Bemessungsdurchgriff bei der Aufstellung eines Sozialplans im Konzern
Können sich Betriebsparteien nicht auf die Vereinbarung eines Sozialplans verständigen, entscheidet die Einigungsstelle. Bei ihrem Spruch hat sie gemäß § 112 Abs. 5 BetrVG die sozialen Belange der Arbeitnehmer zu berücksichtigen und auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Sozialplandotierung zu achten. Hierfür ist auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers (Unternehmens) abzustellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Sozialpläne konzernangehöriger Unternehmen. Ist allerdings ein solches Unternehmen durch eine Spaltung iSd. Umwandlungsgesetzes entstanden und sind dabei die zur Führung seines Betriebs wesentlichen Vermögensteile bei dem übertragenden Unternehmen als Anlagegesellschaft verblieben und dem später sozialplanpflichtigen Unternehmen als Betriebsgesellschaft lediglich zur Nutzung überlassen worden, ist nach § 134 UmwG bei der Bestimmung des Sozialplanvolumens im Wege eines Bemessungsdurchgriffs auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der Anlagegesellschaft zu berücksichtigen.
Die K-AG hat sechs Rehakliniken betrieben. Diese gliederte sie Anfang des Jahres 2006 auf sechs Betriebsgesellschaften aus. In fünf Fällen behielt die K-AG das Eigentum an den Klinikgrundstücken. Im sechsten, streitgegenständlichen Fall der O-Klinik GmbH (Arbeitgeberin) war die K-AG nur Pächterin der Klinikimmobilie gewesen. Ende 2006 beschloss die Arbeitgeberin ihren hoch defizitären Klinikbetrieb einzustellen. Daraufhin wurde durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Mio. Euro aufgestellt. Zu dieser Zeit wies die Bilanz der Arbeitgeberin einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag von rund 3 Mio. Euro aus.
Der auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs gerichtete Antrag der Arbeitgeberin hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Spruch der Einigungsstelle überschreitet die Grenzen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit und verstößt deshalb gegen § 112 Abs. 5 BetrVG. Ein Bemessungsdurchgriff nach § 134 UmwG auf die vermögende K-AG war der Einigungsstelle verwehrt. Im Zuge der Ausgliederung waren der Arbeitgeberin keine für die Fortführung ihres Klinikbetriebs wesentlichen Vermögensteile entzogen worden.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15. März 2011 – 1 ABR 97/09 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 4 TaBV 68/08 -
Pressemitteilung Nr. 18/11 vom 15.03.2011 auf www.bundesarbeitsgericht.de