Jura Update

Rundfunkgebührenpflicht für internetfähige PC

27. Oktober 2010

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in drei Fällen entschieden, dass für internetfähige PC Rundfunkgebühren zu zahlen sind.

Die Rundfunkanstalten halten die Besitzer von internetfähigen PC für gebührenpflichtig, weil sich mit diesen Geräten Sendungen empfangen lassen, die mit sog. Livestream in das Internet eingespeist werden. Im Rahmen der Zweitgeräte-Befreiung wird die Rundfunkgebühr allerdings nicht verlangt, wenn der Besitzer bereits über ein angemeldetes herkömmliches Rundfunkgerät in derselben Wohnung oder demselben Betrieb verfügt. Die Kläger waren zwei Rechtsanwälte und ein Student, die in ihren Büros bzw. in der Wohnung kein angemeldetes Rundfunkgerät bereit hielten, aber dort jeweils internetfähige PC besaßen.

Der 6. Senat hat die Revisionen der drei Kläger gegen abschlägige Urteile der Vorinstanzen zurückgewiesen: Bei internetfähigen PC handelt es sich um Rundfunkempfangsgeräte i.S.d. Rundfunkgebührenstaatsvertrags. Für die Gebührenpflicht kommt es nach dessen Regelungen lediglich darauf an, ob die Geräte zum Empfang bereit gehalten werden, nicht aber darauf, ob der Inhaber tatsächlich Radio- bzw. Fernsehsendungen mit dem Rechner empfängt. Ebenso wenig ist es erheblich, ob der PC mit dem Internet verbunden ist, wenn er technisch nur überhaupt dazu in der Lage ist.

Diese sich aus dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag ergebende Rechtslage verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere verletzt sie nicht in rechtswidriger Weise die Rechte der Kläger auf Freiheit der Information (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) oder den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

Zwar greift die Erhebung von Rundfunkgebühren für internetfähige PC in die Grundrechte der Kläger aus Art. 5 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG ein, indem sie die Rundfunkgebührenpflicht an die – jedenfalls auch – beruflichen und informatorischen Zwecken dienende Nutzung oder auch nur den Besitz der Rechner knüpft. Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt durch die – ebenfalls verfassungsrechtlich begründete – Finanzierungsfunktion der Rundfunkgebühren für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Der Eingriff ist auch nicht unverhältnismäßig, sondern von der Typisierungsbefugnis des Gebührengesetzgebers gedeckt.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird vom Rundfunkgebührenstaatsvertrag ebenfalls nicht verletzt. Zwar werden insofern ungleiche Sachverhalte gleich behandelt, als die herkömmlichen monofunktionalen Rundfunkempfangsgeräte mit den multifunktionalen internetfähigen PC gebührenrechtlich gleich behandelt werden. Entscheidend für die Gebührenerhebung ist jedoch nicht die technische Unterschiedlichkeit der Empfangsgeräte, sondern die gleiche Möglichkeit zum Empfang von Rundfunksendungen durch diese verschiedenartigen Geräte.

Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt für das Abgabenrecht, dass die Gebührenpflichtigen durch ein Gebührengesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Gebührengrundlage nach sich ziehen. Die Rundfunkanstalten können an der Gebührenpflichtigkeit von internetfähigen PC daher auf Dauer nur festhalten, wenn diese sich auch tatsächlich durchsetzen lässt. Insoweit wird der Gesetzgeber die Entwicklung zu beobachten haben.

BVerwG 6 C 12.09, 6 C 17.09 und 6 C 21.09 – Urteile vom 27. Oktober 2010

Vorinstanzen:
BVerwG 6 C 12.09: OVG Koblenz, 7 A 10959/08 – Urteil vom 12. März 2009 – VG Koblenz, 1 K 496/08.KO – Urteil vom 15. Juli 2008 -
BVerwG 6 C 17.09: OVG Münster, 8 A 732/09 – Urteil vom 26. Mai 2009 – VG Münster 7 K 744/08 – Urteil vom 27. Februar 2009 -
BVerwG 6 C 21.09: VGH München, 7 B 08.2922 – Urteil vom 19. Mai 2009 – VG Ansbach, AN 5 K 08.00348 – Urteil vom 10. Juli 2008 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 93/2010 vom 27.10.2010 auf www.bverwg.de

Mietkautionszahlung darf von der Benennung eines insolvenzfesten Kontos abhängig gemacht werden

14. Oktober 2010

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Mieter von Wohnraum die Zahlung der Kaution von der Benennung eines insolvenzfesten Kontos durch den Vermieter abhängig machen darf.

Die Beklagten haben von den Klägern, die Eigentümer eines Gutshofes mit Stallungen und Weideland sind, durch zwei voneinander abhängige Mietverträge eine auf diesem Hof gelegene Wohnung sowie sechs Pferdeboxen nebst Weideland gemietet. Während der Mietvertrag über die Stallungen keine Kautionszahlung der Beklagten vorsieht, enthält der Wohnraummietvertrag in § 6 Nr. 2 folgende Regelung zur Sicherheitsleistung:

“Der Mieter leistet bei Beginn des Mietverhältnisses dem Vermieter für die Erfüllung seiner Verpflichtungen eine Barkaution in Höhe von 2.000,00 € auf ein Mietkautionskonto – Übergabe an den Vermieter beim Einzug. Der Vermieter hat diese Geldsumme getrennt von seinem Vermögen bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen. Die Zinsen stehen dem Mieter zu. Sie erhöhen die Sicherheit. Der Mieter ist berechtigt, die Kautionssumme in 3 Monatsraten zu bezahlen. Die erste Rate ist zu Beginn des Mietverhältnisses fällig, die beiden folgenden Raten mit der zweiten und dritten Miete (…).”

Die Beklagten zahlten die vereinbarte Kaution trotz mehrfacher Aufforderung nicht. Sie beriefen sich darauf, dass eine Zahlung erst dann erfolgen müsse, wenn die Vermieter ihnen ein gesondertes und den gesetzlichen Anforderungen genügendes Mietkautionskonto benannt und nachgewiesen hätten. Die Kläger vertraten die Auffassung, dass ein Mietkautionskonto nicht vorab mitgeteilt werden müsse, und kündigten in der Folge das gesamte Mietverhältnis wegen der fehlenden Kautionsleistung. Die Kläger haben mit ihrer Klage Räumung sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Mieter die Zahlung der Kaution davon abhängig machen darf, dass der Vermieter zuvor ein insolvenzfestes Konto benennt. Gemäß § 551 Abs. 3 BGB* hat der Vermieter eine ihm überlassene Mietsicherheit unabhängig von der gegebenenfalls vereinbarten Anlageform getrennt von seinem Vermögen anzulegen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, die Kaution vom Vermögen des Vermieters zu trennen und so vor dem Zugriff von dessen Gläubigern zu schützen. Es besteht kein Grund dafür, dem Mieter diesen vom Gesetzgeber bezweckten Schutz nicht von vornherein zu gewähren, sondern bei Beginn des Mietverhältnisses eine Lücke zu belassen, indem der Mieter die Kaution dem Vermieter zunächst in bar übergeben oder auf ein nicht insolvenzfestes Vermieterkonto überweisen muss. Im vorliegenden Streitfall haben die Mieter durch die Nichtzahlung der Kaution daher ihre Pflicht zur Erbringung der Mietsicherheit nicht verletzt; die darauf gestützte Kündigung ist unwirksam.

* § 551BGB: Begrenzung und Anlage von Mietsicherheiten

(…)

(3) Der Vermieter hat eine ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen. Die Vertragsparteien können eine andere Anlageform vereinbaren. In beiden Fällen muss die Anlage vom Vermögen des Vermieters getrennt erfolgen und stehen die Erträge dem Mieter zu. Sie erhöhen die Sicherheit. Bei Wohnraum in einem Studenten- oder Jugendwohnheim besteht für den Vermieter keine Pflicht, die Sicherheitsleistung zu verzinsen. (…)

Urteil vom 13. Oktober 2010 – VIII ZR 98/10

AG Rheinberg – Urteil vom 20. Juli 2009 – 12 C 498/08

LG Kleve – Urteil vom 25. März 2010 – 6 S 129/09

Quelle: Pressemitteilung Nr. 193/2010 vom 13.10.2010 auf www.bundesgerichtshof.de

Zu den Informationspflichten eines Vermieters im Fall des Freiwerdens einer vergleichbaren Wohnung nach einer Eigenbedarfskündigung

14. Oktober 2010

Der Bundesgerichtshof hat die Pflicht des Vermieters präzisiert, dem Mieter nach einer berechtigten Kündigung wegen Eigenbedarfs eine während der Kündigungsfrist freiwerdende vergleichbare Wohnung im selben Haus anzubieten.

Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der Klägerin in Bonn, in der er zusammen mit seiner ebenfalls in Anspruch genommenen Ehefrau lebt. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis durch Schreiben vom 23. April 2008 wegen Eigenbedarfs zum 31. Januar 2009. Vor Ablauf der Kündigungsfrist wurde im 1. Obergeschoss des Hauses, in dem auch die Mietwohnung der Beklagten gelegen ist, eine weitere Mietwohnung der Klägerin frei. Die Klägerin vermietete diese Wohnung anderweitig neu, ohne sie zuvor den Beklagten angeboten zu haben.

Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hat der Klage auf die Berufung der Vermieterin stattgegeben.

Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine Rechtsprechung bekräftigt, dass der wegen Eigenbedarfs berechtigt kündigende Vermieter dem Mieter eine andere, ihm zur Verfügung stehende vergleichbare Wohnung während der Kündigungsfrist anbieten muss, sofern sich die Wohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befindet. Anderenfalls ist die ausgesprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Anbietpflicht muss der Vermieter den Mieter über die wesentlichen Bedingungen einer Anmietung (Größe und Ausstattung der Wohnung sowie Mietkonditionen) informieren. Da im vorliegenden Streitfall der Vermieter dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, hat er keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der an die Beklagten vermieteten Wohnung.

Urteil vom 13. Oktober 2010 – VIII ZR 78/10

AG Bonn – Urteil vom 5. November 2009 – 202 C 58/09

LG Bonn – Urteil vom 18. März 2010 – 6 S 5/10

Quelle: Pressemitteilung Nr. 192/2010 vom 13.10.2010 auf www.bundesgerichtshof.de

Zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die Kündigung durch einen gewerblichen Großvermieter

13. Oktober 2010

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass es einem gewerblichen Großvermieter in tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen zuzumuten ist, ein Kündigungsschreiben ohne anwaltliche Hilfe zu verfassen. Die Kosten für einen dennoch beauftragten Rechtsanwalt sind daher vom Mieter nicht zu erstatten.

Die Klägerin ist ein Unternehmen der Wohnungswirtschaft, das über eine Vielzahl von Wohnungen verfügt und diese gewerblich vermietet. Die Beklagten, die eine Wohnung von der Klägerin gemietet haben, gerieten mit zwei Monatsmieten in Rückstand. Daraufhin erklärte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben die fristlose Kündigung des Mietvertrags gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB*. Die Klägerin hat mit ihrer Klage Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie Zahlung der durch das Kündigungsschreiben entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 402,82 € begehrt. Hinsichtlich der in der Revision allein noch maßgeblichen Rechtsanwaltskosten hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Kosten, die aus der Sicht des Vermieters zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte nicht erforderlich und zweckmäßig sind, vom Mieter nicht als Verzugsschaden zu ersetzen sind. Sofern es sich wie in der entschiedenen Konstellation um einen tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall handelt, bedarf ein gewerblicher Großvermieter für die Abfassung einer auf Zahlungsverzug gestützten Kündigung keiner anwaltlichen Hilfe. Dies gilt auch dann, wenn der Großvermieter nicht über eine eigene Rechtsabteilung verfügt.

*§ 543 BGB: Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. (…)

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn (…)

3. der Mieter

a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder

b)in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. (…)

Urteil vom 6. Oktober 2010 – VIII ZR 271/09

AG Wiesbaden – Urteil vom 6. April 2009 – 93 C 8201/08 (29)

LG Wiesbaden – Urteil vom 18. September 2009 – 2 S 38/09

Quelle: Pressemitteilung Nr. 188/10 vom 06.10.2010 auf www.bundesgerichtshof.de

Neues zur Klagefrist gemäß § 4 KSchG

21. September 2010

Entscheidung:

Ein Arbeitnehmer muss bei einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist innerhalb der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend machen, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt.

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 01.09.2010 – 5 AZR 700/09 -
Vorinstanz:  Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.08.2009 – 2 Sa 132/09 -

Pressemitteilung Nr. 67/10 des BAG vom 01.09.2010 unter www.bundesarbeitsgericht.de

Beurteilung:

Mit dieser Entscheidung setzt sich der 5. Senat des BAG in Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung. Der 2. Senat hat mit Urteil vom 06.07.2006 – 2 AZR 215/05 – festgestellt, dass auch nach Änderung des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) zum 01.01.2004, die Einhaltung der Kündigungsfrist auch außerhalb der Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden kann. Die unzutreffende Berechnung der Kündigungsfrist macht die ordentliche Kündigung nicht insgesamt unwirksam (so auch Senat 15. Dezember 2005 – 2 AZR 148/05DB 2006, 1116; vgl. Hanau ZIP 2004, 1169, 1175; KR-Spilger 7. Aufl. § 1a KSchG Rn. 67; zu § 4 Satz 1 KSchG aF wohl auch BAG 12. Januar 1994 – 4 AZR 152/93AP BGB § 622 Nr. 43 = EzA BGB § 622 nF Nr. 47, zu B I 3 der Gründe)

Fazit:

Allerdings ist das vollständige Urteil noch nicht veröffentlicht, weshalb abzuwarten bleibt, ob der 5. Senat des BAG eine wirkliche Änderung der Rechtsprechung forciert oder es vorliegend aufgrund eines Einzelfalls zu einer „abweichenden“ Entscheidung gekommen ist.

Bis zur Veröffentlichung und Klarstellung der Rechtsauffassung des Senats, ist die Einhaltung der 3-wöchigen Klagefrist unbedingt zu beachten.

Auskünfte zu diesem Rechtsthema oder zum Arbeitsrecht insgesamt erteilt:
Rechtsanwalt Wollschlaeger

Betriebliche Altersversorgung – Hausbrand – Insolvenzsicherung

17. März 2010

Der Pensionssicherungsverein als Träger der im Betriebsrentengesetz vorgesehenen Insolvenzsicherung hat im Sicherungsfall nur für Leistungen einzustehen, die Betriebliche Altersversorgung im Sinne dieses Gesetzes darstellen. Das sind Versorgungsleistungen, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses als Altersversorgung das „Langlebigkeitsrisiko“, als Hinterbliebenenversorgung einen Teil des Todesfallrisikos oder als Invaliditätsversorgung einen Teil des Invaliditätsrisikos abdecken. Auch Sachleistungen können betriebliche Altersversorgung sein. Geht es um Hausbrand und an dessen Stelle tretende Energiebeihilfe für ausgeschiedene Arbeitnehmer nach dem „Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlebergbaus“, liegt betriebliche Altersversorgung vor, wenn der Tarifvertrag als Leistungsvoraussetzung Tatbestände nennt, die ihrerseits an eines der genannten Risiken anknüpfen. Das ist nicht schon der Fall, wenn der Leistungsberechtigte Hausbrand bezieht, weil er Bergmannsversorgungsscheininhaber ist. Das Bergmannsversorgungsscheingesetz des Landes Nordrhein-Westfalen sieht keine Altersgrenze vor und knüpft daran an, dass der Berechtigte im aktiven Arbeitsleben steht. Es deckt damit keines der genannten Risiken ab. Demgegenüber liegt betriebliche Altersversorgung vor, wenn der Hausbrand wegen des Bezuges einer Rente für Bergleute aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu gewähren ist. Diese sichert das Invaliditätsrisiko ab. Das gilt auch, wenn sie wegen langjähriger Beschäftigung unter Tage und Erreichens der Altersgrenze von 50 Jahren gewährt wird, weil der Arbeitnehmer keine der knappschaftlichen Beschäftigung gleichwertige Tätigkeit mehr ausübt.

Die Klage eines früher bei einem insolvent gewordenen Unternehmen tätigen Rentners hatte deshalb vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts ebenso wie bereits in den Vorinstanzen Erfolg.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. März 2010 – 3 AZR 594/09 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 4. Juni 2009 – 13 Sa 253/09

Quelle: Pressemitteilung Nr. 19/10 vom 16.03.2010 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Keine Altersdiskriminierung durch auf jüngere Arbeitnehmer beschränktes Angebot von Aufhebungsverträgen

17. März 2010

Nimmt der Arbeitgeber die bei ihm beschäftigten über 55jährigen Arbeitnehmer aus dem Personenkreis aus, dem er im Rahmen einer Personalabbaumaßnahme den Abschluss von Aufhebungsverträgen gegen Abfindungen anbietet, liegt darin keine Diskriminierung wegen des Alters. Es fehlt bereits an einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Den älteren Arbeitnehmern bleibt ihr Arbeitsplatz erhalten. Sie werden deshalb nicht weniger günstig als die jüngeren Arbeitnehmer behandelt, die ihren Arbeitsplatz – wenn auch unter Zahlung einer Abfindung – verlieren.

Der 1949 geborene Kläger ist seit 1971 bei der Beklagten beschäftigt. Im Juni 2006 gab die Beklagte, bei der betriebsbedingte Beendigungskündigungen zu diesem Zeitpunkt tariflich ausgeschlossen waren, bekannt, dass Arbeitnehmer der Jahrgänge 1952 und jünger gegen Zahlung von Abfindungen freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden könnten. Die von ihr festgelegte Abfindungshöhe richtete sich nach Dauer der Betriebszugehörigkeit und Höhe des monatlichen Entgelts. Die Beklagte behielt sich vor, den Wunsch von Arbeitnehmern, gegen Abfindung auszuscheiden, abzulehnen. Die Aufforderung des Klägers, auch ihm ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten, wies die Beklagte zurück. Der Kläger verlangt von der Beklagten, ihm ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu unterbreiten, das eine Abfindung iHv. insgesamt 171.720,00 Euro beinhaltet.

Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Das neu geschaffene Diskriminierungsverbot wegen des Alters verfolgt wesentlich den Zweck, älteren Arbeitnehmern den Verbleib im Arbeitsleben zu ermöglichen. Es zwingt deshalb Arbeitgeber im Rahmen eines von ihnen geplanten Personalabbaus nicht dazu, auf Verlangen älterer Arbeitnehmer mit diesen einen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung zu schließen. Der Kläger hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass die Beklagte mit Arbeitnehmern der Jahrgänge 1951 und älter Aufhebungsverträge unter Zahlung von Abfindungen in der von ihr im Juni 2006 festgelegten Höhe geschlossen hat und damit von ihrer selbst gesetzten Regel abgewichen ist. Die Beklagte war deshalb auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nicht verpflichtet, mit dem Kläger den begehrten Aufhebungsvertrag zu schließen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Februar 2010 – 6 AZR 911/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 15. September 2008 – 9 Sa 525/07 –

Quelle: Pressemitteilung Nr. 18/10 vom 25.02.2010 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Kinderbezogener Ortszuschlag eines Teilzeitbeschäftigten gemäß BAT-O nach der Überleitung seines Ehegatten in den TVöD

17. März 2010

Der kinderbezogene Ortszuschlag eines im Geltungsbereich des BAT-O teilzeitbeschäftigten Angestellten wird nach der Überleitung seines vollbeschäftigten Ehegatten in den TVöD nicht gemäß § 34 Abs. 1 BAT-O zeitanteilig gekürzt. Diese Kürzungsregelung findet gemäß § 29 Abschn. B Abs. 6 Satz 3 BAT-O nach wie vor keine Anwendung, weil dem in den TVöD übergeleiteten Ehegatten gemäß § 11 der Überleitungstarifverträge eine dem kinderbezogenen Ortszuschlag entsprechende Leistung zustünde, wenn er das Kindergeld bezöge.

Der Kläger ist teilzeitbeschäftigter Lehrer bei dem beklagten Freistaat. Auch seine vollbeschäftigte Ehefrau steht im öffentlichen Dienst. Das Kindergeld für ihre beiden Kinder bezog der Kläger. Er erhielt deshalb trotz der Teilzeitarbeit gemäß § 29 Abschn. B Abs. 6 BAT-O den vollen kinderbezogenen Ortszuschlag. Der beklagte Freistaat teilte ihm in einem Schreiben vom 30. Juni 2006 mit, dass er nach der Überleitung seiner Ehefrau in den TVöD zum 1. Oktober 2005 ab dem 1. Januar 2006 nur noch den nach § 34 Abs. 1 BAT-O entsprechend seiner Arbeitszeit gekürzten Ortszuschlag erhalte und die erfolgte Überzahlung mit den laufenden Bezügen verrechnet werde. Mit seiner Klage verlangte der Kläger den monatlichen Differenzbetrag zu dem zuvor gezahlten ungekürzten kinderbezogenen Ortszuschlag für die Monate Januar bis Oktober 2006.

Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Hätte nicht der Kläger, sondern seine Ehefrau vor der Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses in den TVöD Kindergeld bezogen und damit nach § 29 Abschn. B Abs. 6 Satz 1 BAT-O den ungekürzten kinderbezogenen Ortszuschlag erhalten, wäre ihr nach § 11 TVÜ-Bund für die Dauer des Kindergeldbezugs eine Besitzstandszulage in Höhe dieses Ortszuschlags zu zahlen. Bei dieser Besitzstandszulage handelt es sich um eine dem kinderbezogenen Ortszuschlag „entsprechende Leistung“ im Sinne von § 29 Abschn. B Abs. 6 BAT-O. Nach dieser Bestimmung ist der Umstand, dass der Kläger und nicht seine Ehefrau den an den Bezug des Kindergeldes geknüpften kinderbezogenen Ortszuschlag erhalten hat und dass der Ehefrau des Klägers deshalb tatsächlich keine Besitzstandszulage zusteht, ohne Bedeutung.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Februar 2010 – 6 AZR 809/08 -
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 8. August 2008 – 3 Sa 700/07 -

Dem Senat lag am selben Tag ein weiteres Verfahren (- 6 AZR 877/08 -) mit im Wesentlichen gleichgelagertem Sachverhalt zur Entscheidung vor.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 17/10 vom 25.02.2010 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Fortgeltung einer dynamischen Verweisung auf Tarifverträge auch bei nicht tarifgebundenem Betriebserwerber – „Altvertrag“/„Neuvertrag“

17. März 2010

In dem vom Vierten Senat heute entschiedenen Fall hatte die Klägerin von der Beklagten Leistungen aus einem Tarifvertrag verlangt, an den die Beklagte nicht kraft Verbandsmitgliedschaft tarifgebunden ist. Sie hat sich dafür auf eine Bezugnahmeklausel in ihrem Arbeitsvertrag bezogen, den sie 1998 für eine Tätigkeit als Maschinenbedienerin mit einem tarifgebundenen Unternehmen der Metallindustrie abgeschlossen hatte. Dort war auf „die Bestimmungen der gültigen Tarifverträge der Metallindustrie Schleswig-Holstein in der jeweils gültigen Fassung“ Bezug genommen worden. Im Jahre 2003 ging das Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf eine andere, ebenfalls tarifgebundene Gesellschaft über. Im November 2005 schloss die Klägerin mit dieser aus Anlass einer Arbeitszeitreduzierung eine „Vereinbarung zum bestehenden und fortgeltenden Arbeitsvertrag“, in der es auch heißt: „Die einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein in ihrer jeweiligen Fassung sind Bestandteil dieser Vereinbarung.“ Im Jahre 2006 ging das Arbeitsverhältnis durch einen weiteren Betriebsübergang auf die nicht tarifgebundene Beklagte über.

Wie die Vorinstanzen hat auch das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass die Klägerin auch Rechte aus den in Bezug genommenen tariflichen Regelungen geltend machen kann, die erst nach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die nicht tarifgebundene Beklagte vereinbart wurden. Konkret ging es um Tariflohnerhöhungen und eine tarifliche Einmalzahlung, die im Jahre 2007 vereinbart worden und die der Klägerin in Höhe von rund 600,00 Euro zuzuerkennen waren.

Hintergrund des Rechtsstreits ist, dass nach der früheren Rechtsprechung des Vierten Senats bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge Bezugnahmeklauseln wie die im Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen waren, deren – nicht ausdrücklich niedergelegter, aber durch Auslegung festgestellter – vertraglicher Zweck es allein war, die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer ebenso zu stellen wie die tarifgebundenen; ihnen gegenüber waren die betreffenden Tarifverträge ohnehin kraft Gesetzes anzuwenden. Dies führte bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit auf Arbeitgeberseite dazu, dass die in das Arbeitsverhältnis einbezogenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung zum Zeitpunkt des Endes der Tarifgebundenheit anzuwenden waren. Diese Auslegungsregel legt der Senat aus Gründen des Vertrauensschutzes auch weiterhin bei Bezugnahmeklauseln zu Grunde, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind („Altverträge”). Bei Arbeitsverträgen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen wurden („Neuverträge”), wendet der Senat die genannte Auslegungsregel nicht mehr an. Er versteht die Klausel nun, wenn keine Anhaltspunkte für einen hiervon abweichenden Vertragswillen bestehen, ihrem Wortlaut entsprechend als unbedingte zeitdynamische Verweisung.

Im entschiedenen Rechtsstreit war die Verweisung im geänderten Arbeitsvertrag aus dem Jahre 2005 als Verweisung in einem „Neuvertrag“ zu behandeln, weil sie in den damals gebildeten Vertragswillen der Arbeitsvertragsparteien neu aufgenommen worden ist, wie schon ihre Umformulierung gegenüber dem Ursprungsvertrag zeigt. Die Verweisungsklausel war deshalb entsprechend der neueren Senatsrechtsprechung ihrem Wortlaut entsprechend anzuwenden. Die Beklagte ist an sie gebunden, weil sie im Wege des Betriebsübergangs in den mit diesem Inhalt bestehenden Arbeitsvertrag eingetreten ist. Sie hat deshalb die Klägerin auch trotz ihrer eigenen Tarifungebundenheit aufgrund Arbeitsvertrags nach den einschlägigen Tarifverträgen der Metallindustrie in Schleswig-Holstein in ihrer jeweils aktuellen Fassung zu vergüten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2010 – 4 AZR 691/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 17. Juli 2008 – 3 Sa 159/08 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 16/10 vom 24.02.2010 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Versetzung einer Tageszeitungsredakteurin in eine Entwicklungsredaktion

17. März 2010

Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber den Inhalt der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

Die Klägerin ist seit 1994 bei der Beklagten, einem Zeitungsverlag, als Redakteurin beschäftigt. Sie war zuletzt in der Redaktion Reise/Stil tätig. Im Arbeitsvertrag haben die Parteien ua. geregelt:

„Der Verlag behält sich vor, dem Redakteur andere redaktionelle oder journalistische Aufgaben, auch an anderen Orten und bei anderen Objekten zu übertragen, wenn es dem Verlag erforderlich erscheint und für den Redakteur zumutbar ist …“

Die Beklagte versetzte die Klägerin mit Wirkung vom 19. Juni 2007 in die neu gebildete Service- und Entwicklungsredaktion. Dort sollte die Klägerin mit zwei weiteren Redakteurinnen und einem Teamleiter ua. eine Gesundheitsbeilage entwickeln. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die ausgesprochene Versetzung unwirksam ist. Sie verlangt außerdem Beschäftigung in der Redaktion Reise/Stil.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb vor dem Neunten Senat ohne Erfolg. Nach dem Arbeitsvertrag ist die Beklagte nur berechtigt, der Klägerin eine Redakteurstätigkeit bei anderen Objekten/Produkten zu übertragen. Es gehört nicht zum Berufsbild des Redakteurs, nur neue Produkte zu entwickeln, ohne noch zur Veröffentlichung bestimmte Beiträge zu erarbeiten. Zudem übertrug die Beklagte der Klägerin keine anderen Produkte, sondern entzog ihr ausschließlich die bisher bearbeiteten Produkte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Februar 2010 – 9 AZR 3/09 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Juli 2008 – 22 Sa 2174/07 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 15/10 vom 23.02.2010 auf www.bundesarbeitsgericht.de