 Sa 269/17

Quelle: Pressemiteilung des Bundesarbeitsgericht Nr. 32/19 vom 16.10.2019

Altersteilzeit im Blockmodell – Urlaub für die Freistellungsphase

26. September 2019

Nach Beendigung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell besteht kein Anspruch auf Abgeltung von Urlaub für die sog. Freistellungsphase.

Der Kläger war bei der Beklagten im Rahmen eines Vollzeitarbeitsverhältnisses beschäftigt. Ab dem 1. Dezember 2014 setzten die Parteien das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit der Hälfte der bisherigen Arbeitszeit fort. Nach dem vereinbarten Blockmodell war der Kläger bis zum 31. März 2016 im bisherigen Umfang zur Arbeitsleistung verpflichtet und anschließend bis zum 31. Juli 2017 von der Arbeitsleistung freigestellt. Während der Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erhielt er sein auf der Grundlage der reduzierten Arbeitszeit berechnetes Gehalt zuzüglich der Aufstockungsbeträge. Dem Kläger stand nach dem Arbeitsvertrag jährlich an 30 Arbeitstagen Urlaub zu. Im Jahr 2016 gewährte ihm die Beklagte an acht Arbeitstagen Erholungsurlaub. Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, für die Freistellungsphase der Altersteilzeit habe er Anspruch auf insgesamt 52 Arbeitstage Urlaub gehabt, den die Beklagte abzugelten habe.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, muss die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus berechnet werden, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten (24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage, vgl. BAG 19. März 2019 – 9 AZR 406/17 -). Einem Arbeitnehmer, der sich in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befindet und im gesamten Kalenderjahr von der Arbeitspflicht entbunden ist, steht mangels Arbeitspflicht kein gesetzlicher Anspruch auf Erholungsurlaub zu. Die Freistellungsphase ist mit „null“ Arbeitstagen in Ansatz zu bringen. Vollzieht sich der Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungsphase im Verlauf des Kalenderjahres, muss der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten entsprechend der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht berechnet werden.

Bei einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell sind Arbeitnehmer in der Freistellungsphase weder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen noch nach Maßgabe des Unionsrechts Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben. Diese Grundsätze gelten auch für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für die Berechnung des Urlaubsanspruchs während der Altersteilzeit keine von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. September 2019 – 9 AZR 481/18 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 13. Juli 2018 – 6 Sa 272/18

Quelle: Pressemiteilung des Bundesarbeitsgericht Nr. 30/19 vom 24.09.2019

Sachgrundlose Befristung – Vorbeschäftigung

22. August 2019

Wird ein Arbeitnehmer 22 Jahre nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erneut bei demselben Arbeitgeber eingestellt, gelangt das in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestimmte Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift regelmäßig nicht zur Anwendung.

Die Klägerin war in der Zeit vom 22. Oktober 1991 bis zum 30. November 1992 bei der Beklagten als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld beschäftigt. Mit Wirkung zum 15. Oktober 2014 stellte die Beklagte die Klägerin als Telefonserviceberaterin im Servicecenter erneut ein. Das zunächst bis zum 30. Juni 2015 sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis wurde später bis zum 30. Juni 2016 verlängert. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung am 30. Juni 2016 geendet hat. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte Erfolg. Die Befristung des Arbeitsvertrags ist ohne Sachgrund wirksam. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zwar nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) können und müssen die Fachgerichte jedoch durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar ist, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann danach ua. dann unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend, da die Vorbeschäftigung bei der erneuten Einstellung 22 Jahre zurücklag. Besondere Umstände, die dennoch die Anwendung des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestimmten Verbots gebieten könnten, liegen nicht vor.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. August 2019 – 7 AZR 452/17 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Juli 2017 – 4 Sa 221/16

Quelle: Pressemiteilung des Bundesarbeitsgericht Nr.29/19 vom 21.08.2019

Bundesgerichtshof zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei Ermittlung des Schwellenwerts für die Bildung eines paritätischen Aufsichtsrats nach dem Mitbestimmungsgesetz

21. August 2019

Beschluss vom 25. Juni 2019 – II ZB 21/18

Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichthofs hat entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung des Schwellenwerts von in der Regel mehr als 2.000 beschäftigten Arbeitnehmern für die Bildung eines paritätischen Aufsichtsrats nach dem Mitbestimmungsgesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 MitBestG) zu berücksichtigen sind, wenn das Unternehmen regelmäßig während eines Jahres über die Dauer von mehr als sechs Monaten Arbeitsplätze mit Leiharbeitnehmern besetzt.

Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin zu 2, eine GmbH, beschäftigt zum überwiegenden Teil fest angestellte Arbeitnehmer sowie daneben im Umfang von etwa einem Drittel der Belegschaft Leiharbeitnehmer, deren Anzahl in Abhängigkeit von der Auftragslage schwankt. Im Zeitraum von Januar 2017 bis März 2018 lag die Gesamtzahl der bei der Antragsgegnerin zu 2 Beschäftigten, d.h. der fest angestellten Arbeitnehmer und sämtlicher Leiharbeitnehmer, im Durchschnitt stets über 2.000. Bei Berücksichtigung nur der fest angestellten Arbeitnehmer und solcher Leiharbeitnehmer, deren tatsächliche oder prognostizierte Beschäftigungsdauer mehr als sechs Monate betrug, lag sie dagegen stets unter 2.000. Die Antragsgegnerin zu 1 ist ebenfalls eine GmbH, die die Antragsgegnerin zu 2 beherrscht.
Der Gesamtbetriebsrat der Antragsgegnerin zu 2 hat die Feststellung beantragt, dass bei beiden Antragsgegnerinnen ein paritätischer Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz zu bilden sei.

Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat den Feststellungsantrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass bei beiden Antragsgegnerinnen ein paritätischer Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz zu bilden ist.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerinnen zurückgewiesen.
Nach § 1 Abs. 1 i.V.m. §§ 6, 7 MitbestG ist in Unternehmen, die in der Rechtsform einer GmbH betrieben werden und in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen, ein paritätisch besetzter Aufsichtsrat zu bilden. Als Arbeitnehmer im Sinne des Mitbestimmungsgesetzes sind neben den fest angestellten Arbeitnehmer und Angestellten eines Unternehmens nach § 14 Abs. 2 Satz 5 AÜG auch Leiharbeitnehmer grundsätzlich zu berücksichtigen, bei Ermittlung u.a. des Schwellenwerts nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG gemäß § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG allerdings nur dann, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt.
Diese Mindesteinsatzdauer ist – wie das Oberlandesgericht zutreffend angenommen hat – nicht arbeitnehmerbezogen, sondern arbeitsplatzbezogen zu bestimmen. Abzustellen ist daher nicht darauf, dass der einzelne Leiharbeitnehmer bei dem betreffenden Unternehmen mehr als sechs Monate eingesetzt ist bzw. wird, sondern darauf, wie viele Arbeitsplätze in dem Unternehmen regelmäßig über die Dauer von sechs Monaten hinaus mit auch wechselnden Leiharbeitnehmern besetzt sind. Dabei ist auch unerheblich, auf welchem konkreten Arbeitsplatz die Leiharbeitnehmer in dieser Zeit eingesetzt werden. Entscheidend ist vielmehr, ob der Einsatz von Leiharbeitnehmern als solcher so dauerhaft erfolgt, dass er für die ständige Größe des Unternehmens ebenso prägend ist wie ein Stammarbeitsplatz.
Danach ist bei der Antragsgegnerin zu 2 ein paritätischer Aufsichtsrat gemäß § 1 Abs. 1 MitbestG zu bilden. Nach den vorliegenden Angaben hat sie ihren Personalbestand von insgesamt über 2.000 Beschäftigten in der Zeit von Januar 2017 bis März 2018 durchgehend, mithin während eines Jahres über die Dauer von sechs Monaten hinaus, zu ungefähr einem Drittel mit Leiharbeitnehmern besetzt, wobei die Zahl der Leiharbeitnehmer sogar gestiegen ist. Anhaltpunkte dafür, dass dieser Einsatz von Leiharbeitnehmern lediglich auf einem ungewöhnlichen, auf einer Ausnahmesituation beruhenden Bedarf an Arbeitnehmern beruhte, sind nicht ersichtlich. Für die Antragsgegnerin zu 1 ergibt sich die Pflicht zur Bildung eines paritätischen Aufsichtsrats damit aus der Konzernregelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG i.V.m. § 18 AktG.

Vorinstanzen:
LG Hannover – Entscheidung vom 12. Dezember 2017 – 26 O 1/17
OLG Celle – Entscheidung vom 7. September 2018 – 9 W 31/18

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes – Nr. 110/2019 vom 21.08.2019

Kündigung des Leiters der Finanzabteilung der Fraktion der Alternative für Deutschland im Deutschen Bundestag

30. Juli 2019

Das Arbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Leiters der Finanzabteilung der Fraktion der AfD im Deutschen Bundestag für rechtswirksam gehalten.

Der Mitarbeiter hatte veranlasst, dass eine private Flugreise über den Arbeitgeber umgebucht wurde und sich dabei weitere durch die Umbuchung bedingte Kosten der Reise als Dienstreisekosten erstatten lassen. Anlass für die Umbuchung war die Teilnahme des Mitarbeiters an einer Fraktionssitzung, bei der die Wahl eines Fraktionsgeschäftsführers erfolgen sollte. Für diese Position kam auch der Kläger als Kandidat in Betracht. Die Fraktion der AfD im Deutschen Bundestag kündigte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Mitarbeiters außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.

Das Arbeitsgericht hielt die außerordentliche Kündigung für wirksam, da der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung vorliege. Der Mitarbeiter habe mit seinem Reisekostenantrag suggeriert, dass es sich um eine betrieblich veranlasste Tätigkeit gehandelt habe. Eine solche betriebliche Veranlassung war nach Auffassung des Gerichts nicht erkennbar, da die Wahl zum Fraktionsgeschäftsführer nicht in einem Zusammenhang mit den arbeitsvertraglichen Aufgaben des Klägers als Leiter der Finanzabteilung gestanden habe.

Die von der Fraktion erhobene Widerklage auf Rückzahlung der Reisekosten sowie Schadensersatz wies das Gericht mangels hinreichender Begründung ab.

Gegen das Urteil kann Berufung an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 25.07.2019, Aktenzeichen 63 Ca 14303/18

Quelle: Pressemitteilung des Arbeitsgerichtes Berlin Nr. Nr. 20/19 vom 26.07.2019