Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifvertrag – maßgebendes Tarifrecht bei Branchenwechsel nach Betriebsübergang
In sechs Parallelentscheidungen hat der vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts gegen Einwände des Landesarbeitsgerichts an seiner Rechtsprechung festgehalten, wonach eine arbeitsvertragliche dynamische Verweisung auf das Tarifrecht einer bestimmten Branche (so genannte kleine dynamische Verweisung) über ihren Wortlaut hinaus nur dann als Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich/betrieblich geltenden Tarifvertrag (so genannte große dynamische Verweisung oder Tarifwechselklausel) ausgelegt werden kann, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt. Das gilt auch für Bezugnahmeklauseln, die aus Gründen des Vertrauensschutzes noch (BAG 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – BAGE 122, 74) als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen sind.
Im Fall des Betriebsübergangs geht eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB mit unverändert rechtsbegründender Bedeutung über. Davon zu trennen ist § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die individualrechtliche Weitergeltung kollektivrechtlicher Normen angeordnet ist, einschließlich der darauf bezogenen Ablösungsregelung in dessen Satz 3 BGB. Diese setzt die normative Geltung der Tarifnormen im Sinne des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB voraus. Wenn die Tarifregelungen für das Arbeitsverhältnis vor Betriebsübergang kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung galten, ist für eine Berücksichtigung von § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB kein Raum, weder direkt, noch analog oder im Wege der Auslegung.
In den heute entschiedenen Rechtsstreitigkeiten waren die Revisionen der Klägerinnen erfolgreich. Nachdem ihre Arbeitsverhältnisse auf die Beklagte übergegangen sind, gilt für sie neben dem kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvertrag, dem BMT-G II, auch der für allgemeinverbindlich erklärte Gebäudereiniger-Tarifvertrag. Das Verhältnis beider tariflicher Regelungen zueinander war nach dem Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG zu Gunsten des BMT-G II zu klären.
Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 17. November 2010 – 4 AZR 391/09 – ua.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteile vom 2. April 2009 – 15 Sa 1458/08 – ua.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 87/10 vom 17.10.2010 unter www.bundesarbeitsgericht.de