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Kündigung einer Gleichstellungsbeauftragten

22. September 2008

Macht eine Gemeinde von der Möglichkeit Gebrauch, das Amt der Gleichstellungsbeauftragten in Zukunft einer ehrenamtlichen Kraft zu übertragen, so besteht für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der bisher hauptberuflich im Arbeitsverhältnis beschäftigten Gleichstellungsbeauftragten ein dringendes betriebliches Erfordernis.

Die Klägerin war seit 1999 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden bei der beklagten Gemeinde als Gleichstellungsbeauftragte angestellt. Gemäß § 5a der Niedersächsischen Gemeindeordnung ist die Beklagte verpflichtet, eine Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. Die Aufgabe kann nach dem Gesetz auch ehrenamtlich erfüllt werden. Nach einem Anfang 2006 gefassten Ratsbeschluss sollte das Amt der Gleichstellungsbeauftragten in Zukunft nicht mehr hauptberuflich, sondern ehrenamtlich wahrgenommen werden. Mit Zustimmung des Personalrats kündigte die Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. Juni 2006.

Die von der Klägerin erhobene Klage blieb vor dem Bundesarbeitsgericht – wie schon in den Vorinstanzen – ohne Erfolg. Die Beklagte ist berechtigt, die Tätigkeit der Gleichstellungsbeauftragten ehrenamtlich erledigen zu lassen. Sie durfte unter den rechtlich zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten die ihr am zweckmäßigsten erscheinende auswählen. Anhaltspunkte für einen Missbrauch dieses Rechts liegen nicht vor.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. September 2008 – 2 AZR 560/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 14. Mai 2007 – 8 Sa 1941/06

Quelle: Pressemitteilung Nr. 73/08 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Kappungsgrenze in der betrieblichen Altersversorgung

22. September 2008

Die meisten Versorgungszusagen sehen die Zahlung der vollen Betriebsrente nur für den Fall vor, dass der Arbeitnehmer mit Erreichen der dort bestimmten festen Altersgrenze (Versorgungsfall) ausscheidet. Scheidet der Arbeitnehmer vor diesem Zeitpunkt mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus, gilt hinsichtlich der Höhe der Betriebsrente § 2 BetrAVG. Auf den Grund des Ausscheidens kommt es nicht an. Nach Abs. 1 BetrAVG ist die bei Betriebstreue bis zur festen Altersgrenze erreichbare Betriebsrente im Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur bis zur festen Altersgrenze möglichen Betriebszugehörigkeit zu kürzen. Das gilt auch im Falle einer Kappung der Rentenhöhe, also wenn die Versorgungsordnung für jedes Jahr der Beschäftigung einen festen Betrag oder einen bestimmten Prozentsatz des letzten Gehalts vorsieht, dies aber in der Höhe begrenzt.

Die Klage eines Versorgungsberechtigten hatte deshalb auch vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Im Streitfall sah die Versorgungsordnung vor, dass die monatliche Altersrente für jedes Dienstjahr 0,8 %, höchstens aber 20 % des letzten Arbeitsentgelts beträgt. Der Kläger war nach über 25jähriger Beschäftigungszeit mit etwa 59 Jahren ausgeschieden. Er war – wie zahlreiche Arbeitnehmer bei vergleichbarer Situation – der Ansicht, dass ihm trotz vorzeitigen Ausscheidens die Höchstrente zusteht. Das ergibt sich aber weder aus der Versorgungsordnung noch aus § 2 BetrAVG.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. September 2008 – 3 AZR 1061/06 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 10. November 2006 - 10 Sa 544/06 B -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 71/08 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit – höherwertiger Arbeitsplatz

22. September 2008

Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer haben nach § 9 TzBfG einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Arbeitszeit auf einem „entsprechenden“ freien Arbeitsplatz, wenn sich keine besser geeigneten Konkurrenten bewerben. Um einen „entsprechenden“ Arbeitsplatz handelt es sich regelmäßig nur dann, wenn die zu besetzende Stelle dieselben Anforderungen an die Eignung des Arbeitnehmers stellt wie die bisher ausgeübte Tätigkeit. Ein Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit in einer höherwertigen Funktion besteht lediglich im Ausnahmefall.

Die Klägerin arbeitete seit 1986 überwiegend als Verkaufsstellenverwalterin in Vollzeit von 37,5 Wochenstunden in den Drogeriemärkten des Beklagten. In dieser Funktion war sie Vorgesetzte der dort beschäftigten Verkäuferinnen. Der Beklagte setzte Verkaufsstellenverwalterinnen nur in Vollzeit oder in Teilzeit von mindestens 30 Wochenstunden ein. Verkäuferinnen beschäftigte er ausschließlich in Teilzeit. Die Klägerin verlangte im Herbst 2004, ihre Arbeitszeit wegen eines Pflegefalls auf 20 Wochenstunden zu verringern. Um in Teilzeit arbeiten zu können, erklärte sie sich bereit, als Verkäuferin eingesetzt zu werden. Seit Herbst 2005 verlangte die Klägerin eine verlängerte Arbeitszeit. Sie bewarb sich ua. um die Stelle einer Verkaufsstellenverwalterin mit einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden. Der Beklagte besetzte die Stelle ab Januar 2006 mit einer anderen Arbeitnehmerin. Die Klägerin wird seit Dezember 2006 wieder als Verkaufsstellenverwalterin in Vollzeit beschäftigt.

Der Neunte Senat hat der auf den Verdienstausfall für Januar bis November 2006 gerichteten Schadensersatzklage ebenso wie die Vorinstanzen stattgegeben. Die Klägerin hatte Anspruch auf Verlängerung ihrer Arbeitszeit in der höherwertigen Funktion einer Verkaufsstellenverwalterin. Die Personalorganisation des Beklagten sah Teilzeitarbeit von 20 Wochenstunden für Verkaufsstellenverwalterinnen nur bei einem Wechsel in die Position einer Verkäuferin vor. Damit erweiterte der Beklagte den Begriff des „entsprechenden Arbeitsplatzes“. Er war an seine Vorgabe gebunden. Die beiden Hierarchieebenen wurden für die Klägerin durchlässig.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. September 2008 - 9 AZR 781/07 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 12. September 2007 - 18 Sa 231/07 -

Quelle:  Pressemitteilung Nr. 70/08 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Berücksichtigung von Treuhandverhältnissen und Darlehen im Ausbildungsförderungsrecht

17. September 2008

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 04.09.2008 in zwei Revisionsurteilen entschieden, dass Verbindlichkeiten aus Treuhandabreden und Darlehen bei der Bewilligung von Ausbildungsförderung grundsätzlich anerkennungsfähig sind. Sie sind aber nur dann vermögensmindernd zu berücksichtigen, wenn sie zivilrechtlich wirksam zustande gekommen sind und dies auch nachgewiesen ist. An den Nachweis ist ein strenger Maßstab anzulegen. Nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) kann eigenes Vermögen des Auszubildenden, das die gesetzlichen Freibeträge übersteigt, den monatlichen Bedarf an staatlicher Ausbildungsförderung mindern oder ganz ausschließen. Bestehende Schulden und Lasten sind vom anrechenbaren Vermögen grundsätzlich abzuziehen (§ 28 Abs. 3 BAföG). In dem ersten Verfahren wurde vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg um ein Treuhandverhältnis gestritten. Der Kläger, ein Medizinstudent, hatte im Förderungsantrag nicht angegeben, dass er seit 1999 Inhaber eines Depots mit Schatzbriefen im Wert von 12 000 € war. Gegen die Berücksichtigung als sein Vermögen machte er geltend, dass die Schatzbriefe seiner Mutter gehörten und ihm von ihr lediglich aus steuerlichen Gründen treuhänderisch übertragen worden seien. Das beklagte Studentenwerk hat dies nicht gelten lassen und bereits gewährte Ausbildungsförderung zurückgefordert. Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht ein Treuhandverhältnis angenommen und zugunsten des Studenten entschieden. In dem zweiten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart berief sich der klagende Student darauf, seine Mutter habe ihm mehrere tausend Euro als Darlehen gewährt. Dies müsse von seinem Vermögen als Schuld abgezogen werden. Das Verwaltungsgericht ist zwar vom Bestehen einer Darlehensschuld ausgegangen. Es hat diese aber nicht als vermögensmindernd anerkannt, weil der Kläger in dem streitigen Bewilligungszeitraum nicht mit ihrer Geltendmachung habe rechnen müssen.

In beiden Fällen hat das Bundesverwaltungsgericht die Urteile aufgehoben. Es hat entschieden, dass für die Abzugsfähigkeit von Verbindlichkeiten aus Treuhandabreden und Darlehen auf die zivilrechtlichen Grundsätze über deren wirksames Bestehen abzustellen ist. Ob überhaupt eine zivilrechtliche Verbindlichkeit vorliegt, ist von der Verwaltung und den Tatsachengerichten sorgsam zu prüfen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Gefahr des Missbrauchs bei solchen Abreden unter nahen Verwandten. Das Verschweigen eines Treuhand- oder Darlehensvertrages im Antragsformular kann hierfür ein Anhaltspunkt sein. Es steht aber der Annahme eines wirksamen Vertrages und damit zugleich der ausbildungsförderungsrechtlichen Abzugsfähigkeit nicht zwingend entgegen. Die Abzugsfähigkeit hängt auch nicht davon ab, ob mit der Geltendmachung der Verbindlichkeit bereits im Bewilligungszeitraum ernsthaft gerechnet werden muss.

Diesen jetzt klarstellenden Anforderungen entsprechen die angegriffenen Entscheidungen nicht in vollem Umfang. Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb beide Verfahren zurückverwiesen.

BVerwG 5 C 30.07 und BVerwG 5 C 12.08 – Urteile vom 4. September 2008

Quelle: Pressemitteilung Nr. 55/08 vom 04.09.2008 auf www.bundesverwaltungsgericht.de

 

Bundesgerichtshof entscheidet im Fall des Theaterstücks “Ehrensache”

16. September 2008

Die Klägerin, ein Theaterverlag, begehrt die Feststellung, dass sie berechtigt sei, Theatern und anderen Werknutzern urheberrechtliche Nutzungsrechte an der Originalfassung des Theaterstücks “Ehrensache” von Lutz Hübner einzuräumen.

Als Vorlage dieses im Jahr 2005 verfassten Bühnenstücks dienten die Ereignisse um die Tötung der damals 14-jährigen Tochter der Beklagten (sog. “Hagener Mädchenmord-Fall”). In dem Stück werden episodenhaft der Ablauf des Tages bis zur Tat und Ereignisse aus dem Leben der getöteten Ellena erzählt, deren Figur an die Tochter der Beklagten angelehnt ist. Die Mutter des Mädchens sieht darin eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts ihrer Tochter. Sie beanstandet, dass die wesentlichen Handlungsstränge des Theaterstücks sich gewollt am realen Geschehen orientierten; ihre Tochter sei in der Figur der Ellena wieder zu erkennen. Durch die Darstellung werde ungeachtet der Veränderung des Namens und einiger Details das Lebensbild der Tochter entstellt und deren Wert und Achtungsanspruch verletzt. Die Darstellung beschränke sich darauf, die frühreife und starke sexuelle Ausrichtung der Verstorbenen sowie ihre charakterliche und moralische Haltlosigkeit zu betonen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass der Inszenierung, Aufführung und Veröffentlichung des Bühnenwerks Persönlichkeitsrechte der Beklagten und ihrer verstorbenen Tochter nicht entgegenstünden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Nach Erlass des Berufungsurteils hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde der jetzigen Beklagten, die in einem Parallelverfahren gegen ein Theater unterlegen war (Urteil des LG Essen vom 6. Oktober 2006 – 19 O 215/06, nachfolgend: Beschluss des OLG Hamm vom 16. Mai 2007 – 3 U 258/06), nicht zur Entscheidung angenommen und entschieden, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht ihrer Tochter durch das Theaterstück “Ehrensache” nicht verletzt werde (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 1533/07).

Der u. a. für Fragen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat hat die Zulässigkeit der von dem Theaterverlag erhobenen Feststellungsklage im konkreten Fall bejaht und der Klage in der Sache im Wesentlichen aus den vom Bundesverfassungsgericht dargelegten Erwägungen stattgegeben. Bei dem Theaterstück “Ehrensache” handelt sich um ein literarisches Werk mit Wirklichkeitsbezug unter Vermengung tatsächlicher und fiktiver Schilderungen, die das Persönlichkeitsrecht der Beklagten nicht beeinträchtigen. Bei der gebotenen kunstspezifischen Betrachtung ist auch eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Tochter der Beklagten zu verneinen BGH, Versäumnisurteil vom 16. September 2008 – VI ZR 244/07).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 174/08 vom 16.09.2008 auf www.bundesgerichtshof.de    

 

“Schwarzhandel” mit Bundesligakarten

15. September 2008

Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte gestern darüber zu entscheiden, ob der Hamburger Sportverein (HSV) verhindern kann, dass von ihm nicht autorisierte Händler Eintrittskarten für Heimspiele des HSV anbieten.

Der HSV vertreibt die Eintrittskarten in autorisierten Verkaufsstellen, nach telefonischer Bestellung und über das Internet. Nach Nummer 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für den Kartenverkauf sagt der Erwerber verbindlich zu, die Eintrittskarte(n) ausschließlich für private Zwecke zu nutzen. Die Beklagten bieten gewerblich im Internet Karten für Fußballspiele – auch für Heimspiele des HSV – an, wobei die Preise regelmäßig erheblich über dem offiziellen Verkaufspreis liegen. Sie erwerben die Karten entweder direkt vom HSV, ohne sich als kommerzielle Anbieter zu erkennen zu geben, oder von Privatpersonen. Der HSV hat den Kartenhandel der Beklagten als wettbewerbswidrig beanstandet. Das Landgericht Hamburg hat der Unterlassungsklage des HSV stattgegeben. Das Oberlandesgericht Hamburg hat dieses Urteil bestätigt.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der HSV den Beklagten den Handel mit den Eintrittskarten nur teilweise untersagen lassen kann. Er muss es nicht hinnehmen, dass die Beklagten von seiner Vertriebsorganisation Karten zum Zwecke des Weiterverkaufs beziehen. Er kann den Beklagten aber nicht den Handel mit Eintrittskarten verbieten, die sie von Privatpersonen erworben haben.

Im autorisierten Vertrieb des HSV können die Beklagten die Karten nur kaufen, wenn sie über ihre Wiederverkaufsabsicht täuschen. Beim Erwerb der Karten von der Verkaufsorganisation des HSV gelten für die Beklagten – unter den vorliegenden Umständen – dessen AGB. Der HSV hatte den Beklagten seine AGB im Zuge einer Abmahnung unter ausdrücklichem Hinweis darauf übersandt, dass eine Abgabe von Karten an Wiederverkäufer ausgeschlossen sei. Es steht dem HSV – so der BGH – frei, einen Kartenverkauf an gewerbliche Kartenhändler abzulehnen. Gegen die Wirksamkeit der entsprechenden Klausel in den AGB bestünden keine Bedenken. Bei dem – in der Absicht des Weiterverkaufs erfolgenden – Erwerb der Karten durch die Beklagten oder ihre Mitarbeiter handele es sich um einen unlauteren Schleichbezug, zu dessen Unterlassung die Beklagten wettbewerbsrechtlich verpflichtet seien.

Erwerben die Beklagten über Suchanzeigen in Sportzeitschriften Karten von Privatpersonen, täuschen sie indessen nicht über ihre Wiederverkaufsabsicht. Soweit private Verkäufer mit dem Verkauf von Eintrittskarten an die Beklagten gegen die gegenüber dem HSV eingegangene vertragliche Verpflichtung verstoßen, ist das Verhalten der Beklagten – so der BGH – auch nicht unter dem Aspekt des Verleitens zum Vertragsbruch oder der Ausnutzung fremden Vertragsbruchs wettbewerbswidrig. Darin, dass die Beklagten in einer an die Allgemeinheit gerichteten Anzeige ihre Bereitschaft ausdrücken, Eintrittskarten von Privatpersonen zu erwerben, liege noch kein unlauteres Verleiten zum Vertragsbruch. Das Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs sei grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig. Es sei nicht Aufgabe eines Dritten, für die Einhaltung vertraglicher Abreden zu sorgen, die der HSV mit den Käufern von Eintrittskarten schließe. Dies gelte auch, wenn der HSV mit diesen Abreden legitime Interessen der Stadionsicherheit und der Einhaltung eines sozial verträglichen Preisgefüges verfolge (BGH, Urteil vom 11. September 2008 – I ZR 74/06 – bundesligakarten.de).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 170/08 vom 11.09.2008 auf www.bundesgerichtshof.de   

Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzansprüche bei Führerscheintourismus

12. September 2008

Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, macht gegen den beklagten Freistaat Schadensersatzansprüche geltend, weil ihm für einen Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr das Recht aberkannt wurde, von seiner in der Tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen. Dem Kläger wurde im Jahr 1995 durch Strafbefehl die Fahrerlaubnis wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr entzogen; sie wurde ihm im Jahr 1996 wieder erteilt. Wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde dem Kläger durch Urteil vom 15. Mai 2001 die Fahrerlaubnis erneut entzogen und eine Sperrfrist von 10 Monaten verhängt. Im Januar 2002 beantragte der Kläger die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Da er der behördlichen Aufforderung nicht nachkommen wollte, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, nahm er seinen Antrag im November 2002 zurück. Im September 2004 erwarb der weiterhin in Deutschland lebende Kläger in der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis der Klasse B. Nachdem das Landratsamt hiervon im Mai 2005 Kenntnis erhalten hatte, forderte es den Kläger erneut auf, ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten vorzulegen. Da der Kläger dies ablehnte, erkannte ihm die Behörde mit Bescheid vom 4. Juli 2005 das Recht ab, von der tschechischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Gebrauch zu machen. Der Kläger nahm gegen den gleichzeitig angeordneten Sofortvollzug erfolglos einstweiligen Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten in Anspruch. Seine Klage vor dem Verwaltungsgericht erledigte sich in der Hauptsache dadurch, dass das Landratsamt am 26. Juni 2006 seinen Bescheid vom 4. Juli 2005 im Hinblick auf den Beschluss des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 6. April 2006 (Rs. C-227/05 – Halbritter/Freistaat Bayern – NJW 2006, 2173) zurücknahm. Mit seiner Klage verlangt der Kläger eine Entschädigung von 40 € täglich (insgesamt 14.840 €) für die Aberkennung der Möglichkeit, von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, sowie Ersatz der ihm im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entstandenen Kosten von 871,51 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr in Höhe von 871,51 € entsprochen. Der unter anderem für Staatshaftungsansprüche zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision des beklagten Landes die Klage unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 26. Juni 2008 in den verbundenen Rechtssachen C-329/06 und C-343/06 (NJW 2008, 2403) und C-334 bis 336/06 abgewiesen und die Anschlussrevision des Klägers zurückgewiesen. Nach diesen Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften stellt sich die gemeinschaftsrechtliche Rechtslage, soweit es um die zweite Führerscheinrichtlinie des Rates vom 29. Juli 1991 (91/439/EWG) geht, wie folgt dar: Grundsätzlich sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, einen von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein ohne jede Formalität anzuerkennen. Sie dürfen dabei auch nicht von sich aus mit dem Ziel, die Anerkennung zu versagen, Ermittlungen anstellen, ob der betreffende Führerscheininhaber in dem Mitgliedstaat, in dem er die Fahrerlaubnis erworben hat, einen Wohnsitz hatte, wie es nach der Führerscheinrichtlinie Voraussetzung für die Erteilung der Fahrerlaubnis ist. Dies gilt auch dann, wenn dem betreffenden Führerscheininhaber im Inland zuvor die Fahrerlaubnis entzogen worden war und die neue Fahrerlaubnis nach Ablauf einer etwa verhängten Sperrfrist wiedererteilt worden ist. Demgegenüber ist der Mitgliedstaat zur Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis dann nicht verpflichtet, wenn dieser die Fahrerlaubnis während einer im ersten Staat verhängten Sperrfrist erteilt hat. In den Urteilen vom 26. Juni 2008 hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vor dem Hintergrund, dass die in der Führerscheinrichtlinie vorgesehene Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes erst mit Wirkung ab 1. Juli 2006 in die tschechische Rechtsordnung eingefügt wurde und mit diesem Erfordernis allgemein der “Führerscheintourismus” bekämpft werden soll, weiter befunden, dass ein Mitgliedstaat zu einer Anerkennung nicht verpflichtet sei, wenn sich auf der Grundlage von Angaben im Führerschein selbst (oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen) ergebe, dass die Wohnsitzvoraussetzung im Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis nicht erfüllt gewesen sei. Da sich im Fall des Klägers aus seinem tschechischen Führerschein sein deutscher Wohnsitz ergab, waren die Behörden zu einer Anerkennung dieser Fahrerlaubnis nicht verpflichtet, so dass der Kläger keinen Schadensersatz beanspruchen kann (BGH, Urteil vom 11. September 2008 – III ZR 212/07).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 169/08 vom 11.09.2008 auf www.bundesgerichtshof.de  

 

 

Gesetz zur Rechtsdurchsetzung im geistigen Eigentum

7. September 2008

Der Deutschen Bundestag hat am 11. April 2008 das Gesetz zur Umsetzung der EU-Durchsetzungs-Richtlinie verabschiedet. Das Gesetz erleichtert den Kampf gegen Produktpiraterie und stärkt damit das geistige Eigentum. Es trat am 1. September 2008 in Kraft.

Das Gesetz zur Rechtsdurchsetzung im geistigen Eigentum setzt die Richtlinie 2004/48/EG durch eine Novellierung von mehreren Gesetzen zum Schutz des geistigen Eigentums um: Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, Markengesetz, Halbleiterschutzgesetz, Urheberrechtsgesetz, Geschmacksmustergesetz, Sortenschutzgesetz werden weitgehend wortgleich geändert. Ferner passt das Gesetz das deutsche Recht an die neue EG-Grenzbeschlagnahme-Verordnung an. Diese Verordnung sieht ein vereinfachtes Verfahren zur Vernichtung von Piraterieware nach Beschlagnahme durch den Zoll vor. Darüber hinaus enthält das Gesetz eine Anpassung an eine EG-Verordnung zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel und schließt hinsichtlich der unberechtigten Verwendung von geographischen Herkunftsangaben eine Strafbarkeitslücke.

Quelle: Pressemitteilung Bundeministerium der Justiz, www.bmj.de

Eingruppierung eines Landschaftsgärtners, der Baumkontrollen im Wege des Visual Tree Assessment durchführt

28. August 2008

Begehrt ein Landschaftsgärtner, der Aufgaben des „Visual Tree Assessment“ durchführt, eine höhere Vergütung, die nach dem angestrebten tariflichen Tätigkeitsmerkmal neben vielseitigem, hochwertigem fachlichen Können besondere Umsicht und Zuverlässigkeit erfordert („besonders hochwertige Arbeiten“), hat er vorzutragen, welches fachliche Können die Ausgangslohngruppe erfordert und aus welchen Gründen die Anforderungen der Heraushebungslohngruppe gegeben sind. Zur Beurteilung, ob besonders hochwertige Arbeiten vorliegen, ist ein wertender Vergleich zwischen den Anforderungen der beiden Lohngruppen erforderlich.

Der Kläger ist gelernter Landschaftsgärtner und bei dem beklagten Land seit 1985 beschäftigt. Er wurde auf Grund seiner mehrjährigen Tätigkeit als Landschaftsgärtner nach der Lohngr. 5a der Anlage 1 zum Berliner Bezirkstarifvertrag Nr. 2 zum Bundesmanteltarif für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe entlohnt. Seit Beginn des Jahres 2003 ist er damit betraut, Bäume nach den Grundsätzen des „Visual Tree Assessment“ zu untersuchen. Es handelt sich dabei um eine Baumuntersuchungsmethode, bei der Bäume durch Sichtkontrolle auf verdächtige biologische und mechanische Defektsymptome überprüft werden. Bei entsprechendem Verdacht erfolgen weitergehende Untersuchungen mit einfachem Werkzeug. Der Kläger begehrt die Zahlung von Lohn nach der Lohngr. 6 („besonders hochwertige Arbeiten“) für die Zeit ab dem Jahr 2003 und für die Zeit ab dem Jahr 2006 wegen zwischenzeitlichen Bewährungsaufstiegs nach der Lohngr. 7. Dieser stehe ihm auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zu, weil das beklagte Land einen Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit in die Lohngr. 6 eingruppiert habe. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr insoweit entsprochen, als der Kläger „hochwertige Arbeiten“ i.S.d. Lohngr. 5 verrichte und wegen dreijähriger Bewährung jetzt in die Lohngr. 6 eingruppiert sei. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Revision des Klägers, mit der er den Anspruch auf eine höhere Eingruppierung („besonders hochwertige Arbeiten“) weiter verfolgt, zurückgewiesen. Dem Vorbringen des Klägers ließ sich weder die erforderliche Vergleichsbetrachtung entnehmen noch hat er dargelegt, dass für seine Tätigkeit ein vielseitiges fachliches Können und eine besondere Umsicht erforderlich sind. Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus Gleichbehandlungsgründen. Eine bewusst übertarifliche Vergütung des anderen Arbeitnehmers durch das beklagte Land war nicht gegeben. Es hat zudem eine Überprüfung dieser Eingruppierung eingeleitet (BAG, Urteil vom 27. August 2008 - 4 AZR 484/07).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 67/08 vom 27.08.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Annahmeverzug – Beschäftigungsmöglichkeit

28. August 2008

Der Vergütungsanspruch eines Arbeitnehmers entfällt, wenn der Zeitraum für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall abgelaufen ist und der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen weiterhin nicht in der Lage ist, die vertragsgemäße Arbeit zu erbringen. Daran ändert auch das Angebot der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer nichts. Hat der Arbeitnehmer eine bestimmte, an sich mögliche Arbeit abgelehnt, kann der Vergütungsanspruch nicht darauf gestützt werden, der Arbeitgeber hätte diese Arbeit anbieten müssen. Das gilt auch dann, wenn eine Beendigungskündigung des Arbeitgebers rechtskräftig mit der Begründung für unwirksam erklärt worden ist, der Arbeitgeber hätte trotz der Ablehnung seitens des Arbeitnehmers die entsprechende Arbeit im Wege der Änderungskündigung anbieten müssen.

Die Klägerin ist Kommissioniererin in einer Molkerei. Sie meldete sich nach ca. eineinhalbjähriger krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bei ihrem Arbeitgeber arbeitsfähig. Zu einem Arbeitseinsatz kam es nicht, weil der Arbeitgeber sie weiterhin für arbeitsunfähig hielt. Er kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Begründung einer fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit. Gegen diese Kündigung klagte die Arbeitnehmerin mit Erfolg. In dem insoweit rechtskräftig gewordenen Urteil des Landesarbeitsgerichts wird zur Begründung ausgeführt, der Arbeitgeber hätte der Klägerin im Wege der Änderungskündigung eine schonende Tätigkeit im Labor anbieten müssen, auch wenn die Klägerin diese Tätigkeit zuvor bereits abgelehnt habe. Das Landesarbeitsgericht hat hieraus weiter einen Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs hergeleitet. Dem ist der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht gefolgt. Annahmeverzug liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer zur Leistung der Arbeit außerstande ist oder diese abgelehnt hat. Das Landesarbeitsgericht muss nunmehr in einem neuen Berufungsverfahren klären, welche Arbeiten die Klägerin angeboten bzw. abgelehnt hat und zu welchen Arbeiten sie gesundheitlich in der Lage war (BAG, Urteil vom 27. August 2008 – 5 AZR 16/08).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 66/08 vom 27.08.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de