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Betriebsteilübergang – ordnungsgemäße Unterrichtung

21. August 2008

Der Betriebsveräußerer oder der Erwerber muss gem. § 613a Abs. 5 BGB im Falle eines Betriebsübergangs auch über die Identität des Betriebserwerbers informieren. Eine nicht den gesetzlichen Vorgaben genügende Unterrichtung setzt für den vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer die einmonatige Frist zur Ausübung seines Widerspruchsrechtes gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) nicht in Gang.

Die Beklagte betrieb neben einem Großhandel für Farben, Tapeten und Teppiche in getrennten Geschäftsräumen einen Einzelhandel für Künstlerbedarf. Dort war der Kläger als Angestellter im Verkauf beschäftigt. Mitte 2004 beschloss die Beklagte, diesen Geschäftsbereich auszugliedern und auf eine neu zu gründende GmbH zu übertragen. Im Januar 2005 teilte sie dem Kläger ua. mit, eine neue GmbH gründen zu wollen, auf die das Arbeitsverhältnis des Klägers mit allen Rechten und Pflichten ab 1. Februar 2005, spätestens ab 1. März 2005 übergehen solle.

Am 22. Februar 2005 wurde diese GmbH gegründet. Ab 1. März 2005 übernahm sie den Geschäftsbetrieb des ausgegliederten Geschäftsbereiches. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die GmbH zunächst nicht. Am 15. Juli 2005 widersprach er dann und verlangte von der Beklagten Weiterbeschäftigung wie bisher. Bereits im März 2005 hatte er das Fehlen umfassender Informationen gerügt.

Die Klage auf Feststellung, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten über den 1. März 2005 hinaus ein Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortbestanden hat, hat das Landesarbeitsgericht abgewiesen. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat der Klage stattgeben. Er hat die Unterrichtung des Klägers über den Betriebsteilübergang wegen unzureichender Information über die Identität der Betriebserwerberin als nicht gesetzeskonform betrachtet. Die Beklagte hätte den Kläger davon in Kenntnis setzen müssen, wer sein neuer Arbeitgeber werden sollte. Die von der Beklagten verwendete Bezeichnung „neue GmbH“ genüge diesem Erfordernis nicht. Die einmonatige Widerspruchsfrist für den Kläger habe nicht zu laufen begonnen. Sein mit Schreiben vom 15. Juni 2005 erklärter Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die GmbH sei daher nicht verspätet gewesen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. August 2008 – 8 AZR 407/07).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 65/08 vom 21.08.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Umstellung einer kirchlichen Gesamtversorgung auf das Punktemodell des öffentlichen Dienstes

20. August 2008

Die Zusatzversorgung nach den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) ist wirksam auf das tarifvertraglich geregelte Punktemodell des öffentlichen Dienstes umgestellt worden.
Im Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien, dass die AVR in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind. Anlage 8 der AVR enthält die für den Kläger maßgebliche Versorgungsordnung. Sie regelt nicht selbst die Zusatzversorgung, sondern verweist auf die jeweiligen Leistungsvorschriften in der Satzung der kirchlichen Zusatzversorgungskasse. Diese Bestimmungen entsprechen inhaltlich den tarifvertraglichen Versorgungsregelungen für den öffentlichen Dienst. Ebenso wie im öffentlichen Dienst war ursprünglich eine Gesamtversorgung vorgesehen. Nach der dort erfolgten Systemumstellung durch den Tarifvertrag Altersversorgung (ATV) beschloss der Verwaltungsrat der kirchlichen Zusatzversorgungskasse, das tarifvertraglich eingeführte Punktemodell zu übernehmen und dementsprechend die erworbenen Anwartschaften in Startgutschriften umzurechnen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber schulde ihm nach wie vor die Gesamtversorgung. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Die Revision hatte keinen Erfolg. § 1 der Versorgungsordnung (Anlage 8 der AVR) verweist ohne Einschränkung auf die Satzungsbestimmungen der kirchlichen Zusatzversorgungskasse. Systemumstellungen bei der Zusatzversorgung sind nicht ausgeklammert. Sie bedurften nicht der Zustimmung der arbeitsrechtlichen Kommission. Die Ablösung der Gesamtversorgung durch das tarifvertragliche Punktemodell ist zulässig, wie der Senat im Urteil vom 27. März 2007 - 3 AZR 299/06 - und der Bundesgerichtshof im Urteil vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06 - bereits entschieden haben. Im vorliegenden Rechtsstreit hatte sich das Bundesarbeitsgericht nicht damit zu befassen, ob einzelne Berechnungsvorschriften rechtlich zu beanstanden sind (BAG, Urteil vom 19. August 2008 - 3 AZR 383/06).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 63/08 vom 19.08.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Anspruch auf Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung

14. August 2008

Der Arbeitgeber hat nach § 5 Abs. 1 ArbSchG durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Nach § 618 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Dienstberechtigte Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen so zu regeln, dass der Dienstverpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.

Der Kläger reinigt den Fußboden in der Gießerei der Beklagten von Sand und entsorgt ihn. Zu seiner persönlichen Schutzausrüstung gehören ein Schutzhelm, eine Staubmaske, Ohrenschützer und Sicherheitsschuhe. Der Arbeitsplatz des Klägers wurde 2004 von einem Sicherheitsingenieur besichtigt und bewertet.

Der Kläger verlangt die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung nach bestimmten Kriterien und Methoden, hilfsweise die Ausübung des Initiativrechts der Beklagten gegenüber dem Betriebsrat. Die Vorinstanzen haben Haupt- und Hilfsantrag abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat keinen Erfolg. Arbeitnehmer haben nach § 5 Abs. 1 ArbSchG iVm. § 618 Abs. 1 Satz 1 BGB einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch darauf, dass ihr Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung durchführt. Sie können jedoch keine bestimmten Überprüfungskriterien und -methoden für die Durchführung vorgeben. § 5 Abs. 1 ArbSchG eröffnet für den Arbeitgeber weite Beurteilungs- und Handlungsspielräume. Mit den engen Vorgaben des Klägers muss die Beklagte auch nicht gegenüber dem Betriebsrat initiativ werden, um eine mitbestimmte Durchführungsregelung der Gefährdungsbeurteilung herbeizuführen (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) (BAG, Urteil 12. August 2008 - 9 AZR 1117/06).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 62/08 vom 12.08.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Notwendiger Inhalt der Zeugnisse von Tageszeitungsredakteuren

14. August 2008

Nach § 109 Abs. 2 GewO muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein (Grundsatz der Zeugnisklarheit). Deshalb darf das Zeugnis keine Formulierungen enthalten, die eine andere als die aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer treffen. Weiterhin muss das erteilte Zeugnis Leistung und Sozialverhalten des Arbeitnehmers bei wohlwollender Beurteilung zutreffend wiedergeben (Grundsatz der Zeugniswahrheit). Der weitere notwendige Zeugnisinhalt bestimmt sich nach dem Zeugnisbrauch. Dieser kann nach Branchen und Berufsgruppen unterschiedlich sein. Lässt ein erteiltes Zeugnis hiernach übliche Formulierungen ohne sachliche Rechtfertigung aus, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Ergänzung. Die Auslassung eines bestimmten Inhalts, der von einem einstellenden Arbeitgeber in einem Zeugnis erwartet wird, kann ein unzulässiges Geheimzeichen sein.

Der Kläger war von Februar 1993 bis März 2003 als Redakteur bei der von der Beklagten herausgegebenen Tageszeitung tätig. Mit Datum vom 31. März 2003 erteilte die Beklagte dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis. Der Kläger macht ua. geltend, im erteilten Zeugnis fehle die Hervorhebung seiner Belastbarkeit in Stresssituationen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Neunte Senat hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Es wird aufzuklären haben, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, für Tageszeitungsredakteure sei die Hervorhebung dieser Belastbarkeit im Zeugnis üblich. Die Auslassung sei ein Geheimzeichen (BAG, Urteil vom 12. August 2008 - 9 AZR 632/07).

Quelle: Pressemitteilung Nr.61/08 vom 12.08.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Steuer-Identifikationsnummer kommt

5. August 2008

Für viele gehört die Steuererklärung zu den eher lästigen Pflichten. Seit Jahren wird nach Vereinfachung gerufen und bemängelt, dass das Zusammenspiel zwischen den Behörden und dem Bürger weitaus unbürokratischer ablaufen könnte.

Ein einfacheres Steuersystem und weniger Bürokratie in Deutschland – das sind Ziele, die auch für das Bundesfinanzministerium und die Bundesregierung ganz oben auf der Agenda stehen. Das bisherige Lohnsteuerverfahren stammt noch aus den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Bisher mussten neben der Steuernummer weitere Nummern entwickelt werden, zum Beispiel für das Kindergeld oder Zulagen. Ein kompliziertes und teures System.

Deutschland folgt deshalb jetzt dem Beispiel vieler Nachbarn in der Europäischen Union und modernisiert das Besteuerungsverfahren mit der neuen Steueridentifikationsnummer („Steuer-ID“).

  • Die Steuer-ID ist für die Einkommensteuer vorgesehen. Sie unterliegt zudem einer strengen Zweckbindung: Sie ist aus Gründen des Datenschutzes auf den Bereich der Finanzverwaltung beschränkt. Eine anderweitige Verwendung der gespeicherten Daten ist in keiner Weise zulässig.
  • Jeder Steuerpflichtige wird eine Nummer erhalten, die ihn sein Leben lang begleitet. Laut Gesetz sind das „natürliche Personen“; sie wird also ab Geburt verliehen, auch wenn in der Regel so früh noch keine Steuerschuld entsteht.
  • Bis zum 31.12.2008 werden alle Bürger ein persönliches Mitteilungsschreiben erhalten, in dem die Steuer-ID und die gespeicherten Eckdaten mitgeteilt werden. Auch wenn bei über 80 Millionen Schreiben pro Tag eine Million versendet werden, dauert dies einige Monate.
  • Die Steuer-ID wird elf Ziffern haben, die „nichtsprechend“ sind. Das heißt: Es können aus der Zahlenkombination keine Rückschlüsse auf den Steuerpflichtigen gezogen werden.
  • Folgende Daten werden gespeichert: Familienname, frühere Namen, Vornamen, Doktorgrad, Tag und Ort der Geburt, Geschlecht, gegenwärtige oder letzte bekannte Anschrift, zuständige Finanzbehörden, Sterbetag. So kann eine korrekte Zuordnung erfolgen. Weitere Daten werden nicht gespeichert.
  • Bürger müssen die ID künftig bei Anträgen, Erklärungen oder Mitteilungen gegenüber Finanzbehörden angeben.
  • Die Daten werden spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Steuerpflichtige verstorben ist, gelöscht. Sind die Daten für die Arbeit der Finanzbehörden nicht mehr erforderlich, kann dies vorher geschehen.

Wenn Sie in der nächsten Zeit das Mitteilungsschreiben in den Händen halten und einen Fehler entdecken, dann wenden Sie sich bitte an die unter „Rücksendeadresse“ angeführte Behörde. Korrekturen werden dort veranlasst und dem Bundeszentralamt für Steuern elektronisch weitergeleitet.

Sollten Sie umziehen, übermittelt die Meldebehörde Ihre neue Adresse an das Bundeszentralamt für Steuern. Telefonische Auskünfte über die ID können aus Datenschutzgründen nicht erteilt werden. In der Übergangszeit bitten die Finanzbehörden darum, neben der ID auch die alte Steuernummer anzugeben.

Allgemeine Informationen erhalten Sie im Internet unter www.identifikationsmerkmal.de [Extern] Weiterführende Fragen beantwortet Ihnen das steuerliche Info-Center des Bundeszentralamts für Steuern unter der Rufnummer 01805 – 437 83 837 (01805-IDSTEUER).
Quelle: Bundesministerium für Finanzen unter www.bundesfinanzministerium.de

Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen

4. August 2008

Der Arbeitgeber kann bei Sonderzahlungen – anders als bei laufendem Arbeitsentgelt – grundsätzlich einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung für künftige Bezugszeiträume ausschließen. Er kann sich die Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er künftig Sonderzahlungen gewährt. Für die Wirksamkeit eines solchen Freiwilligkeitsvorbehalts kommt es nicht auf den vom Arbeitgeber mit der Sonderzahlung verfolgten Zweck an. Der Vorbehalt ist auch dann wirksam, wenn der Arbeitgeber mit der Sonderzahlung ausschließlich im Bezugszeitraum geleistete Arbeit zusätzlich honoriert. Der Arbeitgeber muss auch nicht jede einzelne Sonderzahlung mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verbinden. Es genügt ein entsprechender Hinweis im Arbeitsvertrag. Ein solcher Hinweis muss in einem Formulararbeitsvertrag allerdings dem Transparenzgebot gerecht werden. Er muss deshalb klar und verständlich sein. Daran fehlt es, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einerseits im Formulararbeitsvertrag eine Sonderzahlung in einer bestimmten Höhe ausdrücklich zusagt und eine andere Vertragsklausel in Widerspruch dazu regelt, dass der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf die Sonderzahlung hat.
Auf die Zahlung von Weihnachtsgratifikation in Höhe ihres Bruttomonatsgehalts geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, der im Arbeitsvertrag diese Gratifikation ausdrücklich zugesagt worden war. Im Arbeitsvertrag war darüber hinaus geregelt, dass ein Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation nicht besteht und dass diese eine freiwillige, stets widerrufbare Leistung des Arbeitgebers darstellt, wenn sie gewährt wird. Die Vorinstanzen hatten die Klage deshalb abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Bei den zur Zahlung der Weihnachtsgratifikation von den Parteien getroffenen Vereinbarungen handelt es sich um Allgemeine Vertragsbedingungen. Soweit diese einen Rechtsanspruch der Klägerin auf eine Weihnachtsgratifikation in Höhe ihres monatlichen Bruttogehalts ausschließen, widersprechen sie der Zusage des Arbeitgebers, der Klägerin eine Weihnachtsgratifikation in Höhe ihres monatlichen Bruttogehalts zu zahlen. Die Klauseln sind insoweit nicht klar und verständlich und deshalb unwirksam. Widerrufs- und Freiwilligkeitsklauseln schließen sich aus. Der Widerruf einer Leistung durch den Arbeitgeber setzt einen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung voraus. Hat der Arbeitnehmer auf Grund eines Freiwilligkeitsvorbehalts dagegen keinen Anspruch auf die Leistung, geht ein Widerruf der Leistung ins Leere (BAG, Urteil vom 30. Juli 2008 – 10 AZR 606/07).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 59/08 vom 30.07.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Mitbestimmung bei „Ethik-Richtlinien“

25. Juli 2008

Der Betriebsrat hat mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber durch sog. Ethik-Richtlinien („codes of conduct“) das Verhalten der Beschäftigten und die betriebliche Ordnung regeln will. Kein Mitbestimmungsrecht besteht bei Vorgaben, mit denen lediglich die geschuldete Arbeitsleistung konkretisiert werden soll. Der Mitbestimmung entzogen sind auch Angelegenheiten, die gesetzlich abschließend geregelt sind. Ausländische Vorschriften, die für börsennotierte Unternehmen die Einführung von Ethik-Richtlinien vorsehen, schließen die Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz aber nicht aus. Ethik-Richtlinien können sowohl mitbestimmungspflichtige als auch mitbestimmungsfreie Teile enthalten. Das Mitbestimmungsrecht an einzelnen Regelungen begründet nicht notwendig ein Mitbestimmungsrecht am Gesamtwerk.
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts wies daher – anders als das Landesarbeitsgericht – einen Antrag ab, mit dem der Konzernbetriebsrat des deutschen Tochterunternehmens einer US-amerikanischen Gesellschaft ein Mitbestimmungsrecht an der Gesamtheit von konzernweit eingeführten Ethik-Richtlinien festgestellt wissen wollte; das Regelungswerk enthält auch mitbestimmungsfreie Bestimmungen. Auf entsprechende Hilfsanträge des Konzernbetriebsrats stellte das Bundesarbeitsgericht jedoch fest, dass dieser an bestimmten Regelungen, wie etwa der Verpflichtung der Arbeitnehmer, Interessenkonflikte schriftlich zu melden, zu beteiligen ist (BAG, Beschluss vom 22. Juli 2008 – 1 ABR 40/07).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 58/08 vom 22.07.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Keine Privilegierung der VOB/B bei Verwendung gegenüber Verbrauchern

25. Juli 2008

Der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte darüber zu entscheiden, ob die Klauseln der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) bei Verwendung gegenüber Verbrauchern einer Einzelkontrolle nach §§ 307 ff BGB unterliegen und der Kläger wegen einzelner beanstandeter Klauseln Ansprüche gegen den Beklagten geltend machen kann. Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Bei dem Beklagten handelt es sich um den Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss (DVA). Dieser ist ein nicht rechtsfähiger Verein, der nach seiner Satzung die Aufgabe hat, Grundsätze für die sachgerechte Vergabe und Abwicklung von Bauaufträgen zu erarbeiten und weiterzuentwickeln.

Der DVA hat die im amtlichen Teil des Bundesanzeigers veröffentlichte Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) Teile A und B Ausgabe 2002 verfasst. Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte empfehle, auch gegenüber Verbrauchern, das als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizierende Regelwerk der VOB/B für den rechtsgeschäftlichen Verkehr. Bei Verwendung gegenüber Verbrauchern seien 24 näher bezeichnete Klauseln dieses Regelwerks gemäß §§ 307 bis 309 BGB unwirksam. Der Beklagte sei daher verpflichtet, die Empfehlung dieser Klauseln im Verkehr mit Verbrauchern für Werk- und Werklieferungsverträge zu unterlassen und seine bereits erfolgte Empfehlung zu widerrufen.

Das Landgericht hat die auf Unterlassung und Widerruf der Empfehlung gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Der Kläger hat das Berufungsurteil mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision angegriffen.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er hat dies wie folgt begründet:

Der Beklagte empfiehlt die VOB/B für den rechtsgeschäftlichen Verkehr. Das Klauselwerk ist entsprechend der Satzung des Beklagten im Bundesanzeiger unter Kenntlichmachung seiner Urheberschaft und in seinem Auftrag als DIN 1961 veröffentlicht worden. Der DVA kann daher gemäß § 1 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Diesen Anspruch kann der Kläger als in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragener Verband geltend machen. Etwas anderes hätte gemäß § 3 Abs. 2 UKlaG nur zu gelten, wenn der Beklagte die VOB/B zur ausschließlichen Verwendung zwischen Unternehmern empfehlen würde. Eine dahingehende Einschränkung der Empfehlung hat der Beklagte jedoch weder ausdrücklich ausgesprochen noch ergibt sie sich aufgrund sonstiger Umstände.

Die einzelnen Klauseln der VOB/B unterliegen bei einer Verwendung gegenüber Verbrauchern einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB. Der Bundesgerichtshof hat es zwar mit Urteil vom 16.12.1982 (VII ZR 92/82, BGHZ 86, 135) als verfehlt angesehen, in einem Vertrag, in dem die VOB/B gegenüber einem Bauhandwerker verwendet wird, einzelne Bestimmungen dieses Klauselwerks einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. Dies wurde damit begründet, dass die VOB/B nicht den Vorteil nur einer Vertragsseite verfolge und einen auf die Besonderheiten des Bauvertragsrechts abgestimmten, im Ganzen einigermaßen ausgewogenen Ausgleich der beteiligten Interessen enthalte. Diese auf richterliche Fortbildung gegründete sogenannte Privilegierung der VOB/B ist bei Verwendung gegenüber Verbrauchern nicht gerechtfertigt. Denn ein maßgeblicher Gesichtspunkt für diese Privilegierung ist der Umstand, dass die VOB/B vom Beklagten unter Mitwirkung der Auftragnehmer- und der Auftraggeberseite erarbeitet wird und daher beide Seiten die Möglichkeit haben, ihre jeweiligen Interessen zu vertreten und ihnen Geltung zu verschaffen. Dies trifft für die in aller Regel geschäftlich nicht erfahrenen und damit besonders schutzbedürftigen Verbraucher nicht zu. Verbraucherverbände sind von einer ordentlichen Mitgliedschaft im DVA ausgeschlossen. Die spezifischen Interessen der Verbraucher werden auch nicht in hinreichendem Maße von den im DVA für die Auftraggeberseite tätigen Institutionen, insbesondere der öffentlichen Hand, vertreten.

Eine Entscheidung zu den beanstandeten Klauseln selbst konnte der Senat nicht treffen. Insoweit ist eine umfassende Würdigung vorzunehmen, in die insbesondere die typischen Interessen der Vertragsparteien und die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise einzubeziehen sind. Dazu fehlt es bisher an Feststellungen. Diese wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.

Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen – Unterlassungsklagengesetz

§ 1 Unterlassungs- und Widerrufsanspruch bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt, kann auf Unterlassung und im Fall des Empfehlens auch auf Widerruf in Anspruch genommen werden.

§ 3 Anspruchsberechtigte Stellen

(1) …

(2) Die in Absatz 1 Nr. 1 bezeichneten Einrichtungen können Ansprüche auf Unterlassung und auf Widerruf nach § 1 nicht geltend machen, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen gegenüber einem Unternehmer (§ 14 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) verwendet oder wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen zur ausschließlichen Verwendung zwischen Unternehmern empfohlen werden.

(BGH, Urteil vom 24. Juli 2008 – VII ZR 55/07)

Quelle: Pressemitteilung Nr. 145/08 vom 24.07.2008 auf www.bundesgerichtshof.de 

Sammelaktion für Schoko-Riegel

21. Juli 2008

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte am 17.07.2008 über die Zulässigkeit einer Sammelaktion zu entscheiden, die sich auch an Kinder und Jugendliche richtete.

Die Nestlé AG hatte für ihre Schoko-Riegel (z.B. “Lion”, “KIT KAT” und “NUTS”) eine Sammelaktion durchgeführt, bei der auf der Verpackung jeweils ein Sammelpunkt (sog. “N-Screen”) aufgedruckt war. 25 Sammelpunkte konnten gegen einen Gutschein im Wert von 5 € für einen Einkauf bei dem Internet-Versandhändler amazon.de eingelöst werden. Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen, hatte Nestlé auf Unterlassung in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, die Aktion sei wettbewerbswidrig, weil sie die Sammelbegeisterung von Kindern und Jugendlichen ausnutze und so eine rationale Kaufentscheidung bei ihnen verdrängen könne.

Während das Landgericht der Klage stattgegeben hatte, hatte das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. die Klage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung bestätigt.

Zwar sind Werbeaktionen, mit denen die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ausgenutzt wird, im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit jugendlicher Verbraucher wettbewerbswidrig. Der Bundesgerichtshof hat jedoch klargestellt, dass nicht jede gezielte Beeinflussung von Minderjährigen wettbewerbswidrig ist. Auch sei nicht jede an Minderjährige gerichtete Sammel- und Treueaktion unzulässig. Abzustellen sei auch bei besonders schutzbedürftigen Zielgruppen auf den durchschnittlich informierten und aufmerksamen Verbraucher dieser Gruppe. Die wirtschaftlichen Folgen einer Beteiligung an der beanstandeten Sammelaktion konnten – so der Bundesgerichtshof – auch von Minderjährigen hinreichend überblickt werden. Es handele sich um ein Produkt, über das auch Minderjährige ausreichende Marktkenntnisse hätten. Die Riegel seien während der Werbeaktion zu ihrem üblichen Preis von ca. 40 Cent verkauft worden; die Teilnahme an der Sammelaktion habe sich im Übrigen im Rahmen des regelmäßig verfügbaren Taschengelds Minderjähriger gehalten. Die Teilnahmebedingungen seien auch für Minderjährige transparent gestaltet gewesen.

Die Rechtslage nach der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken spielte bei der Entscheidung noch keine maßgebliche Rolle (BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 – I ZR 160/05 – N-Screens).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 141/08 vom 18.07.2008 auf www.bundesgerichtshof.de 

 

Umgehung des Kopierschutzes von Tonträgern

17. Juli 2008

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17.07.2008 entschieden, dass auch Privatpersonen, die entgegen § 95a Abs. 3 UrhG Programme zur Umgehung des Kopierschutzes von Tonträgern zum Kauf anbieten, von den Tonträgerherstellern auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch genommen werden können. Die Beklagten sind Tonträgerhersteller. Sie setzen technische Schutzmaßnahmen ein, um ein Kopieren der von ihnen hergestellten CDs zu verhindern. Der Kläger bot bei eBay ein Programm zum Kauf an, mit dem kopiergeschützte CDs vervielfältigt werden können. Die Beklagten mahnten den Kläger durch einen Rechtsanwalt ab. Zugleich forderten sie ihn zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und zur Zahlung der durch die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 1.113,50 € auf. Der Kläger gab die geforderte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich jedoch, die angefallenen Anwaltskosten zu erstatten. Er hat beantragt festzustellen, dass der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht besteht. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger habe gegen § 95a Abs. 3 UrhG verstoßen. Das – verfassungsrechtlich unbedenkliche – Verbot, für den Verkauf von Programmen zur Umgehung des Kopierschutzes zu werben, gelte – so der Bundesgerichtshof – auch für private und einmalige Verkaufsangebote. Da die Bestimmung dem Schutz der Tonträgerhersteller diene, seien die Beklagten berechtigt, den Kläger auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Dem Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten für die Abmahnung steht, wie der Bundesgerichtshof im Anschluss an sein Urteil vom 8. Mai 2005 (I ZR 83/06 – Abmahnkostenersatz) entschieden hat, nicht entgegen, dass die Beklagten über eigene Rechtsabteilungen verfügen.

Der Ersatz der Kosten für die Abmahnung von Urheberrechtsverletzungen ist nunmehr in § 97a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 UrhG in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008 (BGBl. I Nr. 28 v. 11.7.2008, S. 1191) ausdrücklich geregelt worden. Die Neuregelung tritt am 1. September 2008 in Kraft und war daher in dem heute entschiedenen Fall noch nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 – I ZR 219/05).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 138/08 vom 17.07.2008 auf www.bundesgerichtshof.de